European Federation of Periodontology

Europäische S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie periimplantärer Erkrankungen

Die European Federation of Periodontology (EFP) hat im Journal of Clinical Periodontology unter maßgeblicher Mitgestaltung deutscher Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen der Zahnmedizin eine umfangreiche S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie periimplantärer Erkrankungen veröffentlicht. Die Leitlinie ergänzt die 2020 und 2022 erschienenen EFP-Leitlinien zur Parodontitisbehandlung der Stadien I bis III sowie IV.

Der Ersatz verlorener Zähne durch implantatgestützte Kronen und Brücken ist seit vielen Jahren eine etablierte Therapieoption zur prothetischen Versorgung teilbezahnter und zahnloser Patienten. Allerdings ist mit der deutlich zunehmenden Verbreitung und Liegedauer von Implantatversorgungen auch die Häufigkeit von biologischen Komplikationen an Implantaten ganz erheblich angestiegen. Falldefinitionen für periimplantäre Erkrankungen wurden auf dem AAP/EFP World Workshop 2018 weltweit vereinbart und publiziert.

Die Prävalenz periimplantärer Erkrankungen beläuft sich nach aktuellen Studien für die periimplantäre Mukositis auf über 40 Prozent und für die Periimplantitis auf um die 20 Prozent der Patienten. Eine Mukositis kann erfolgreich behandelt werden, wenn sie rechtzeitig erkannt wird. Unbehandelt kann sie aber voranschreiten und in eine Periimplantitis übergehen. Wenn auch diese nicht erkannt und behandelt wird, kann es zu einem progredienten Knochenabbau um das Implantat kommen, und zwar mit einem viel schnelleren Verlauf als bei vergleichbaren Parodontitisläsionen.

Die Konsequenzen – der Verlust von Implantaten und darauf befestigtem Zahnersatz – können für die betroffenen Patienten gravierend sein und hohe Kosten verursachen. Insbesondere weil Implantate häufig bei Patienten mit fortgeschrittener Parodontitis als Ersatz für extrahierte Zähne zur Anwendung kommen, hielt es die EFP für erforderlich und an der Zeit, die bisher vorgeschlagenen Konzepte auf den Prüfstand zu stellen und umfangreiche Empfehlungen für die Praxis zu erarbeiten. Dabei wurden die erfolgreichen und bewährten Behandlungskonzepte aus der Parodontologie auf Eignung und Tauglichkeit in Bezug auf periimplantäre Erkrankungen überprüft, auf Basis der aktuell verfügbaren Evidenz aus klinischen Studien angepasst und bei Bedarf modifiziert.

Genese der Leitlinie

Das Workshop-Organisationskomitee der EFP (Profs. Herrera, Sanz, Berglundh, Chapple, Jepsen, Kebschull, Schwarz, Sculean, Tonetti) hatte neben Experten aus Parodontologie und Implantologie auch solche aus anderen zahnmedizinischen Disziplinen (Prävention, Prothetik, Alterszahnheilkunde) zur Mitarbeit eingeladen.

Die S3-Leitlinie wurde mit methodischer Begleitung der AWMF und der deutschen Leitlinienexpertin Prof. Ina Kopp und entsprechend dem Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation (GRADE)-Prozess entwickelt. Das strikt regulierte und transparente Vorgehen umfasste die Synthese der relevanten Forschung in 13 speziell in Auftrag gegebenen systematischen Reviews, die Bewertung der Qualität und Stärke der verfügbaren Evidenz, die Formulierung spezifischer Empfehlungen und einen strukturierten Konsensprozess mit führenden Experten und einer breiten Basis von Stakeholdern.

Bereits im Frühjahr 2022 begann der Vorbereitungsprozess der Leitlinien­erstellung zunächst mit der Erstellung der systematischen Reviews, die den wissenschaftlichen Hintergrund lieferten. Die Expertise deutscher Autorinnen und Autoren (Dommisch, Hoedke, Berlin; Cosgarea, Jepsen, Jepsen, Bonn; Ramanauskaite, Schwarz, Frankfurt; Grischke, Stiesch, Hannover) floss dabei in drei der 13 systematischen Übersichten ein. Die eigentliche Konsensuskonferenz in Spanien fand dann im November 2022 in Präsenz statt. 63 Expertinnen und Experten aus 20 Ländern, davon 15 aus dem DACH-Bereich haben in vier Arbeitsgruppen unterschiedliche Aspekte der Prävention und Therapie periimplantärer Erkrankungen analysiert:

  • Arbeitsgruppe 1 (Chapple, Jepsen): Periimplantäre Gesundheit und Prävention

  • Arbeitsgruppe 2 (Sanz, Sculean): Management der periimplantären Mukositis

  • Arbeitsgruppe 3 (Herrera, Kebschull, Tonetti): Nichtchirurgisches Management der Periimplantitis

  • Arbeitsgruppe 4 (Berglundh, Papapanou, Schwarz): Chirurgisches Management der Periimplantitis


Ergebnisse

Da periimplantäre Erkrankungen letztendlich ein iatrogen geschaffenes Problem sind, wurde bei der Erarbeitung der Leitlinie besonderes Augenmerk auf deren Prävention gelegt. Dabei wurde erstmals in der Zahnmedizin das Konzept der „primordialen“ Prävention eingeführt. Dabei geht es darum, die Entwicklung von Risikofaktoren für periimplantäre Erkrankungen zu verhindern, einschließlich solcher, die zum Zeitpunkt der Implantatinsertion auftreten, zum Beispiel die Position des Implantats und die Reinigungsfähigkeit der Suprakonstruktion.

