Zahnärztinnen sind in Spitzenpositionen weltweit Mangelware
Die Forscherinnen entwickelten für die Querschnittsarbeit einen Fragebogen auf Englisch, der an die 189 FDI-Mitgliedsverbände in 133 Ländern geschickt wurde. Der Link zur Umfrage war vom 22. Dezember 2020 bis zum 18. Mai 2021 online. Ausgewertet wurden 3.232 Fragebögen aus 96 Ländern Die Ergebnisse wurden in fünf Zonen unterteilt: Europa, Afrika, Nordamerika, Südamerika und Ozeanien.
Der Fragebogen umfasste Angaben zur Person (Alter, Wohnsitzland, Land des Abschlusses sowie Wohn- und Arbeitsgebiet), zum Berufsstatus (Arbeitserfahrung, Motivation zum Studium, Art der Spezialisierung und Arbeitszeit pro Woche) und zur Wahrnehmung der Rolle von Frauen in der Zahnmedizin (Arbeitszeiten, Geschlechterungleichheiten, Arbeitsplatzsicherheit, Engagement in Standesorganisationen und Zahnärzteverbänden der Länder).
Nur 18 Prozent der Dekane in den USA sind Frauen
Zu diesen Ergebnissen kam die Befragung: Es gibt 1,6 Millionen Zahnärztinnen und Zahnärzte weltweit, sie sind aber ungleich verteilt. Die meisten arbeiten in Europa und Amerika, nur 1 Prozent in Afrika. Je nach Land stellen Frauen zwischen 48 und 75 Prozent der Zahnärzteschaft. In Nordamerika und Europa gibt es genauso viele weibliche wie männliche Absolventen, während in Ozeanien, Asien und Afrika immer noch eine Kluft zwischen den Geschlechtern besteht. Allerdings haben Zahnärztinnen überall viel seltener Führungspositionen inne als ihre männlichen Kollegen. In den USA beispielsweise bekleiden Frauen an zahnmedizinischen Fakultäten nur 18 Prozent der Dekan-Stellen und 14 Prozent der Abteilungsleitungen.
Die Women Dentists Worldwide (WDW)
... der World Dental Federation (FDI) koordinieren die Aktivitäten der Mitgliedsverbände auf Länderebene, sammeln Informationen über Zahnärztinnen und ihre Praxen und unterstützen diese. Die Sektion setzt sich außerdem dafür ein, Kontakte zwischen Zahnärztinnen weltweit zu knüpfen, um bestehende Ungleichheiten zu beseitigen und die uneingeschränkte Beteiligung von Zahnärztinnen im Beruf zu fördern.
Die meisten Zahnärztinnen leben in großen Städten, 23 Prozent in Kleinstädten und weniger als 7 Prozent sind in einem Dorf zu Hause. Weltweit sind die meisten befragten Frauen zwischen 10 und 20 Jahre in ihrem Beruf, nur in Asien hat das Gros zwischen 20 und 30 Jahren Berufserfahrung.
Die Niederlassung ist die bevorzugte Form der Ausübung, außer bei afrikanischen Zahnärztinnen. Der Anteil der angestellten Zahnärztinnen lag bei knapp 43 Prozent, der Anteil der selbstständigen Zahnärztinnen bei fast 58 Prozent. Die meisten Befragten arbeiten in einer Einzelpraxis (14 Prozent) oder einer Gruppenpraxis (14 Prozent). In Afrika und Asien war der Anteil weiblicher Zahnärzte im Tertiärbereich höher als in Europa und Amerika. Beliebt sind als Arbeitgeber aber auch der öffentliche Sektor sowie Universitäten und Bildungseinrichtungen mit jeweils knapp einem Fünftel.
Nach der Elternzeit ist der Job im öffentlichen Dienst sicherer
Dass Frauen sich nach der Elternzeit im öffentlichen Sektor sicherer fühlen als im privaten, hängt laut den Autorinnen mit den Herausforderungen einer selbstständigen Tätigkeit zusammen, wie unternehmerische Verantwortung, finanzielle Sicherheit sowie feste Arbeitszeiten. Sie geben aber auch zu bedenken, dass obwohl angestellte Ärzte eine bessere Work-Life-Balance als größtes Plus des Angestelltendaseins nennen, die häufigsten Gründe für eine Praxisgründung die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten für das eigene Leben, Ungebundenheit an Weisungen, die gute finanzielle Lage und Freiheit sind.
