Neue Roadmap für Gesundheitskompetenz

Eine Schlüsselrolle haben die Heilberufe

Mit einer Zukunftswerkstatt wurde am 19. Juni das siebenjährige Bestehen der Allianz für Gesundheitskompetenz gefeiert und die Roadmap Gesundheitskompetenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Ziel der Allianz ist, das Gesundheitswissen in der Bevölkerung zu stärken. Eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung haben die Heilberufe.

Im Jahr 2017 hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zusammen mit den Spitzen der Selbstverwaltung und weiteren Spitzenorganisationen des Gesundheitswesens die „Allianz für Gesundheitskompetenz“ ins Leben gerufen. Auch die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) waren mit dabei. Das gemeinsame Ziel: Die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung in Deutschland zu stärken und weiter zu fördern. Die Partner erarbeiten für ihre Zuständigkeiten Empfehlungen und Maßnahmen und setzen diese in ihrem Bereich um. Die Mitglieder der Allianz hatten sich damals verpflichtet, neue Projekte auf den Weg zu bringen und hatten dies in einer gemeinsamen Erklärung manifestiert.

Jetzt legten die Partner eine „Roadmap für Gesundheitskompetenz 2024“ mit einer Standortbestimmung vor. In diesem neuen Grundlagendokument, das auf einer „Zukunftswerkstatt“ am 19. Juni in Berlin vorgestellt wurde, bekennt sich die Allianz erneut zu ihren gemeinsamen Zielen und Grundsätzen. Anhand von Praxisbeispielen der Allianzpartner wurden die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von Projekten zur Förderung der Gesundheitskompetenz diskutiert. Beispielhaft wurden Projekte der Allianzpartner aus der Praxis präsentiert, so etwa aus der Arztpraxis, aus Schulen, der Selbsthilfe oder dem Bereich Apotheke. Die Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Dr. Romy Ermler, BZÄK-Vizepräsidentin, stellte die BZÄK-Fortbildung „Teach-Back­Methode“ vor: Die Online-Schulung verbessert die zahnärztliche Aufklärung.

Die Teach-Back-Methode

Die BZÄK vermittelt mit ihrem Teach-Back-Tutorial eine einfache und gleichzeitig effektive Gesprächsführungstechnik. Teach-Back ist nach Angaben der BZÄK eine wissenschaftlich evaluierte Methode, die die Patienten in eine aktivere Rolle bringt, die Patientensicherheit und Compliance erhöht und neue Möglichkeiten für eine gemeinsame Entscheidungsfindung eröffnet. Die wissenschaftlich evaluierte Technik kommt ursprünglich aus der Schulpädagogik und wird international immer häufiger in der medizinischen Versorgung eingesetzt. In einem Online-Kurs wird in aufeinander aufbauenden Lektionen, Schulungsfilmen und Übungen die Teach-Back-Methode vermittelt. Der Leistungsnachweis erfolgt am Ende durch Weiterleitung auf einen Multiple-Choice-Test.

Beispiele für kreative Fragen an den Patienten:

  • „Wenn Deine Mutter Dich nachher fragt, wann und wie lange Du Deine Kunststoffschiene tragen sollst, was wirst Du ihr sagen?“

  • „Was werden Sie tun, wenn Sie heute Abend nach der Behandlung Schmerzen bekommen?“

  • „Wichtig ist, dass Du den Bereich ober- und unterhalb der Brackets gut putzt. Magst Du mir mal vormachen, wie Du das machen würdest?“

Das Tutorial der BZÄK ist kostenlos verfügbar unter: https://www.bzaek-teach-back.de/

Der Handlungsbedarf zur Gesundheitskompetenz ist hoch, wie aus der Roadmap hervorgeht. Das Papier verweist dabei auf die Befragungen des Health Literacy Survey Germany. Danach gibt mehr als die Hälfte der Bevölkerung an, Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen zu haben. Dieser Befund bestätige sich auch in weiteren Studien, bei gleichzeitig hohem Interesse in der Bevölkerung an gesundheitlichen Themen.

Teach-Back verbessert das Verständnis zwischen Zahnärzten und Patienten!

Die Allianz für Gesundheitskompetenz hat am 19. Juni auf der Zukunftswerkstatt eine „Roadmap“ mit Zielen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung vorgestellt: Was sind aus Ihrer Sicht die Handlungsfelder in der Zahnmedizin?

Dr. Romy Ermler: Vor allem die Versorgung vulnerabler Gruppen und die starke Präventionsorientierung machen ein hohes Maß an Gesundheitskompetenz in der Patienten-Zahnarztbeziehung erforderlich. Neben der individuellen Beratung und Aufklärung durch die Zahnärztin beziehungsweise den Zahnarzt bieten die bundesweiten Zahnärztlichen Patientenberatungsstellen allen Ratsuchenden ein umfassendes Informations- und Beratungsangebot. Die Beratung dort trägt wesentlich zur Verbesserung der Mundgesundheitskompetenz bei. Weiterhin wollen wir als Zahnärztinnen und Zahnärzte verstärkt digitale Informationen und Techniken nutzen, um verständliche und verlässliche Informationen bereitzustellen und die Anwendung zu üben. Die neue Roadmap unterstreicht die Bedeutung von Strategien und Projekten, die die digitale Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gezielt unterstützen.