Da ein Kontinuum von periimplantärer Gesundheit über das Auftreten einer Mukositis bis hin zur Periimplantitis besteht, wird das Management einer Mukositis als primäre Prävention der Periimplantitis angesehen. Maßnahmen der sekundären Prävention sollen das Wiederauftreten einer Mukositis beziehungsweise Periimplantitis nach deren erfolgreicher Behandlung verhindern (Abbildung 1).

Dazu wurden 16 evidenz- und expertenbasierte Empfehlungen formuliert, die anschließend im Konsensusverfahren verabschiedet wurden. Insbesondere die Inhalte einer regelmäßigen Implantatnachsorge (Supportive Periimplant Care – SPIC) wurden beschrieben und deren herausragende Bedeutung zur langfristigen Erhaltung periimplantärer Gesundheit hervorgehoben.

Wirksame Maßnahmen zum Management einer periimplantären Mukositis wurden in 13 Empfehlungen (einschließlich negativer Empfehlungen zu nicht wirksamen Maßnahmen) beschrieben. Dabei wird eine sehr konsequente Behandlung zu einem definierten Endpunkt angeraten (an maximal einem von vier beziehungsweise sechs Messpunkten darf BOP positiv sein).

Bei der Behandlung einer Periimplantitis empfiehlt die Leitlinie ein stufenweises Vorgehen – analog zu den Stufen der Parodontitistherapie (Abbildung 2). In einem ersten Schritt sollte zunächst immer eine nichtchirurgische Therapie stattfinden.Hierzu wurden 11 Empfehlungen formuliert. Der Fokus liegt dabei auf der Kontrolle des Biofilms durch supra- und subgingivale Instrumentierung, aber auch in der Optimierung der häuslichen Implantatpflege und der Kontrolle von Risikofaktoren. Selbstverständlich sollte auch eine eventuell bei dem Patienten erforderliche PAR-Therapie spätestens in dieser Phase durchgeführt werden.

Eine Reevaluation des Therapieerfolgs wird circa sechs bis zwölf Wochen nach dieser Therapiestufe empfohlen: Als Endpunkt sollten periimplantäre Sondierungstiefen von ≤ 5 mm mit höchstens einer BOP-positiven Stelle erreicht werden. Andernfalls sollten chirurgische Therapieoptionen in Erwägung gezogen werden. Der adjuvante Einsatz lokaler oder systemischer Antibiotika wird aus Gründen des Antibiotic Stewardship ausdrücklich nicht empfohlen.

Wenn nach der nicht-chirurgischen Therapiestufe noch persistierende pathologische Zeichen bestehen (tiefe Taschen mit BOP und/oder Pusaustritt), kommt eine chirurgische Periimplantitistherapie in Betracht. Hierzu wurden 14 Empfehlungen vorbereitet. Die chirurgische Therapie kommt bei schlechter Mundhygiene des Patienten nicht infrage, zunächst ist ein spezielles Mundhygienetraining erforderlich. Als Endpunkt einer erfolgreichen chirurgischen Therapie wurde zusätzlich zu den oben beschriebenen Kriterien auch die Abwesenheit eines weiter progredienten Knochenabbaus vereinbart. Dieser Endpunkt sollte klinisch nach sechs Monaten und radiologisch nach zwölf Monaten bewertet werden.

Zugangslappenoperationen dienen dem besseren Zugang zur Oberflächendekontamination, rekonstruktive Verfahren (Knochentransplantate mit oder ohne Membranen) kommen allenfalls bei tiefen vertikalen Knochendefekten in Betracht. Adjuvante systemische Antibiotika werden – wie bereits ausgeführt – ausdrücklich nicht empfohlen.

Bedeutung für die Praxis

Eine europäische Leitlinie kann ihre Wirkung nur entfalten, wenn sie auch auf nationaler Ebene verfügbar ist. Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) wird genauso wie auch schon bei den europäischen S3-Leitlinien zur Behandlung der Parodontitis der Stadien I bis III und IV den Prozess der Implementierung in Deutschland organisieren, dieses Mal zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI). Nach der Übersetzung der S3-Leitlinie ins Deutsche und der Einbeziehung einer großen Zahl von Vertretern anderer wissenschaftlicher Fachgesellschaften, der Standesorganisationen und Patientengruppen werden alle Empfehlungen diskutiert, abgestimmt, adoptiert (übernommen) oder adaptiert (geringfügig abgewandelt und an die deutschen Verhältnisse angepasst) werden.

Aufgrund der hohen und zunehmenden Prävalenz periimplantärer Erkrankungen in Deutschland ist zu erwarten, dass diese Präventions- und Therapieempfehlungen Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern eine wertvolle Hilfe bei der Verhütung und bei der Therapieentscheidung zur bestmöglichen evidenzbasierten Versorgung von Patienten mit periimplantären Erkrankungen in den Praxen sein werden.

Die Europäische S3-Leitlinie:
Herrera, D., Berglundh, T., Schwarz, F., Chapple, I., Jepsen, S., Sculean, A., Kebschull, M., Papapanou, P. N., Tonetti, M. S., Sanz, M., & on behalf of the EFP workshop participants and methodological consultant (2023). Prevention and treatment of peri-implant diseases. The EFP S3 level clinical practice guideline. Journal of Clinical Periodontology, 1–73. doi.org/10.1111/jcpe. 13823.

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Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Søren Jepsen

Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde,
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Bonn
Welschnonnenstr.17, 53111 Bonn

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