Nach 50 Jahren Hobby-Astronomie

Amrumer Zahnarzt entdeckt unbekannten Kometen

mg
Seiner großer Leidenschaft begegnete Jost Jahn zum ersten Mal bei einer partiellen Sonnenfinsternis während des Schulunterrichts. Seitdem blieb er der Astronomie treu – und wurde belohnt: Mehr als ein halbes Jahrhundert später entdeckte der Zahnarzt bei der Auswertung frischer Teleskopaufnahmen einen unbekannten Kometen. P/2023 C1 kreist seitdem als „Jahn“ durch unser Sonnensystem – während sein Namensgeber schon neue Pläne entwickelt.

In den Anfangstagen seines exotischen Hobbys beobachtete Jahn noch mit dem bloßen Auge, später mit dem Fernglas, ab 1975 dann mit seinem ersten Fernrohr, das er sich als Schüler mühsam zusammensparte. „Das kostete damals immerhin etwa 500 Mark“, erinnert er sich. Dafür erhielt er Qualität: Sein Kosmos LW 50 besitzt Jahn noch heute, auch wenn er es schon lange nicht mehr für Himmelsbeobachtungen nutzt.

Das von Jahn genutzte Teleskop wiegt eine Tonne

Nach vielen Zwischenstadien kommt seit 2013 stattdessen das Teleskop der „Stiftung für interaktive Astronomie und Astrophysik” zum Einsatz. Das sogenannte ROTAT (Remote Observatory Theoretical Astrophysics Tübingen) steht im Süden Frankreichs auf dem Gelände der Nationalsternwarte „Observatoire de Haute Provence“ (OHP), hat eine Länge von zwei Metern, einen Durchmesser von 60 Zentimetern und wiegt gut eine Tonne.

Da Jahn für die Stiftung die technische Betreuung der ROTAT-Software übernimmt und „mal hilft, wenn es irgendwo hakt", darf er das Profi-Teleskop immer dann privat nutzen, wenn es nicht für Ausbildungszwecke gebucht ist. Hierbei kommen dem Zahnarzt seine autodidaktisch erworbenen Programmierkenntnisse und die Erfahrungen aus ein paar IT-Jobs zugute, die er damals neben dem Studium in Hamburg ausübte.

Der Erfolg kam nach mehreren Hunderttausend Aufnahmen

Mehr als 1.000 Nächte steuerte Jahn so von Amrum aus ROTAT an und dirigierte das Teleskop mithilfe einer selbst geschriebenen Software zu den für ihn interessanten Bereichen des Alls, um automatisiert Aufnahmen zu machen. Schätzungsweise seien es in all den Jahren mehrere Hunderttausend gewesen, sagt Jahn, der zu einer Gruppe von etwa 30 Hobby-Astronomen weltweit gehört, die sich auf die Kometensuche spezialisiert haben. Wenn der Zahnarzt und Kometensucher nach einer Beobachtungsnacht morgens aufsteht, haben wieder andere Skripte auf seinem Computer die in der Cloud gespeicherten Digitalaufnahmen bereits vorausgewertet.

Der bis dahin unbekannte Komet auf den ROTAT-Aufnahmen aus der Nacht vom 14. auf den 15. Februar rutschte der Software hingegen durch. Das Asteroiden-artig erscheinende Objekt, das sich bei genauer Analyse als ein von einer durch Ausgasungen gebildeten Wolke umgebener Komet entpuppte, war Jahn erst bei der persönlichen Sichtung der Bilder am 20. März aufgefallen. „Ich habe durch Zufall ganz am Rande einer Aufnahme einen hellen Punkt entdeckt, der bisher nicht identifiziert worden ist“, sagt er.

Komet „Jahn“ ist alle sieben Jahre sichtbar

Nachdem er einen befreundeten Profi-­Astronomen zurate gezogen hatte, war er sicher und informierte das Central Bureau for Astronomical Telegrams in den USA. Dort bestätigte man ihm, dass der Himmelskörper mit der Sichtungsnummer „P/2023 C1“ bisher nicht beschrieben worden sei. Archivaufnahmen aus früheren Jahren und aktuelle Aufnahmen verschiedener Observatorien desselben Himmelsabschnitts passten zu Jahns Entdeckung und bestätigten so die Existenz des Jahn-Kometen, der als periodischer Schweifstern die Sonne auf einer geneigten Umlaufbahn zwischen den Planeten Mars und Jupiter umkreist. Der Komet ist etwa so weit von der Erde entfernt wie die Sonne und hat einen Durchmesser von ein bis zwei Kilometern. In sieben Jahren soll er wieder am Himmel zu sehen sein.

Bis dahin hat Jahn noch viel vor: Er würde „schon gern“ noch einen weiteren unbekannten Kometen entdecken. „Am besten wäre natürlich einer, der mit bloßem Auge sichtbar ist“ – auch wenn Jahn weiß, dass die Wahrscheinlichkeit dafür verschwindend gering ist. „Aber immerhin noch größer als ein Sechser im Lotto“, sagt er. „Vielleicht so groß wie die Chance auf einen Fünfer im Lotto.“

Als „Lotterielos aller Amateurastronomen“ investiert Jahn etwa ein bis zwei Stunden täglich in sein Hobby. Die Zeit nimmt er sich. Seit er den Praxisbetrieb stark reduziert hat, ist das kein Pro­blem. Mittlerweile arbeitet er ohne Assistenz, die Sprechzeiten betragen nur noch drei Stunden pro Wochentag.

Ungezählte Stunden optimierte der Zahnarzt in den vergangenen Jahren seine Steuerungssoftware. Programmieren entspanne ihn, sagt er und lacht, „auch wenn das für viele vielleicht schwer verständlich ist“. Überhaupt habe ihn immer eher der technisch-wissenschaftliche Teil der Astronomie interessiert. Dekorative Fotos (Jahn: „pretty pictures“) von Galaxien oder Sternhaufen sollen andere machen, das sei nichts für ihn.

Jetzt sucht Jahn nach einem „Fünfer im Lotto“

Dann schon lieber die Suche nach einer Supernova – also jenem kurzzeitigen Aufleuchten massereicher Sterne, die am Ende ihrer Lebenszeit explodieren. Jahn überlegt, dazu eine „Mini-Himmelsüberwachung“ zu bauen, also ein Kamera-Array aus etwa zehn Digitalkameras, die zusammenmontiert und computergesteuert den Himmel abfotografieren. Vielleicht lasse sich so auch eine Nova, also ein Helligkeitsausbruch eines Weißen Zwergs finden. „Wer weiß“, sagt Jahn, „bis jetzt ist noch kein Stern auf mich registriert.“

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