Was sind die Herausforderungen im zahnärztlichen Praxisalltag?

Wir müssen eine Situation schaffen, in der Patienten die geplante Behandlung verstehen, einwilligen und bereit sind, daran mitzuwirken. Damit dies gelingt, sollten beide Seiten über Gesundheitskompetenz verfügen. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen sind Gesprächsanteile, in denen Beratung und Motivierung erfolgen, in der Honorierung aber untergewichtet und unzureichend abgebildet.

Wie können Zahnärztinnen und Zahnärzte denn auf Fake News im zahnärztlichen Bereich reagieren und diese richtigstellen?

Verunsichernde Falschmeldungen über Amalgam- oder Fluoridvergiftungen schädigen das Vertrauen der Patienten und erzeugen einen hohen Beratungs- und Aufklärungsbedarf beim Zahnarzt. Zahnärztinnen und Zahnärzte können hier gezielt Informationen liefern, das erfordert aber Zeit. Problematisch wird es dann, wenn Angst das Denken blockiert. Oder wenn Patienten den Zahnarztbesuch vermeiden.

Viele Untersuchungen zeigen, dass die Gesundheitskompetenz gerade bei vulnerablen Gruppen gestärkt werden sollte: Welche Bedarfe gibt es hierbei in der Zahnmedizin?

Für die tägliche Praxis bedeutet dies, dass die zahnmedizinische Versorgung von vulnerablen Patientinnen und Patienten mit besonderen Bedürfnissen verbunden ist. Eine Auswertung der Zahnärztlichen Patientenberatungsstellen zeigt, dass die Beratung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen häufig durch Sprachprobleme oder kognitive Einschränkungen erschwert wird. Dies erhöht die Anforderungen an die zahnärztliche Aufklärung. Darüber hinaus sind Menschen mit Beeinträchtigungen häufig auf Praxen angewiesen, deren Ausstattung und Versorgungsangebote speziell auf sie zugeschnitten sind. Praktisch heißt das, dass die zahnmedizinische Versorgung vulnerabler Patienten besondere Anforderungen an uns stellt.

Im Rahmen der Allianz für Gesundheitskompetenz hat die BZÄK bereits viele Initiativen auf den Weg gebracht: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten?

Da wären unsere Online-Fortbildungen zur Teach-Back-Methode und zur motivierenden Gesprächsführung, aber auch tolle Materialien zur Begleitung der Einführung des Expertenstandards „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ mit vielen Informationen und Tipps zur Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf auf der BZÄK-Webseite. Außerdem gibt es zahlreiche Fortbildungsangebote der Kammern zur Förderung der professionellen Gesundheitskompetenz für das ganze Praxisteam.

Auf der Jubiläumsveranstaltung haben Sie – als eine der BZÄK-Initiativen – die Online-Fortbildung zur Teach-Back-Methode präsentiert. Worum geht es?

Teach-Back ist eine wissenschaftlich evaluierte Methode, die Personen in Behandlung in eine aktivere Rolle bringt, die Patientensicherheit und Compliance erhöht und neue Möglichkeiten für eine gemeinsame Entscheidungsfindung eröffnet. Unsere Online-Fortbildung ist eine Initiative im Rahmen der Allianz für Gesundheitskompetenz und dient der Förderung organisationaler Gesundheitskompetenz im zahnärztlichen Behandlungssetting. In diesem Kurs wird in aufeinander aufbauenden Lektionen, Schulungsfilmen und Übungen die Teach-Back-Methode vermittelt. Dabei handelt es sich um eine einfache, aber hocheffektive Gesprächsführungstechnik für eine wirksame, verständliche und nachhaltige Kommunikation mit Patientinnen und Patienten.

Welchen Nutzen bietet Teach-Back der Zahnärztin oder dem Zahnarzt?

Die Online-Fortbildung kann bei freier Zeiteinteilung durchgeführt werden. Die Anwendung funktioniert auch auf mobilen Endgeräten. Für die Teilnahme erhalten Zahnärztinnen und Zahnärzte vier Fortbildungspunkte. Der Leistungsnachweis erfolgt am Ende durch Weiterleitung auf einen Multiple-Choice-Test. Das Erlernen der Methode unterstützt Zahnärztinnen und Zahnärzte bei ihren gesetzlichen und berufsrechtlichen Aufklärungspflichten, sorgt so für eine größere Zufriedenheit und kann die Bindung der Patienten an die Praxis verstärken.

Wie kommt die Methode bei den Patienten an – was ist das Erfolgsrezept?

Diese Kommunikationsmethode verbessert das gegenseitige Verständnis zwischen Zahnärztinnen und ihren Patienten. Durch enge Rückkoppelung der Aussagen im Gespräch kann sichergestellt werden, dass Patienten die zahnärztlichen Informationen richtig verstanden haben. So lässt sich Vertrauen aufbauen, eine Basis für die gemeinsame Entscheidungsfindung. Eine gute Patienten-Zahnarzt-Beziehung wirkt sich positiv auf den Behandlungserfolg aus.

