Stimmungsbarometer der Zahnärzteschaft

Schlechte Stimmung an der Basis

Dennis Guhl, Martin Jäkel, Abteilung Statistik, KZBV
Mehr als die Hälfte der Zahnärztinnen und Zahnärzte würden sich heute nicht mehr niederlassen, 70 Prozent denken sogar darüber nach, vorzeitig aus der Versorgung auszusteigen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Online-Befragung, die die KZBV zusammen mit dem Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung (Zi) durchgeführt hat und an der sich über 4.000 Praxen beteiligt haben.

Danach denken viele niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte verstärkt über eine vorzeitige Schließung nach, weil ihnen die Planungssicherheit fehlt. Engagierte junge Zahnärztinnen und Zahnärzten sehen zudem offenbar zunehmend weniger Anreize zur Niederlassung. In einigen Regionen zeigt sich bereits heute exemplarisch, wie schlecht es um die wohnortnahe zahnärztliche Versorgung bestellt ist: So berichten 76 Prozent der Zahnärztinnen und Zahnärzte, dass sie vermehrt Patienten von Praxen übernehmen müssen, die aufgegeben oder die ihre Arbeitszeit reduziert haben. 90 Prozent der Befragten befürchten daher auch, dass sie keine geeignete Nachfolge für ihre Praxis finden.

Was nicht an fehlender Begeisterung für die eigene Tätigkeit liegt: Insgesamt 99 Prozent der Befragten halten ihre Arbeit für nützlich und sinnvoll. Sie gehen ihrem Beruf mit Herzblut nach, doch die Rahmenbedingungen hindern sie daran, sich mit vollem Einsatz der Patientenversorgung zu widmen.

Vor allem die überbordende Bürokratie sorgt im Praxisalltag für Ärger: Ganze 97 Prozent der Befragten fühlen sich dadurch überlastet, bei 94 Prozent leidet sogar mittlerweile die Patientenversorgung unter dem Zeitmangel durch unsinnige Vorschriften und praxisuntaugliche Digitalisierung. Ein weiteres Sorgenthema: der Fachkräftemangel. Insgesamt 95 Prozent der Zahnärztinnen und Zahnärzte haben Probleme, geeignetes Personal zu finden, bei 83 Prozent hat die Personalnot bereits Auswirkungen auf die Patientenversorgung.

Die Alarmglocken sollten ­schrillen

Und was macht der Gesetzgeber? Verabschiedet das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG), das zur Folge hat, dass ein Großteil der Praxen von Honorarkürzungen betroffen ist (76 Prozent), weniger PAR-Neufälle behandeln kann (77 Prozent) und generell bei der Patientenversorgung eingeschränkt ist (87 Prozent). Ganze 88 Prozent der Praxen befürchten aufgrund der Beschränkungen und Budgetierungen eine weitere Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation.

Kein Wunder, dass sich die Zahnärztinnen und Zahnärzte von der Politik gering wertgeschätzt (97 Prozent) und von ihrer Arbeit zunehmend ausgebrannt fühlen (74 Prozent). Angesichts dieser Ergebnisse sollten die Alarmglocken schrillen, warnt der KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges: „Mein Blick geht sorgenvoll in die Zukunft. Wenn sich so viele Kolleginnen und Kollegen am Limit sehen und mit dem Gedanken spielen, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszusteigen, ist das ein eindeutiger Beweis für schlechte Rahmenbedingungen und damit auch kein Anreiz für den zahnärztlichen Nachwuchs sich niederzulassen.“

Die Politik muss endlich adäquate und verlässliche Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Praxen schaffen.

Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der KZBV

Die Zahnarztpraxen an der Basis und auch die KZBV prangern diese Missstände schon seit Jahren an. Um über die Folgen zu informieren, hat die KZBV im vergangenen Jahr die Kampagne „Zähne zeigen“ gestartet. Sie wird – erweitert und modifiziert – auch in diesem Jahr weitergeführt, um verstärkt die breite Öffentlichkeit anzusprechen. Wie die Befragung zeigt, stehen die Zahnärztinnen und Zahnärzte geschlossen hinter den gesundheitspolitischen Forderungen der KZBV, insbesondere verlangen sie weniger Bürokratie, eine tragfähige Finanzierung, eine praxistaugliche Digitalisierung und die Abschaffung der Mittelbegrenzung.

Die Befragung ...

... lief vom 18. April bis zum 20. Mai 2024. Eine Einladung zur Teilnahme an der Online-Befragung erhielten alle zugelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren. 12,2 Prozent der Praxen haben sich beteiligt – ein für vergleichbare Umfragen außerordentlich hoher Rücklauf. Das Durchschnittsalter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lag bei 53,8 Jahren. 82 Prozent von ihnen sind in einer Einzelpraxis tätig; die übrigen in einer Berufsausübungsgemeinschaft oder in Medizinischen Versorgungszentren. In diesen wichtigen Merkmalen ist die Stichprobe weitgehend repräsentativ für die Grundgesamtheit. Zusätzlich konnte durch Gewichtung der KZVen gewährleistet werden, dass auch die deutschlandweiten Ergebnisse unverzerrt bleiben.

„Die Politik muss endlich adäquate und verlässliche Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Praxen schaffen. Daran führt kein Weg vorbei“, betont Hendges. Ohne ein drastisches Umsteuern der Politik werde die bewährte zahnärztlichen Versorgung in Deutschland in Zukunft kaum zu sichern sein. „Gerade die selbstständig und freiberuflich tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte bilden das Fundament einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen zahnärztlichen Versorgung.“

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