„Viele von uns haben Immobilien, in denen Geflüchtete zeitweise wohnen könnten“
Herr Dr. Sürmann, wie haben die Zahnärztinnen und Zahnärzte auf den Spendenaufruf des HDZ reagiert?Dr. Klaus-Achim Sürmann:
Die Zahnärzteschaft zeigt sich sehr solidarisch. Wie nach der Flutkatastrophe in Deutschland im vergangenen Sommer ist der Spendenzufluss enorm. Es sind bereits 375.000 Euro zusammengekommen. Damit können wir sehr vielen Menschen helfen.
Haben Sie schon etwas davon weitergegeben?
Ja, natürlich. Das HDZ hat bereits länger eine Verbindung in die Ukraine. In Kooperation mit den Salesianern Don Boscos unterstützen wir seit einigen Jahren ein Kinderheim in Lwiw/Lemberg. Nach dem Kriegsausbruch wurden die Kinder in die Slowakei evakuiert, im Kinderheim sind nun Geflüchtete untergebracht. Wir haben den Salesianern 50.000 Euro zur Verfügung gestellt, damit sie diese Menschen versorgen können. Von dem Geld kaufen sie außerdem Nahrungspakete und Medikamente, die sie bei Hausbesuchen verteilen, und unterstützen Einrichtungen, Familien und Alleinlebende unterwegs.
Stehen Sie in Kontakt mit ukrainischen Zahnärztinnen und Zahnärzten?
Die „Ukrainian Dental Association“, das Pendant zur Bundeszahnärztekammer, hat sich über einen Kollegen aus Dresden an uns gewandt und uns eine Liste zukommen lassen mit Dingen, die nötig gebraucht werden. Auf dieser Liste standen ausschließlich Notfallmedikamente wie zum Beispiel blutstillende Arzneien. Das lässt natürlich schockierende Rückschlüsse darauf zu, wie kritisch die Situation vor Ort ist.
Wie kommen Sie an diese Medikamente ran?
Man braucht die richtigen Partner, da man diese speziellen Medikamente nicht einfach wie im Supermarkt kaufen kann. Wir haben uns mit dem Hilfswerk „Action Medeor“ zusammengetan. Das ist eine Art gemeinnützige Weltapotheke. Über Action Medeor haben wir Arzneien im Wert von 40.000 Euro erworben, die sich bald zu einem Verteilungspunkt nahe Lemberg auf den Weg machen. Für eine ähnliche Lieferung stehen wir über meinen Vorstandskollegen Dr. Klaus Winter mit „Apotheker ohne Grenzen“ in Kontakt.
Das HDZ hat auch aus eigenen Beständen gespendet, oder?
Das ist richtig. Wir haben einen Transport von Hilfsgütern, der hier aus Göttingen nach Polen an die ukrainische Grenze gestartet ist, spontan mit knapp 400 Zahnbürsten und 50 Tuben Zahnpasta unterstützt. Aber auch andere Organisationen haben Zahnhygieneartikel zur Verfügung gestellt: Der „Verein für Zahnhygiene“ (VfZ) hat weit über 1.000 Zahnbürsten, Zahnputzbecher und Zahnpasten gespendet und an uns gesendet. Weitere Lieferungen werden folgen, hat der VfZ angekündigt. Was bisher angekommen ist, lassen wir nun über einen zuverlässigen Transportkontakt mit dem St. Lazarus Orden und einer ukrainischen Spedition zunächst nach Berlin und dann in die Ukraine bringen.
Hilfe für die Ukraine
Spenden Sie jetzt für die Menschen vor Ort und die Geflüchteten
Spendenkonto der Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte:
Deutsche Apotheker- und Ärztebank
IBAN: DE2830060 6010004444000
BIC (SWIFT-Code): DAAEDEDD
Stichwort: Ukraine
Sie legen besonderen Wert auf das Wort „zuverlässig“. Gibt es auch unzuverlässige Transportwege?
Auf jeden Fall. Wir versuchen immer sicherzustellen, dass professionelle Logistikunternehmen den Transport der Hilfsgüter übernehmen. Auch, um die Zahl privater Fahrzeuge zu reduzieren, die im Krisengebiet an der ein oder anderen Stelle zu Verkehrsproblemen geführt haben, so dass zum Teil Rettungsfahrzeuge schlecht durchkamen. Zumindest haben wir darüber Berichte gehört.
Hat das HDZ noch weitere Hilfsaktionen unterstützt?
Auf Vermittlung des Lazarus-Ordens haben wir einer privaten Initiative in Stuttgart 5.000 Euro zukommen lassen. Das Geld wird für die Sofortausstattung von 72 Waisenkindern, die dort eingetroffen sind, verwendet. Weitere 5.000 Euro gingen an das Grenzdurchgangslager Friedland zur Sofortschulung ehrenamtlicher Begleitpersonen im Umgang mit Kriegstraumata, insbesondere bei Kindern. Das Geld fließt außerdem in die Sofortfinanzierung von Honoraren für Dolmetscherinnen und Dolmetscher.
Haben Sie weitere Ideen, wie die deutschen Zahnärztinnen und Zahnärzte den Menschen in der Ukraine beziehungsweise denen, die bereits aus der Ukraine geflüchtet sind, helfen können?
Viele von uns besitzen Immobilien, in denen Geflüchtete zeitweise wohnen könnten. Optimal ist es natürlich, wenn die Menschen nicht nur ein Dach über dem Kopf finden, sondern auch Hilfe beim Ankommen. Dafür kann man sich aber auch mit Organisationen aus dem Bereich Seelsorge oder Sozialarbeit zusammentun, die diesen Part eventuell übernehmen.
Ansonsten schätzt das HDZ, dass der Finanzbedarf im Zusammenhang mit dieser Katastrophe noch steigen und sich in die Länge ziehen wird. Vor diesem Hintergrund bitten wir weiter um Geld- oder Altgoldspenden oder alten Goldschmuck. Wir können solche Spenden sehr gut verwerten und auch entsprechende Spendenbescheinigungen ausstellen. In unserem Büro in Göttingen sind dafür die Kollegen Dr. Jürgen Kiehne und Dr. Volker Langheim unermüdlich im Einsatz. Je mehr zusammenkommt, desto langfristiger können wir den Menschen aus der Ukraine, die gerade alles verlieren, eine Stütze sein.
Das Gespräch führte Susanne Theisen.