Zeitenwende in der Bildgebung

Das weltweit erste dentale MRT ist da

Auf dem Jahreskongress der Europäischen Akademie für dentomaxillofasziale Radiologie (ECDMFR 2024) in Freiburg stellten die Firmen Dentsply Sirona und Siemens Healthineers am 12. Juni das erste speziell für die Anwendung in der Zahnmedizin angepasste MRT-System vor. Neben der frei von ionisierender Strahlung arbeitenden Technologie bringt die Magnetresonanztomografie ganz neue Möglichkeiten der Weichgewebsdiagnostik in die Zahnmedizin.

Nach gut anderthalb Dekaden vieler Diskussionen in Fachkreisen, diversen Forschungsarbeiten zur Verwendbarkeit der Technologie in der zahnärztlichen Bildgebung und allerlei Spekulationen über die Einführung eines dentalen MRTs verdichteten sich im vergangenen Jahr die Anzeichen, dass es jetzt tatsächlich soweit sein könnte. Dentsply Sirona und Siemens Healthineers veranstalteten im April 2023 ein Symposium mit etwa 50 Experten – vornehmlich aus der universitären Radiologie und Zahnmedizin – zu den vorliegenden Forschungsergebnissen zur Anwendung der Magnetresonanztomografie in der Zahnmedizin. Im Rahmen der Veranstaltung verkündeten die Unternehmen, dass sie künftig gemeinsam „die wissenschaftliche Einführung der MRT in der Zahnmedizin erforschen“ wollten.

Zeitgleich lieferte Siemens Healthineers ein modifiziertes Gerät seiner neuen Generation von Niederfeld-MRT-Systemen, ein MAGNETOM Free.Max, für Forschungsarbeiten an die Universität Aarhus. Unter der Leitung von Prof. Dr. Rubens Spin-Neto, DDS, PhD, dr. odont., aus der Abteilung orale Radiologie im Fachbereich Zahnmedizin und Mundgesundheit, begannen dort konkrete Forschungen, die sich sowohl mit der Verbesserung von Hardwarekomponenten wie der Empfangsspule als auch mit der Entwicklung eines auf zahnmedizinische Fragestellungen angepassten Workflows beschäftigten.

Zielgruppe sind Universitätskliniken

Gut ein Jahr später präsentierten nun die Firmen gemeinsam das weltweit erste zahnmedizinische Magnetresonanztomographiesystem, das MAGNETOM Free.Max Dental Edition (ddMRI, dental-dedicated MRI). Das Gerät arbeitet im Unterschied zu den in der radiologischen Praxis weitverbreiteten Modellen mit Feldstärken von 1,5 und 3 Tesla nur mit 0,55 Tesla. Die Reduktion der Feldstärke war insbesondere durch Software-seitige Innovationen in der Signalaufbereitung möglich geworden, wobei KI-Algorithmen zum Einsatz kommen. Da der bauliche Aufwand des Geräts und nicht zuletzt der Verbrauch von Ressourcen (Helium, Energie) direkt mit der verwendeten Feldstärke zusammenhängen, zeichnet sich die neue Generation von Niederfeld-MRTs durch vergleichsweise geringere bauliche Anforderungen an den Aufstellungsort, ein geringeres Gewicht und eine einfachere Kühlung aus.

So arbeitet das MAGNETOM Free.Max beispielsweise mit der sogenannten Dry-Cool-Technologie, bei der über die gesamte Lebensdauer des Geräts hinweg nur 0,7 Liter flüssiges Helium zur Magnetkühlung benötigt werden. Die Füllung aktueller MRTs kann je nach Modell 200 Liter Helium betragen, wobei in regelmäßigen Abständen nachgefüllt werden muss. Die insgesamt einfachere Bauweise des Niederfeld-MRTs ermöglicht niedrigere Anschaffungs- und Unterhaltskosten.

Trotz der Fortschritte ist das MAGNETOM Free.Max Dental Edition noch lange kein Tischgerät, das sich der neugierig-technikaffine Zahnarzt heute schon problemlos in die Praxis stellen könnte. Das Gerät ist als Ganzkörper-MRT entwickelt worden und benötigt dementsprechend viel Platz – konkret gibt der Hersteller 24 m2 an. Das bereits gewichtsreduzierte MRT wiegt aber immer noch 3,2 Tonnen und füllt problemlos das Volumen eines Behandlungszimmers aus.

