CIRS für Patienten
Critical Incident Reporting Systeme sind international anerkannt. Sie kommen ursprünglich aus der Luftfahrt und werden mittlerweile verpflichtend in deutschen Krankenhäusern eingesetzt – als Teil des internen Qualitäts- und Risikomanagements. Auch in der Medizin und Zahnmedizin werden solche Systeme von Ärzten und Zahnärzten genutzt.
Das neue CIRS des vdek ist das erste anonyme, freiwillige und sanktionsfreie Berichtssystem, das sich direkt an die Patienten richtet. Ziel ist es, „durch die systematische Einbeziehung der Versicherten wertvolle Impulse zur Verbesserung der Versorgung“ zu erhalten. Das neue Angebot richtet sich an Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK), der Barmer, der DAK-Gesundheit, der KKH Kaufmännische Krankenkasse, der Handelskrankenkasse (hkk) und der HEK – Hanseatische Krankenkasse, kann aber auch von Versicherten anderer Kassen genutzt werden. Es läuft zunächst als Pilotprojekt bis Ende 2025. Damit können Versicherte erstmals ihre Erfahrungen in allen Versorgungsbereichen – egal, ob Krankenhaus, ambulante Versorgung oder Pflege – einbringen.
Kritische Ereignisse oder auch vermeidbare Fehler bei der Behandlung könnten beispielsweise Medikamentenverwechslungen, falsch gedeutete Symptome oder das unbeabsichtigte Hinterlassen eines Tupfers bei einer Operation sein, so der vdek.
Fälle werden von Experten analysiert und anonymisiert
Laut vdek werden alle Berichte von Experten der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit sorgfältig analysiert und erst dann in anonymisierter Form veröffentlicht. Zudem werden Handlungsempfehlungen und Maßnahmen zur Erhöhung der Patientensicherheit abgeleitet – wie der „Tipp des Monats“ oder der „Fall des Monats“. Auch Einrichtungen des Gesundheitswesens wie der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), die Bundesärztekammer und Hersteller von Medizinprodukten und Pharmazeutika sollen über die Ergebnisse informiert werden.
„Was bislang kaum genutzt wird, sind das Wissen und die Erfahrung von Versicherten sowie ihrer Angehörigen. Dabei sind sie oft die Einzigen, die den kompletten Behandlungsprozess erleben, und daher gut in der Lage, ihn zu beurteilen", sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek. „Je eher und umfassender kritische Ereignisse in einem CIRS strukturiert erfasst werden, desto höher ist das Lernpotenzial für andere, und umso besser können aus diesen Ereignissen geeignete Präventionsmaßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. Unsere Ziele sind Prozessverbesserung und die Erhöhung von Patientensicherheit.“
Für Zahnärzte: „CIRS dent – Jeder Zahn zählt“
Auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer(BZÄK) bieten ein gemeinsame Berichts- und Lernsystem an: „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“ Zahnärztinnen und Zahnärzte sollen über dieses Online-System aus eigenen Erfahrungen mit unerwünschten Ereignissen im Praxisalltag und aus Erfahrungen ihrer Kollegen lernen. Sie können dort anonym, sanktionsfrei und sicher, sowie ohne Rückschlüsse auf die jeweilige Praxis von unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit zahnärztlichen Behandlungen berichten. Berichte von Kollegen können kommentiert und mit anderen Nutzenden des Berichtssystems direkt und unkompliziert ausgetauscht werden.
Für die Registrierung erhält jede vertragszahnärztliche Praxis oder an der zahnärztlichen Versorgung teilnehmende Einrichtung einen individuellen anonymisierten Zugangsschlüssel sowie Informationsmaterialien für die Nutzung des Systems. Ein Fachberatungsgremium von KZBV und BZÄK stellt die Anonymisierung des Berichts sicher und ergänzt diesen um Hinweise und Lösungsvorschläge, wie das geschilderte Ereignis künftig vermieden werden kann. Anschließend wird der Bericht im für die Nutzer des CIRS-Systems zugänglichen Bereich veröffentlicht. Die CIRS-dent-Website hat zudem eine Datenbank-Funktion. „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“ erfüllt die Standards für Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme, die in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement festgelegt sind.
Mehr unter: https://www.cirsdent-jzz.de/
Als längst überfällig bezeichnete der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, das Projekt: „Die Perspektive der Patientinnen und Patienten ist äußerst wertvoll, um systembedingte Fehlerrisiken systematisch zu erkennen und abzubauen. Sie sind das einzige Kontinuum im gesamten Behandlungsprozess und nehmen Schwachstellen und risikobehaftete Situationen wahr, die sonst unter dem Radar laufen: Probleme in der Kommunikation und Koordination an den Schnittstellen der Versorgung, mangelnde Abstimmung zwischen den Professionen und nicht zuletzt die Kompatibilität selbst beschaffter Leistungen in die gesundheitliche Versorgung.“
Was bislang kaum genutzt wird, sind das Wissen und die Erfahrung von Versicherten sowie ihrer Angehörigen. Dabei sind sie oft die Einzigen, die den kompletten Behandlungsprozess erleben, und daher gut in der Lage, ihn zu beurteilen.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek
Von Interesse sind laut vdek Fälle, bei denen es zu kritischen oder unerwarteten Ereignissen gekommen ist, Fehler bei der Versorgung oder Fälle, bei denen etwas schiefgelaufen ist. Aber auch positive Erfahrungen, Fallberichte und erfolgreiche Lösungen seien interessant – prinzipiell alle Erfahrungen aus sämtlichen Bereichen des Gesundheitssystems, die die Sicherheit der Behandlung betreffen.
Ein erster Fall des Monats ist auf dem Portal bereits aufgearbeitet – das Thema „Notfall in der Schwangerschaft wurde erst stark verspätet erkannt“. Das CIRS-Portal für Versicherte steht zur Verfügung unter: https://mehr-patientensicherheit.de/