36. Berliner Zahnärztetag

Der rote Faden in der Praxis

Unter dem Motto „Haltet durch! Gesunde Zähne ein Leben lang“ stand die Zahnerhaltung im Mittelpunkt des diesjährigen Berliner Zahnärztetages am 11. und 12. März 2022. „Was sich wie ein roter Faden durch unsere tägliche Arbeit zieht – das möglichst lange Gesunderhalten der Zähne unserer Patientinnen und Patienten –, ist auch das übergreifende Thema des Kongresses“, sagte Tagungsleiter Prof. Dr. Sebastian Paris.

Die Teilnehmer sollten „nach dem Kongresswochenende die neu gewonnenen Informationen direkt im Behandlungsalltag umsetzen können“ sagte Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Zahnärztekammer Berlin, in seiner Eröffnungsrede: Um die Praxisnähe zu betonen, hatten die Veranstalter zu den insgesamt sechs Themen (Kinderzahnheilkunde, Restaurative Zahnheilkunde, Alterszahnmedizin, Endodontie, Traumatologie, Materialien) jeweils paritätisch Referenten aus der Wissenschaft/Universitätszahnmedizin und niedergelassene Kolleginnen und Kollegen eingeladen.

Heegewaldt ging auch auf den Krieg in der Ukraine ein und zeigte sich besorgt wegen eines möglichen Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung in den vom Krieg betroffenen Gebieten. Er verwies darauf, dass das Hilfswerk Deutscher Zahnärzte direkte Kontakte zu Helfern vor Ort unterhalte und rief zu Spenden für die HDZ-Hilfsaktion in der Ukraine auf.

Stahlkrone funktioniert besser als Füllungen

Für das Thema Kinderzahnheilkunde war Prof. Dr. Christian Splieth aus Greifswald zugeschaltet. Splieth stellte die Vorteile der Hall-Technik heraus – die Behandlung funktioniere schnell und wirksam: Die Karies muss nicht entfernt werden und eine Präparation ist auch nicht notwendig. „Stahlkrone aussuchen, Krone mit GIZ füllen, Aufsetzen und zubeißen lassen, Fertig.“ schilderte Splieth den Behandlungsablauf und fügte hinzu: „Die Stahlkrone funktioniert besser als Füllungen.“ Angesichts der guten wissenschaftlichen Datenlage könne man inzwischen auch überlegen, ob Stahlkronen nicht auch präventiv bei den Kindern, deren Kariesaktivität nicht in den Griff zu bekommen ist, eingesetzt werden sollten.

Dr. Ulrike Uhlmann, Leipzig, berichtete über die Anwendung silberhaltiger Verbindungen zur Kariesbehandlung. Silbernitratlösungen wurden schon vor über 100 Jahren in der Zahnmedizin angewandt. Silberdiaminfluorid (SDF) findet seit Ende der 1960er Jahre Verwendung in der Prävention und Behandlung von Milchzahnkaries, unter anderem in Südamerika, Australien, China und Japan. In Europa ist SDF unter dem Namen „riva star“ erhältlich – die Anwendung ist aber nur als „Off-Label-Use“ möglich, was in der Praxis eine Pflicht zur umfassenden Aufklärung der Eltern vor dem Einsatz bedingt. Eine 38-prozentige SDF-Lösung kann – zweimal im Jahr aufgetragen – Karies wirksam arretieren. Einziger „wirklicher Nachteil“ ist die Schwarzfärbung der Zähne – das sollte explizit in der Aufklärung der Eltern benannt werden. Die Therapie ist besonders für Karies-Hochrisikokinder geeignet.

Bitte Keine Hetze bei der Präp

Die in München niedergelassene Zahnärztin Dr. Gertrud Fabel, MSc, ist seit 2008 CEREC-Anwenderin. Sie sprach zum Thema „Chairside Inlays mit CEREC – von Composite bis Glaskeramik“. Dabei kamen sowohl die theoretischen Grundlagen wie Materialkunde und Präparationsvor-aussetzungen als auch die praktischen Erfahrungen beim Workflow zur Sprache. Der Erfolg einer Chairside-Behandlung ist heute immer noch wesentlich von der Erfahrung des Behandlers abhängig. Als Gründe für Misserfolge sah Fabel unter anderem ein „schlechtes Zeitmanagement“ mit „Hetze bei der Präp“ und „falsche Materialwahl“ an.

Interessant: Eine am Beginn des Vortrags durchgeführte Umfrage hatte nach der Berufserfahrung der Zuhörer gefragt. Die Antworten zeigten ein altersmäßig sehr ausgeglichenes Teilnehmerfeld:

  • 0-10 Jahre Berufserfahrung: 37 Prozent

  • 11-20 Jahre Berufserfahrung: 23 Prozent

  • > 20 Jahre Berufserfahrung: 40 Prozent

67 Prozent der Teilnehmer hatten bislang noch nicht chairside gearbeitet, acht Prozent hatten Kronen chairside eingesetzt, 25 Prozent Kronen und Inlays.

Senioren haben heute weit mehr natürliche Zähne im Gebiss. Die Kehrseite dieser erfreulichen Entwicklung ist die Zunahme von Karies in der betagten Altersgruppe. Dabei ist die Wurzelkaries „die Karies des Alters“, betonte Paris, Wissenschaftlicher Leiter des Charité Centrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, in seinem Vortrag zu den Herausforderungen der Zahnerhaltung bei Senioren. Senioren haben zusätzliche altersspezifische Kariesrisiken: Ein reduzierter Speichelfluss schwächt die Remineralisation der Schmelzoberflächen. Die manuelle Geschicklichkeit lässt nach und ein bereits parodontal geschädigtes Gebiss ist immer schwerer gut zu reinigen. Hinzu kommen veränderte Ernährungsgewohnheiten, die nicht selten kariogene Kost präferieren. 

Senioren und Kinder haben viel gemeinsam

Sowohl bei den Risikofaktoren als auch in den Behandlungsansätzen zeigen sich etliche Gemeinsamkeiten von Senioren und Kindern: Beide verfügen über vulnerable Zahnsubstanzen (freiliegende Wurzeln, empfindliche Milchzähne), geringere manuelle Geschicklichkeit, tendenziell schlechtere Mundhygiene, tendenziell kariogenere Ernährung und eine nicht selten eingeschränkte zahnärztliche Behandlungsfähigkeit.

In der Prävention sind die zuckerarme Ernährung, Fluorid-Zahnpasta, Interdentalraumreinigung und bei Bedarf die Unterstützung bei der Mundhygiene von Bedeutung. „Inaktive Wurzelläsionen (hart, glänzend, Plaque-bedeckt) sollten als Narben angesehen werden und bedürfen keiner aktiven Behandlung. Allerdings sollten diese Läsionen regelmäßig nachuntersucht werden. [...] Aktive Wurzelläsionen (weiche Oberfläche, Plaque-bedeckt) sollten entsprechend ihrer Lage und Tiefe behandelt werden. [...] Wenn eine Arretierung mittels non-invasiver Methoden erreichbar erscheint, sollten diese gegenüber restaurativen Methoden präferiert werden,“ zitierte Paris aus den gemeinsamen Konsensusempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) und der europäischen Verbände ORCA und EFCD.

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