Aus der Wissenschaft

Implantieren Operationsroboter besser?

Florian Beuer
Die dreidimensional korrekte Implantatposition zählt wohl zu den größten Erfolgen in der dentalen Implantologie. Zur Übertragung der Position aus der prothetisch orientierten Planung in den OP-Situs wurden etliche Techniken beschrieben, die sich in ihrer Genauigkeit nur marginal unterscheiden. Offen ist, ob sich der Einsatz eines assistierenden Operationsroboters zusätzlich positiv auf die Übertragungsgenauigkeit auswirkt. Das hat jetzt eine chinesische Arbeitsgruppe untersucht.

Viele Präzisionseingriffe, vor allem diffizile Operationen in der Medizin, werden heute mithilfe von Robotern oder durch Roboter ausgeführt. Das Da-Vinci-Operationssystem (Intuitive Surgical, Sunnyvale, CA, USA) hat Einzug in jedes bedeutende Klinikum gehalten und wird inzwischen für minimalinvasive Verfahren in verschiedenen chirurgischen Fachbereichen eingesetzt.

Auch für die dentale Implantologie gibt es bereits einen Roboter, der die Insertion unterstützt und seit 2017 von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration, FDA) zugelassen ist. Bis vor Kurzem gab es in Europa kein Exemplar, aber vor ein paar Wochen hat die Universität Zürich nun eines dieser Systeme zur Roboter-assistierten Insertion von Implantaten bekommen – ein Grund mehr, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Dass die Arbeitsgruppe um Jun Yang von der Chongqing Medical University in China gerade einen Systematic Review über die Genauigkeit dieser Roboter publiziert hat, kommt da gerade recht.

Untersuchungsaufbau

Die Forschungsfrage der Autoren war folgende: „Wie ist die Genauigkeit von Roboter-assistierter Implantatchirurgie (RAIC) im teilbezahnten oder zahnlosen Kiefer von Patienten und Phantomköpfen?“ Als Einschlusskriterien definierten sie klinische und Laborstudien, die über RAIC und die Originaldaten der koronalen, apikalen und Winkelabweichung berichteten. Weiterhin mussten neben den Mittelwerten auch die Standardabweichung oder der Standardfehler angegeben sein. Die Publikationssprachen mussten Englisch oder Chinesisch sein, Fallberichte und Tierversuche wurden ausgeschlossen.

Nach dem Screening von 5.423 Artikeln wurden 21 Studien in die Auswertung aufgenommen. Zehn davon waren klinische Studien, elf Studien waren Laboruntersuchungen. Die eingeschlossenen klinischen Studien berichteten über insgesamt 257 Implantate und stammten mit einer Ausnahme (USA) allesamt aus China und aus den Jahren 2021 bis 2023. Sie berichteten teilweise über passive Roboter, bei denen die Bewegung vom Arzt ausgeführt wird und wo der Roboter den Pfad der Bewegung vorgibt. Hauptsächlich aber über aktive Roboter, bei dem die komplette Bewegung vom Roboter ausgeführt wird und der Arzt nur noch steuert.

Die elf Laborstudien umfassten insgesamt 809 Implantate. Auch hier wurden aktive, halbaktive und passive Robotersysteme verwendet. Die teilweise benutzten halbaktiven Systeme funktionieren folgendermaßen: Der Arzt führt den Roboterarm in den Patientenmund, dort übernimmt der Roboter die Implantatbettaufbereitung und die Implantatinsertion. Auch hier stammten alle Untersuchungen aus China – wieder mit einer Ausnahme (Südkorea). Mit den Untersuchungen sollte beantwortet werden, ob RAIC zu höherer Übertragungsgenauigkeit führt als die klassische statische Navigation in der Implantologie.

Ergebnisse

Die Laborstudien zeigten eine mittlere koronale Abweichung von 0,7 mm und eine mittlere apikale Abweichung von 0,8 mm bei einer mittleren Achsabweichung von 1,8°. Die errechneten mittleren Abweichungen in den klinischen Studien waren mit 0,6 mm (koronal), 0,7 mm (apikal) und 1,6° (Achsabweichung) nochmal um jeweils ein Zehntel geringer. Das verwendete Robotersystem hatte keinen Einfluss auf die Insertionsgenauigkeit, ebenso wenig wirkte sich der Restzahnbestand (teilbezahnt versus zahnlos) auf die Genauigkeit aus.

Diskussion

Bemerkenswert ist, dass fast alles, was es zum Thema RAIC gibt, aus China kommt. Das beschreiben die Autoren in der Originalpublikation auch als Manko und fordern Wissenschaftler und Autoren aus aller Welt auf, sich des Themas anzunehmen. Eine gewisse technische Überlegenheit dieser Region lässt sich aber sicher erkennen.

Mit ihrem systematischen Review und der durchgeführten Metaanalyse konnten die Autoren die Hypothese bestätigen, dass RAIC genauer als die klassische statische Navigation ist. Die gemessenen Werte stellen fast schon akademische Abweichungen dar, die allesamt klinisch im exzellenten Bereich liegen. Es scheinen alle Typen von Robotern zu denselben Genauigkeiten zu kommen, ganz egal ob es sich um aktive oder um passive Systeme handelte (bei den klinischen Studien) oder teilweise halbaktive Systeme (in den Laborstudien). Insgesamt kamen zehn verschiedene Robotersysteme zum Einsatz, von denen einige auch von den Universitäten selbst (für wissenschaftliche Zwecke) entwickelt worden waren.

Vergleicht man die Werte aus der Metaanalyse mit ähnlichen Untersuchungen aus der statischen oder der dynamischen Navigation zur Insertion von dentalen Implantaten, so ist die RAIC nochmal eine eigene Liga. Nicht zuletzt erwähnt werden muss allerdings der hohe apparative und damit auch finanzielle Aufwand für diese Geräte. Dies ist in Europa sicherlich der derzeit limitierende Faktor, aber sollten sich diese Systeme als überlegen darstellen, ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis sie auch hierzulande in die großen Zentren Einzug halten.

Was bedeuten die Ergebnisse für die tägliche Praxis?

Folgende Schlussfolgerungen für die klinische Praxis lassen sich treffen:

  • Die Roboter-assistierte Implantatinsertion ist präziser als die klassische statisch navigierte Implantatinsertion.

  • Das verwendete Robotersystem (aktiv, halbaktiv oder passiv) wirkt sich nicht auf die Genauigkeit aus.

  • Werden Implantate Roboter-assistiert inseriert, spielt der Restzahnbestand des Patienten keine Rolle für die Insertionsgenauigkeit.

Die Studie:
Yang J, Li H. Accuracy assessment of robot-assisted implant surgery in dentistry: A systematic review and meta-analysis. J Prosthet Dent. 2024 Jan 8:S0022-3913(23)00819-3. doi: 10.1016/j.prosdent.2023.12.003.

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Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer

Direktor der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Funktionslehre und Alterszahnmedizin, Centrum für Zahn-,
Mund- und Kieferheilkunde, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Aßmannshauser Str. 4-6, 14197 Berlin
florian.beuer@charite.de

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