Bewegungsabläufe am Behandlungsstuhl

Die Kunst des bewussten Auflösens

Im Verlauf einer Behandlung lösen Zahnärzte immer wieder ihre Arbeitshaltung auf, um sie kurz darauf erneut einzunehmen. Um Überlastungen und Schädigungen des Bewegungsapparats vorzubeugen, kann es helfen die Arbeitshaltung bewusst aufzulösen, bevor sie in der nächsten Behandlung erneut eingenommen wird.

Wer zahnärztlich tätig ist, verbringt einen Großteil des Tages in derselben Arbeitshaltung. Diese variiert zwar mit dem Bereich, in dem gearbeitet wird, und damit, wie die Patientin oder der Patient sich lagern lässt, trotzdem haben in aller Regel die Qualität der Versorgung und der Komfort des Patienten Vorrang. Auf diese Präzisionsarbeit konzentriert, vergisst man oft, in welcher Arbeitshaltung sich der eigene Körper befindet.

Das mag über einen kurzen Zeitraum nicht allzu problematisch sein, denn der Körper ist ein Meister der Anpassung und arrangiert sich mit allen Herausforderungen. Wenn allerdings eine Fehlhaltung über lange Zeiträume immer und immer wieder eingenommen wird, speichert der Körper diese als gewohnte Körperhaltung ab. Eine hängende Schulter oder ein schiefes Becken werden buchstäblich „mit in die nächste Behandlung mitgenommen“, sagt Sporttherapeut Ulrich Steger.

Damit Fehlhaltungen nicht zur Gewohnheit werden, empfiehlt es sich, statische Arbeitshaltungen bewusst aufzulösen und da, wo es möglich ist, gezielt in die Gegenbewegung zu gehen. Es ist wichtig, dem Körper zu zeigen, dass ein Muskel nur für eine gewisse Zeit „kurz“ gehalten wird – zum Beispiel wenn die eine Schulter weiter vorne und tiefer gehalten wird als die andere, dieser Muskel aber trotzdem seine ursprüngliche Länge beibehalten soll. Das kann dauerhaften Verkürzungen vorbeugen.

Unbedachtes Lösen statischer Haltungen belastet den Körper

Zum körperlichen Ausgleich regelmäßig Sport zu treiben, ist hilfreich, und ein athletischer Körper ist grundsätzlich auch deutlich belastbarer. Allerdings gibt Steger zu bedenken: „Es ist gut, wenn Du regelmäßig trainierst. Zusätzlich solltest Du aber nach langen statischen Haltungen kontrolliert aufstehen und die Position bewusst auflösen.“

Der Auflösungsvorgang

Schritt 1: Bewusstes, langsames Auflösen der statischen Arbeitshaltung (am Patienten): Gehen Sie langsam und bewusst aus einer statischen Körperhaltung heraus. Steger: „Wenn Du im Stress bist, stehst Du nicht langsam auf, aber dafür solltest Du Dir die Zeit nehmen.“

Schritt 2: Gehen Sie in die Gegenbewegung, wenn kein Patient auf dem Stuhl liegt: Das Ziel der Gegenbewegung ist, die einseitige Arbeitsstatik zu durchbrechen. Es geht um Repositionierung und Neutralisierung. Alte Bewegungsmuster der Verkürzung und der Verhärtung sollen durchbrochen werden. Dabei geht es ausschließlich darum, die einseitige Gegenbewegung einzunehmen. Es reicht, wenn Sie nur einseitig in die Gegenbewegung gehen.

„Wenn Du eh aufstehen musst, um zum nächsten Patienten zu gehen, dann nimm dir doch die Zeit, um deinem Körper etwas Gutes zu tun.“

Ulrich Steger, Diplomsportlehrer und Sporttherapeut

Versuchen Sie die Situation erst mental zu dokumentieren: Wenn kein Patient auf dem Stuhl sitzt, nehmen Sie Ihre typische Arbeitshaltung ein und machen Sie von dieser Haltung ein mentales Foto. Wie sind Ihre Finger positioniert? Sind sie gebeugt, weil sie das Winkelstück halten? Was ist mit Ihrem Handgelenk? Scannen Sie den Arm entlang bis zur Kopfkrone, dann den Nacken und den Rücken hinunter bis zum Becken, zu den Knien und zu den Füßen. Jetzt überlegen Sie, wie Sie (eines nach dem anderen) alle Körperteile aus der asymmetrischen Position heraus wieder in die Gegenbewegung bringen können.

Sie könnten also die Finger strecken, das Handgelenk in die andere Richtung neigen, den Ellenbogen strecken, den Arm nach hinten oben nehmen. Wenn Sie sich durch den Oberkörper gearbeitet haben, denken Sie bitte auch an den Unterkörper. Nicht nur die Schulter, auch das Becken und das Gesäß wollen ausgerichtet werden.

Besonders wichtig: Wenn Sie in der Gegenbewegung sind, achten Sie darauf, tief ein- und auszuatmen. Unter Anstrengung und Anspannung übernimmt der Körper oft eine flache, unvollständige Atmung. Die tiefe Atmung hat einen beruhigenden und gleichzeitig revitalisierenden Effekt auf den Körper.

Fazit

Die Schritte zur Auflösung einer statischen Arbeitshaltung sind ausführlich bebildert und beschrieben. Dass nur wenig Zeit für die vollständige Ausführung dieses Bewegungsablaufs zur Verfügung steht, ist klar. Deswegen wäre es auch schon zielführend, nur ein oder zwei Teilschritte durchzuführen – was die konkrete Situation eben zulässt. Das Ziel ist die funktionelle, qualitativ gute Auflösung. Es geht einfach nur darum, dass sie daran denken – und tun, was möglich ist.

Unser Tipp: Probieren Sie die Übungen doch mal in Ihrer Freizeit aus, um zu erfahren, wie einfach sich dieser Bewegungsablauf durchführen lässt und wie gut er sich anfühlt. Ganz zum Schluss noch eine kleine Motivation von Ulrich Steger: „Wenn Du eh aufstehen musst, um zum nächsten Patienten zu gehen, dann nimm dir doch die Zeit, um deinem Körper etwas Gutes zu tun.“

Für diesen Artikel hat die Autorin mit dem Personal Trainer Ulrich Steger zusammengearbeitet. Steger ist Diplomsportlehrer und Sporttherapeut und betreut regelmäßig Menschen, deren Berufe körperlich anspruchsvoll sind und gleichzeitig Präzisionsarbeit erfordern, wie zum Beispiel Zahnärzte und Chirurgen. Er kennt deren Herausforderungen und macht es sich zur Aufgabe, herauszuarbeiten, wie bereits mit kleinen Veränderungen im Alltag berufsbedingten Beschwerden und Verletzungen vorgebeugt werden kann.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.