Die Zielgruppe für den dentalen MRT-Pionier sehen die Hersteller daher erst einmal vorzugsweise in den großen Universitätskliniken. Das Interesse daran ist groß, wie Max Milz, Group Vice President Connected Technology Solutions bei Dentsply Sirona, und Andreas Schneck, Leiter Magnetresonanztomografie bei Siemens Healthineers, im Gespräch mit den zm mitteilten. Aktuell warte man noch auf die notwendigen Zulassungen für das MAGNETOM Free.Max Dental Edition. Geplant sei aber, das System bis Ende dieses Jahres regulär auf dem Markt anbieten zu können.

Strahlenfrei und mit mehr Informationen

Der am größte auf der Hand liegende Vorteil des dentalen MRT ist die Tatsache, dass die Bildgebung frei von ionisierender Röntgenstrahlung generiert wird. Mit dem Wegfall der Stellung einer rechtfertigenden Indikation wird „Bildgebung unlimited“ möglich. Das dürfte vor allem in der Kieferorthopädie, in der Kinderzahnheilkunde, aber auch in der Implantatplanung und Zahnerhaltung als Pro wahrgenommen werden.

Darüber hinaus ergeben sich durch die gegenüber der Röntgentechnologie erweiterten Darstellungsmöglichkeiten des Weichgewebes neue Anwendungsfelder, beispielsweise in der Parodontologie, in der Funktionsdiagnostik oder in der Chirurgie. So ist es mit dem MRT möglich, Entzündungen und auch frühe Stadien des Knochenabbaus zu visualisieren. Zu den Anwendungen haben die Hersteller die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen in naher Zukunft angekündigt.

Spannend dürfte auch die Umsetzung eines auf den zahnärztlichen Teilradiologen zugeschnittenen Workflows werden. Denn die Magnetresonanztomografie ist im Unterschied zu den Röntgentechnologien ein vergleichsweise weit komplexeres Verfahren. Während das Röntgen im Prinzip auf der „einfachen“ Durchleuchtung eines Körpers mit ultra-hochfrequenter Strahlung beruht, entsteht das MRT-Signal erst nach entsprechender „Anregung“ des Gewebes durch wechselnde Magnetfelder.

Das Signal-Feedback des Gewebes hängt nun von der Art und Weise ab, mit der es „angeregt“ wird – dabei gibt es in der Medizin weit über einhundert „Anregungsalgorithmen“, sogenannte Sequenzen wechselnder Magnetfelder, die je nach diagnostischer Fragestellung eingesetzt werden. Die Arbeitsgruppe um Prof. Spin-Neto in Aarhus arbeitet an der Entwicklung solcher Sequenzen für dentale Fragestellungen.

Im Ergebnis sollen der Workflow und die Bedienung des Dental-MRTs sehr übersichtlich werden: Patienten legen sich auf die Liegefläche des MRT und die Empfangsspule wird um den Kopf herum positioniert. Per Knopfdruck fährt der Tray automatisch an die richtige Position. Der Untersucher wählt eine der vorkonfigurierten Sequenzen aus und startet den MRT-Scan. Der gesamte Prozess soll nach Herstellerangaben nur rund 20 Minuten „oder weniger“ dauern – vom Eintritt des Patienten in den Untersuchungsraum bis zum Verlassen.

20 Minuten pro Patient

Vieles an der vorgestellten Technik ist neu und regulär am Markt noch nicht verfügbar. Auch das MRT-System an sich ist mit seinen Dimensionen noch keineswegs „dental dedicated“ für die Zahnarztpraxis. Das Besondere an der Produktvorstellung ist deshalb weniger das Gerät selbst als vielmehr die Dynamik, die sich im Gefolge daraus entwickeln wird. Was lange aufgrund des zeitraubenden Handlings, der schlichten Gerätegröße, der hohen laufenden Kosten undenkbar erschien, das haben die Hersteller jetzt auf den Weg gebracht: Ein dentales MRT mit den großen Vorteilen, die die MRT-Bildgebung bietet. Zunächst die Strahlenfreiheit und dann der Gewinn an zusätzlichen Informationen durch die differenziertere Darstellung von Weichgewebe.

Es wird noch einige Jahre benötigen, bis die MRT-Bildgebung eine signifikante Bedeutung in der dentalen klinischen Praxis erreicht, aber der Startschuss ist gefallen. Mit der zunehmenden Zahl installierter Systeme wird sich auch mehr Forschungsinteresse auf die Technologie richten und den Prozess der MRT-Einführung in die Zahnmedizin beschleunigen. Nicht zuletzt muss es auch nicht bei der tonnenschweren Hardware des Jahres 2024 bleiben. Im großen Gehäuse des heutigen Ganzkörper-MRT ist viel Luft und Potenzial für eine signifikante Verkleinerung des Systems – in der Zahnmedizin umfasst der zu untersuchende Bereich ja nicht die gesamte Körperlänge, sondern ist denkbar klein. Träumen ist also erlaubt …

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