Fast die Hälfte aller befragten Frauen arbeitet zwischen 31 und 40 Stunden pro Woche, ein Viertel jeweils mehr als 40 Stunden oder zwischen 16 und 30 Stunden. Während in der Privatwirtschaft die Hälfte aller Zahnärztinnen mit Kind zuversichtlich ist, nach dem Mutterschaftsurlaub wieder ins Unternehmen zurückzukehren, sind es im öffentlichen Dienst mehr als drei Viertel.
Die Forscherinnen verweisen in dem Zusammenhang auf die Literatur, derzufolge sich die Arbeitszeiten weiblicher und männlicher Zahnärzte nicht wesentlich unterscheiden würden, wenn Frauen keine Kinder hätten: „Die Arbeitszeit von Zahnärztinnen mit Kindern sinkt deutlich, und es kommt auch gelegentlich zu Berufsunterbrechungen nach der Familiengründung, weil Kindererziehung und Familienpflichten einen großen Einfluss auf das Berufsleben von Frauen haben." Das Geschlecht und kleine Kinder könnten somit die Arbeitsmuster von Zahnärzten mit bestimmen.
Das Engagement der Zahnärztinnen in Berufsverbänden ist gering. Nur 3,9 Prozent sind Präsidentin einer Zahnärztekammer und nur 10 Prozent Vorstandsmitglieder. Ein Fünftel sind Ausschussmitglieder, knapp 23 Prozent haben andere Positionen inne.
Nur wenige Zahnärztinnen sind im Vorstand
„Nur wenige Zahnärztinnen sind Präsidentinnen oder Vorstandsmitglieder in Berufsverbänden oder gar in politischen Organisationen, doch findet man sie als Mitglieder in Arbeitsgruppen oder auch in Führungspositionen in der Wissenschaft, was vor einigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen wäre“, kommentieren die Autorinnen das Ergebnis. „Allerdings sind Frauen in der zahnmedizinischen Wissenschaft und Forschung weltweit immer noch mit einem Anteil von 30 bis 40 Prozent unterrepräsentiert.“
Dass Frauen in der Zahnmedizin so wenig Führungspositionen bekleiden, liegt den Wissenschaftlerinnen zufolge am gesellschaftlichen und familiären Druck, fehlenden Mentoring- und Führungstrainingsmöglichkeiten, am eingeschränkten Zugang zu Forschungsgeldern und den allgemeinen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Aus ihrer Sicht sollte man daher interessierte und fähige Frauen weiterhin unterstützen, damit sie die Zukunft der Zahnmedizin mitgestalten können.
Ergebnisse
1. Zahnärztinnen sind auf allen Kontinenten überwiegend selbstständig.
2. Fast die Hälfte der befragten Frauen arbeitet zwischen 31 und 40 Stunden pro Woche, jeweils ein Viertel mehr beziehungsweise weniger.
3. Nur wenige Zahnärztinnen wirken in den Vorständen oder als Präsidentin einer berufsständischen Organisation. Ein Fünftel engagiert sich in politischen Vereinigungen auf lokaler Ebene, nur wenige sind auf Landesebene aktiv.
4. Zahnärztinnen fühlen sich nach der Elternzeit im öffentlichen Dienst sicherer im Job als in der privaten Wirtschaft.
„Frauen sind immer noch schlecht in professionellen Organisationen vertreten, und nur wenige sind in repräsentativen Versammlungen, Vorständen oder Präsidien des Berufsstandes vertreten“, bilanzieren die Autorinnen. Das Familienleben mit Kindern wirke sich stark auf das Berufsleben aus, so dass die Übernahme von Führungspositionen dann eine weitere Herausforderung darstelle. Weitere Untersuchungen zu Einflussfaktoren und Hintergründen sind demnach notwendig, um Unterschiede zu männlichen Kollegen und zu anderen Berufsgruppen zu untersuchen.
Die Studie:
Campus G, Maclennan A, von Hoyningen-Huene J, Wolf TG; FDI Section Women Dentists Worldwide Collaboration Group; Aerden M, Benyahya I, Bonaventura J, Brolese ELK, Linton JL, Gogilashvili K, Marron-Tarrazi I, Ilhan D, Iwasaki M, Grzech-Lesniak K, Perlea P, Thabet N. The Presence of Women in the Dental Profession: A Global Survey. Int Dent J. 2024 Feb; 74(1):110-118. doi: 10.1016/j.identj.2023.07.010. Epub 2023 Sep 24. PMID: 37748962; PMCID: PMC10865874.