„Nin ju maa lea kademe“ – Wo sind die Schmerzen?
Gambia, der kleinste Staat in Afrika, ist ein Agrarland mit knappen Ressourcen. Die Lebensrealität der Menschen ist von Hitze, Trockenheit und heftigen Regenfällen geprägt, was zu erheblichen Herausforderungen führt. Die Arbeitsmöglichkeiten sind begrenzt, die Auswirkungen der Armut allgegenwärtig.
In dieser Umgebung ist eine akademisch unterlegte medizinische und zahnmedizinische Grundversorgung eine Rarität. Der Mangel an Ärzten und Zahnärzten zwingt die Bevölkerung dazu, sich auf lokale Heilkundige, Medizinmänner und -frauen, zu verlassen, die oft weder lesen noch schreiben können. Deren Ansatz basiert auf dem Prinzip „learning by doing“. Unser Ziel war das Remis Health-Centre in Darsilami, wo wir den Menschen vor Ort medizinische Hilfe und Aufklärung bieten wollten. Das Zentrum ist von der Deutschen Stiftung „REMIS Health-Centre Köln-Darsilami in the Gambia e.V.“ gegründet worden.
450 Kilogramm Hilfsgüter mussten mit!
Die Vorbereitungen begannen lange im Voraus. Denn ein zahnärztlicher Hilfseinsatz in Gambia bedeutet nicht nur vier Wochen ehrenamtliche Arbeit, sondern auch eine strukturierte Phase der Vorlauf- und Planungsarbeit. Diese umfasst die Mobilisierung von Spendengeldern, die systematische Beschaffung von benötigten Ressourcen sowie die Koordination aller logistischen Aspekte. Gemeinschaftlich erfolgte die Akquise von über 450 Kilogramm an humanitären Hilfsgütern, zu denen chirurgische Instrumente, Pharmazeutika, medizinische Ausrüstung, Füllstoffe und viele weitere Artikel gehörten. Der Großteil dieser Materialien wurde großzügigerweise von Unternehmen der Dentalindustrie und Dentaldepots bereitgestellt.
Am internationalen Flughafen in der Hauptstadt Banjul wurden wir vom leitenden Krankenpfleger des Remis Health-Centre und seinem engagierten Fahrer herzlich begrüßt. Dieses Duo sollte uns während unseres gesamten Aufenthalts begleiten und uns wertvolle Einblicke in die örtlichen Gegebenheiten geben.
In Darsilami angekommen begann sogleich die Arbeit. Tag für Tag strömten etwa 50 bis 70 Patienten zur Zahnstation des Gesundheitszentrums – bei der überwiegenden Mehrheit der Fälle handelte es sich um akute Probleme. Die einheimischen Mitarbeiter führten vorwiegend Zahnextraktionen durch, jedoch ohne angemessene Beachtung hygienischer Maßnahmen wie Desinfektion und Sterilisation. Unsere erste Aufgabe bestand daher darin, die Medizinmänner und -frauen darin zu schulen. Außerdem konnten wir mithilfe der mitgebrachten Instrumente und Materialien konservierende Behandlungen zur Zahnerhaltung durchführen.
Bedauerlicherweise funktionierte in der zahnärztlichen Einrichtung lediglich das Licht, so dass wir gezwungen waren, externe Motoren zu verwenden, um Füllungstherapien durchzuführen. Zusätzlich erschwerten tägliche Stromausfälle die Arbeit.
Deckung einer MAV
Bei Patienten, die nur unregelmäßig Zugang zu adäquater zahnmedizinischer Versorgung haben, bleiben Probleme oft längere Zeit unbehandelt. So berichtete ein Patient von einem kontinuierlichen Wasserfluss aus der Nase beim Trinkvorgang, was auf eine signifikante Verbindung zwischen Mund und Kieferhöhle hindeutete. Die klinische Untersuchung bestätigte das Vorhandensein einer großen, chronischen Mund-Antrum-Verbindung, die wir plastisch decken konnten.
plastische Deckung der Mund-Antrum-Verbindung ohne vorhandene Absaugung
Verschluss der umfangreichen Mund-Antrum-Verbindung
Alveolarfortsatzfraktur: Fixierung mit Kupferdraht aus einem Stromkabel
Wir behandelten auch Notfälle, darunter Frakturen und Abszesse. So erreichte uns ein junges Mädchen mit persistierenden Schmerzen im Oberkiefer – drei Tage zuvor hatte sie einen Unfall erlitten, der zu einer Fraktur des Alveolarfortsatzes geführt hatte. Aufgrund fehlender Materialien mussten wir bei der Schienung improvisieren. Zum Einsatz gelangte schließlich ein aus einem Stromkabel isolierter Kupferdraht. Nach erfolgreicher Repositionierung und Fixierung konnte die Patientin entlassen werden und unterzog sich in der Folge wöchentlichen Kontrolluntersuchungen.
Patientin mit einer drei Tage alten Oberkiefer-Alveolarfortsatzfraktur
Isolierung eines Kupferdrahts aus einem Stromkabel
Repositionierung des Oberkiefers, Adaption mithilfe von Nähten und Fixierung durch einen Kupferdraht an den Nachbarzähnen mithilfe von Komposit
Behandlung eines ausgedehnten Abszesses
Ein weiterer Fall zeigt eine Patientin mit einem ausgedehnten Mundboden- und Logenabszess. Es manifestierten sich bereits einige intraorale Fistelgänge. Nach chirurgischer Erweiterung der Fisteln wurde der Eiter täglich durch Anwendung von Druck abgeführt. Obwohl noch ergänzende intraorale Punktionen notwendig waren, konnte dennoch auf eine extraorale Eröffnung verzichtet werden. Unter Antibiotikagabe verbesserte sich die Situation, was zur Entlassung der Patientin nach einer Woche führte.
Patientin mit einem ausgedehnten Mundbodenabszess
Intraoral erkennbare Fistelgänge nach der chirurgischen Erweiterung
Die Patientin konnte circa eine Woche nach Behandlungsbeginn entlassen werden.
Einsatz im Klassenzimmer
Neben unserer Arbeit in der Klinik besuchten wir lokale Schulen und Kindergärten in den umliegenden Dörfern. Dort klärten wir die Kinder über Mundhygiene auf, führten Untersuchungen durch und behandelten auch gleich vor Ort. Die Bedingungen waren arg limitiert, aber immerhin konnten wir vielen kleinen Patienten helfen.