Exponate aus der Sammlung Proskauer/Witt

Der zahnärztliche Pelikan

Der Pelikan galt – nach der Zange, die schon vor Christi bekannt war – über Jahrhunderte als das wichtigste Extraktionsinstrument. Wann genau er zum ersten Mal benutzt worden ist, liegt im Dunkel der Vergangenheit. Es gibt verschiedene Geschichten zur Herkunft, einer zufolge hat er sich im Mittelalter aus dem Reifziehen der Bierfässer im Böttcherhandwerk entwickelt.

Vorab muss man wissen, dass unter den Begriff „Pelikan“ gleich zwei Instrumente fallen: zum einen der Überwurf, der eine etwas andere Funktionsweise hat, zum anderen der Pelikan selbst.

Christus galt symbolisch als Pelikan der Gnade

Das erste Mal beschrieben wurde das Instrument von Fabrici d’Acquapendente (1533 bis 1619). Der italienische Anatom und Chirurg – er war auch der Begründer der Embryologie – charakterisierte den Pelikan als „innwendig wie der Schnabel eines Pelikan formirt und sich mit einer Basis oder Grund (hier ist die halbrunde Abstützung gemeint) an andere Zähne anhaltend.“

Der deutsche Medizinhistoriker Karl Sudhoff (1853 bis 1938) kommentierte diese Herleitung folgendermaßen: „Der mittelalterliche Glaube sah Christus symbolisch als Pelikan der Gnade, der mit dem Haken am Schnabel seine Brust aufreißt, um mit dem quellenden Herzblut die tote Brut am dritten Tag wiederzuerwecken.“ Diese Vorstellung dürfte Sudhoff zufolge zu dem Namen geführt haben, denn es gab sicherlich mehrere Vogelarten, nach denen dieses Instrument hätte benannt werden können.






Viel früher schrieb John of Gaddesden (1280 bis 1361), ein englischer Mediziner, Leibarzt und Theologe: „Man nehme ein Eisen, vorn breit und scharf schneidend vorn [innen, Anmerkung des Autors], und dann treibe man den Zahn abwärts, und damit fällt er aus.“ Für Sudhoff war dieses Werkzeug schon eine Art Pelikan. Walther Hermann Ryff (1500 bis 1548) stellte 1545 in seinem Werk „Die groß Chirurgei oder volkommene Wundtartzenei“ sowohl den Pelikan als auch den Überwurf dar, daneben sind zudem Zange und Hebel abgebildet.

Der Zahnarzt musste sehr geschickt sein

Insgesamt sehen viele bekannte Autoren und Behandler des 17. und des 18. Jahrhunderts den Pelikan kritisch: Schließlich bedurfte es schon eines sehr geschickten Zahnarztes und einer optimalen Situation, um mit dem Werkzeug einen Zahn zu extrahieren. In einer historischen Abhandlung heißt es: „Man beachte das unter der Last die Zähne nicht nachgeben“ – damit sind die Zähne gemeint, an denen sich der Pelikan abstützte, um das schadhafte Exemplar mithilfe des innen angesetzten Hakens herauszubrechen.

DENTALMUSEUM SCHALTET IN DEN „ÜBERLEBENSMODUS“

Damit die explodierenden Strom- und Gaspreise nicht den Betrieb gefährden, schaltet das dentalhistorische Museum ab Oktober bis März 2023 in den „Überlebensmodus” und schließt die Türen. Was das genau bedeutet, erklärt Leiter Andreas Haesler auf zm-online (siehe Link).

Die eigentliche Museumsarbeit, also die Sichtung, Inventarisierung und Aufarbeitung der Exponate, die hinter den Kulissen geschieht, läuft aber weiter. Fernziel bleibt, einen Teil der Ausstellung in einer deutschen Metropole zu zeigen, um die zahnmedizinische Geschichte einem breiteren Publikum anschaulich zu machen. Das geht nicht ohne Ihre Hilfe!

Sie können direkt auf folgendes Spendenkonto überweisen: 

Dentalhistorisches Museum

Sparkasse Muldental

DE06 8605 0200 1041 0472 46

Bei Angabe von Namen und E-Mail-Adresse wird eine Spendenquittung übersandt.

Erst um 1740 – mit der Entwicklung des Zahnschlüssels – wird der Pelikan langsam abgelöst. Er verliert sich nach 1850, zum Hauptextraktionsinstrument werden der Zahnschlüssel und die Zange, die nach 1800 wieder aus ihrer Versenkung herausfindet. Der Hebel ist allzeit ein hilfreiches Mittel um einen Zahn zu entfernen. 

Der Zahnarzt Dr. Wolfgang Busch, Experte auf dem Gebiet der zahnärztlichen Extraktionsinstrumente, unterteilt die Pelikane in vier Gruppen:

  • Pelikane mit einem Schaft und Widerlager,

  • Pelikane mit zwei Schäften und Widerlagern (bei beiden können sowohl eine oder zwei Klauen vorhanden sein),

  • Pelikane mit Endlosschraube,

  • Überwürfe: Hier wird der Haken über den Zahn gelegt, das Widerlager befindet sich gegenüber, so dass der Zahn mehr oder weniger herausgehebelt wird.

Der hier dargestellte Pelikan ist aus der Zeit um 1600 und gehört zur Gruppe der Endlosschraube. Er zählt zu den schönsten, die es weltweit gibt. Mithilfe des hölzernen Griffs konnte der Haken per Drehbewegung individuell eingestellt werden, je nach Größe des zu extrahierenden Zahns. Die Schraube ist eine der großen technischen Verbesserungen am Pelikan. Sehr gut sieht man an der Feststellschraube und am gedrehten Schaft des Widerlagers die künstlerische Gestaltung des Hakens. Das Exponat ist aus Eisen und Holz gefertigt und etwa 14 cm lang. Es zeugt von der hohen Qualität der Sammlung Proskauer/Witt. 

DIE PREZIOSEN AUS ZSCHADRAß

Im Dentalhistorischen Museum schlummern im Verborgenen viele Schmuckstücke – der Höllenzahn, der Goldpolier- hammer, Dr. Jenkins Materialkasten und viele, viele mehr. Wir stellen sie vor!

Andreas Haesler

Leiter des Dentalhistorischen Museums in Zschadraß 

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