Das Gespräch führte Gabriele Prchala.

Der Handlungsbedarf zur Gesundheitskompetenz ist hoch, wie aus der Roadmap hervorgeht. Das Papier verweist dabei auf die Befragungen des Health Literacy Survey Germany. Danach gibt mehr als die Hälfte der Bevölkerung an, Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen zu haben. Dieser Befund bestätige sich auch in weiteren Studien, bei gleichzeitig hohem Interesse in der Bevölkerung an gesundheitlichen Themen.

Es gelte, gerade nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie, das verstärkt auftretende Phänomen der Fehlinformationen beziehungsweise „Fake News“ mit evidenzbasierten und leicht verständlichen Informationsangeboten zu bekämpfen.

Vom EBZ bis zur Website zu ZE – die Projekte der KZBV

Die Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) ist auch Partner der Allianz für Gesundheitskompetenz. Ihre Initiativen sind in der Roadmap aufgelistet. Das Thema Gesundheitskompetenz – insbesondere die Berücksichtigung der Belange vulnerabler Gruppen – ist Teil einer KZBV-Gesamtstrategie zur Mundgesundheitskompetenz. und fließt in die Versorgungskonzepte und -projekte der Vertragszahnärzteschaft ein. Beispiele dafür sind die neue, präventionsorientierte Parodontitistherapie (Behandlungsstrecke für vulnerable Gruppen) und das Elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ). Ferner zählt die KZBV dazu das Beratungsangebot der Zahnärztlichen Patientenberatungsstellen, getragen von den KZVen und den Landeszahnärztekammern. Weiterhin gibt es mehrsprachige und leicht verständliche Informationsangebote für Patientinnen und Patienten, unter anderem eine Themen-Webseite zu Zahnersatz, einen virtuellen Rundgang mit einer Simulation „barrierearme Zahnarztpraxis“ und einen YouTube-Kanal mit Erklärvideos, etwa zu zahnärztlichen Versorgungsangeboten für Menschen mit Pflegebedarf.

Die Schlüsselrolle bei der Vermittlung von Gesundheitsinformationen nehmen demnach alle Heilberufe ein. Sie sollten in der Lage sein, sich selbst kompetent zu informieren und ihr Wissen so weiterzugeben, dass sie auch verstanden werden. Die aktuellen Studienergebnisse zeigten jedoch auch hier einen Bedarf zur Förderung – insbesondere bei der Bewertung statistischer Informationen und der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit von Fachinformationen. Mehr Orientierung an den Bedürfnissen der Nutzer sei daher eine grundlegende Aufgabe für alle, die im Gesundheitswesen arbeiten. „Die Maßgabe aller Gesundheitsberufe muss es sein, die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen und sich an ihren Bedürfnissen auszurichten“, heißt es in der Roadmap.

Diese vier Ziele sind in der ­Roadmap definiert

Um den Herausforderungen zu begegnen, verfolgt die Allianz vier Ziele:

1. Organisationale Gesundheitskompetenz: „Wir wollen die Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Pflege gesundheitskompetenter machen und hier eine stärkere strukturelle Verankerung der Gesundheitskompetenz erreichen.“ Dies betrifft vor allem die Schnittstellen zwischen dem ambulanten und stationären Bereich, aber auch die kommunikative Kompetenz der Gesundheitsberufe selbst. Die Partner der Allianz sollten die Orientierung in ihren Organisationen und im Gesundheitssystem erleichtern.

2. Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in den Lebenswelten: „Wir wollen die Gesundheitskompetenz in den Lebenswelten (wie Kita, Schule oder Arbeitswelt) verankern und insbesondere die vulnerablen Gruppen durch gezielte Angebote besser erreichen.“ Dabei spiele die soziale Chancengleichheit eine große Rolle. Die Allianzpartner seien gefordert, hier soziale Ungleichheiten und Bildungsunterschiede abzubauen.

3. Digitale Gesundheitskompetenz: „Wir wollen das Angebot digitaler Anwendungen für die (individuelle) Förderung von Gesundheitskompetenz stärken und ausbauen.“ Denn digital verfügbare Gesundheitsinformationen könnten die Teilhabe und Selbstbestimmung erweitern, um gesund zu bleiben und Krankheiten zu bewältigen.

4. Professionelle Gesundheitskompetenz: „Wir wollen die professionelle Gesundheitskompetenz aller im Gesundheitswesen Tätigen stärken. Ein zentraler Schlüssel ist dabei die Verbesserung der Kommunikationskompetenz auf allen Ebenen.“ Fortbildungsangebote existierten für nahezu alle Gesundheitsfachberufe, auch im Hinblick auf die interprofessionelle Zusammenarbeit. Fortbildungen dieser Art und deren Inanspruchnahme sollten weiter gefördert werden, besonders die Aus-, Fort- und Weiterbildung und die patientenzentrierte Kommunikation.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.