Aus der Wissenschaft

Der Patient mit Würgereflex: Ablenkung hilft.

Heftarchiv Zahnmedizin
Peer W. Kämmerer
Ein Würgereflex erschwert die Behandlung. Manchmal liegt die Ursache in den Arbeitsschritten der Behandlung, doch insbesondere Angstpatienten können auch völlig anlasslos würgen. Eine iranische Arbeitsgruppe um den MKG-Chirurgen Mohammad Mehdizadeh hat mit einer systematischen Literaturübersicht Möglichkeiten des Reflexmanagements während der Behandlung untersucht.

Der Würgereflex stellt eine natürliche Reaktion unseres Körpers dar, die die Atem- und Verdauungssysteme vor äußeren Reizen schützt. Wenn bestimmte Areale im hinteren Teil des Rachenraums stimuliert werden, senden Sensoren Signale über verschiedene Hirnnerven (5, 9 und 10). Diese Reaktion zeigt sich oft als krampfhafte Muskelkontraktion, ein Versuch des Körpers, einen äußeren Reiz abzuwehren. Die Intensität des Würgereflexes und der Reiz, der ihn auslöst, können dabei je nach Individuum und im Laufe der Zeit erheblich variieren.

Der Würgereflex kann durch verschiedene Auslöser in der zahnärztlichen Praxis hervorgerufen werden, beispielsweise durch Vibrationen rotierender Geräte, durch den Geruch und den Geschmack zahnärztlicher Materialien, durch direkte Stimulation im hinteren Mundbereich, durch das Betrachten von Ausrüstung oder sogar bereits dadurch, dass sich Patienten eine zahnärztlichen Behandlung nur vorstellen. Auch viele zahnärztliche Verfahren wie die Abdrucknahme, eine Weisheitszahnentfernung, eine Wurzelkanaltherapie und Röntgenaufnahmen der hinteren Zähne können den Würgereflex provozieren. Die zahnärztliche Behandlung gestaltet sich natürlich schwieriger bei Menschen mit stark ausgeprägtem Würgereflex. Mehdizadeh und seine Kollegen untersuchten daher in ihrer Studie „neue“ Methoden zur Kontrolle des Würgereflexes während zahnärztlicher Behandlungen, um diese als klinische Anleitung nutzbar zu machen.

Material und Methode

Die Studie hatte das Ziel, zwischen 2015 und 2022 auf Englisch und Persisch veröffentlichte randomisierte klinische Studien zu finden und systematisch auszuwerten. Dabei sollte bewertet werden, wie sich verschiedene Interventionen auf die Schwere des Würgereflexes während zahnärztlicher Behandlungen auswirken. Ausschlusskriterien waren nicht-klinische oder nicht-randomisierte Forschungen sowie Studien mit Teilnehmern, die spezifische systemische Krankheiten oder geistige Beeinträchtigungen hatten.

Jeder Artikel wurde auf mögliche Verzerrungen in Auswahl, Randomisierung, Verblindung und Ergebnisberichterstattung überprüft. Das Bias-Risiko wurde in drei Kategorien eingeteilt: „niedriges Risiko“, „hohes Risiko“ und „unklar“. Abschließend wurde eine kritische Überprüfung der qualifizierten Artikel durchgeführt und es wurden Schlussfolgerungen aus verschiedenen Techniken zur Kontrolle des Würgereflexes gezogen.

Ergebnisse

Nach der Bewertung von Qualität und Bias-Risiko wurden neun geeignete Studien mit geringem Bias-Risiko in die abschließende Überprüfung aufgenommen und deren Ergebnisse analysiert. Die vorhandenen Daten legen nahe, dass Ablenkungsmethoden – insbesondere kognitiv fordernde Spiele – wirksam sind, um den Würgereflex im Rahmen zahnärztlicher Behandlungen zu reduzieren. Das trifft den Autoren zufolge besonders bei Kindern zu. Auch die Anwendung von Lachgas sowie die Low-Level-Lasertherapie am Akupunkturpunkt PC6 (an der Handgelenksregion) erwiesen sich als wirksam und können daher zum Management des Würgereflexes empfohlen werden.

Die Low-Level-Lasertherapie wurde nach Auskunft der Studienautoren in zwei Studien mit vergleichsweise hoher Evidenz untersucht. In beiden wurde der PC6-Akupunkturpunkt mit einem Diodenlaser behandelt – einmal eine Minute lang 3–4 mm vom Gewebe entfernt (940 nm Wellenlänge, 4 J Energie), in der zweiten Studie für 14 Sekunden im Abstand von 10 mm (810 nm Wellenlänge, 4 J Energie).

Diskussion

Es liegt auf der Hand, dass ein Phänomen wie der Würgereflex bei zahnmedizinischen Behandlungen nur schwierig gegen andere vielfältige und oft auch patientenindividuelle Einflussfaktoren abgrenzbar ist. Demzufolge können kaum Aussagen auf hohem Evidenzlevel getroffen werden. Die vorliegende Literaturübersicht wurde systematisch durchgeführt, jedoch war aufgrund der großen Heterogenität der Studien und der unterschiedlichen Indikationen und Interventionen kein statistischer Vergleich möglich. Dies schränkt zwar die Generalisierbarkeit ein, ermöglicht aber dennoch interessante Einblicke in die Kontrolle des Würgereflexes bei zahnärztlichen Behandlungen.

Die Studie:
M. Mehdizadeh, A. Mohammadbeigi & A. Sharifinejad: An Overview about New Methods in Management of Gag Reflex during Dental Treatment: A Systematic Review. Journal of Dentistry, Shiraz University of Medical Sciences. 2023. 24(4):372-381. doi.org/10.30476/dentjods.2022.96360.1934

Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer

Leitender Oberarzt/
Stellvertr. Klinikdirektor
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-
und Gesichtschirurgie – Plastische
Operationen, Universitätsmedizin Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz

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