Konflikte im Praxisalltag – Teil 3

Wenn zwei sich streiten ...

Anke Handrock
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Maike Baumann
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Annika Łonak
Es gibt viele Arten von Konflikten, die in Teams auftreten – und je nach Fall müssen Sie entscheiden, ob und wie Sie handeln. Oft ist es einfach nur ein Missverständnis, hin und wieder prallen auch verschiedene Wertvorstellungen aufeinander und mal entfacht ein Streit um Ressourcen. Gerade für diese Auseinandersetzungen gilt: Je früher Sie sich als Chefin einschalten, desto mehr Druck nehmen Sie aus dem Team. Wie Sie das am besten anstellen, erfahren Sie hier.

Generell empfehlen sich folgende Überlegungen, bevor man entscheidet, ob man als Führungsperson einen Konflikt selbst begleiten will:

  • Worum geht es inhaltlich in diesem Konflikt (um Verständnis, Werte, Verteilung, ....)?

  • Wie weit ist der Konflikt schon eskaliert?

  • Welche Personen sind beteiligt?

  • Liegt das Problem innerhalb eines einzelnen Bereichs oder ist es bereichsübergreifend?

  • Liegt der Konflikt innerhalb einer Hierarchieebene oder ist er ebenenübergreifend?

  • Geht es nur um arbeitsspezifische Themen oder sind (andere) Lebensbereiche betroffen?

  • Bin ich selbst bezüglich des Konflikts frei, bin ich betroffen oder habe ich bereits Partei ergriffen?

Je geringer die Eskalation, je kleiner beziehungsweise einfacher das Thema und je weniger man selbst als Chef involviert ist, desto wahrscheinlicher kann man den Konflikt zügig beilegen. Werfen wir einen Blick auf exemplarische Konfliktsituationen und mögliche Lösungsansätze:

1. Das klassische Missverständnis

Die Kolleginnen Gitta Grün und Birgit Blau legen großen Wert auf Pünktlichkeit und gegenseitige Wertschätzung. Dennoch kommt Frau Blau oft zu spät zur Arbeit. Frau Grün findet das rücksichtslos. Sie hat den Eindruck, dass Blau sich für etwas Besseres hält. Daher schneidet sie Blau neuerdings, worunter diese leidet. Ihr ist ihr Zuspätkommen sehr peinlich und sie versucht es zu überspielen. Die Öffnungszeiten in der Kita sind neuerdings eingeschränkt und sie kann nur pünktlich zur Arbeit erscheinen, wenn die Strecke von der Kita zur Praxis komplett frei ist. Sie ist sehr zurückhaltend und möchte die Kolleginnen nicht mit ihren privaten Problemen belasten. Also sagt sie nichts.

Das ist ein typischer „scheinbarer Wertekonflikt“: Sobald die Konfliktparteien einander ihr Verhalten erklären, wird deutlich, dass ihnen dieselben Werte wichtig sind. Oft ergeben sich dann von selbst Lösungen. Als Führungsperson ist es sinnvoll, die Beteiligten erst einmal einzeln anzusprechen und sich den Konflikt aus der jeweiligen Sicht schildern zu lassen. Beim Zuhören wird in der Regel für Außenstehende schnell klar, ob hier ein Mangel an Verständnis oder ein Missverständnis vorliegt. Dann ist es sinnvoll, beide Parteien schnell ins Gespräch miteinander zu bringen. So ist es möglich, das Missverständnis zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu finden. Das funktioniert umso besser, wenn die Konfliktparteien selbst darauf kommen.

Hilfreich kann sein, wenn die Chefin das gemeinsame Gespräch begleitet und etwa auf folgende Weise einleitet: „Ich habe ja mit Ihnen beiden schon einmal kurz über die morgendliche Situation gesprochen. Ich glaube, dass es sich hier um ein Missverständnis handeln könnte. Bitte stellen Sie einmal dar, was Sie morgens erleben und wie es Ihnen damit geht, damit wir dann gemeinsam eine gute Lösung finden können. Wer möchte anfangen …?“

Durch den Rahmen (das Framing), dass der Chef die Situation für gut lösbar hält, entsteht meist schnell eine Lösungsbereitschaft bei den Beteiligten.

Nachdem Frau Blau und Frau Grün verstanden haben, dass ihnen beiden Pünktlichkeit und Rücksichtnahme wichtig sind – und das Blau aus Rücksicht ihre privaten Probleme nicht ins Team getragen hat, fragt Grün an, ob nicht vielleicht einfach ein gewisser Gleitzeitkorridor für Mitarbeitende in derartigen Situationen eingerichtet werden könnte.

2. Echte Wertekonflikte

Manchmal stellt sich bei einem Vorfühlen durch die Chefin allerdings heraus, dass in einem Konflikt zwei grundlegend unterschiedliche Wertesysteme aufeinanderprallen. Der Konflikt ist mehr als ein Missverständnis: Rüdiger Rot und Garvin Gelb arbeiten als angestellte Zahnärzte in derselben Praxis. Herr Rot ist fachlich fähig, betrachtet seine Arbeit jedoch vornehmlich als Broterwerb. Er engagiert sich nur im notwendigen Rahmen in der Zahnheilkunde. Herr Gelb liebt seine Arbeit sehr und hat den Anspruch sich immer weiterzuentwickeln. Er ist frustriert, dass es ihm nicht gelingt, mit seinem Kollegen in den Pausen in einen guten fachlichen Austausch zu kommen. Sobald er ein Fachthema anspricht, zieht sich Rot zurück. Gelb fühlt sich von Rot persönlich abgelehnt. Rot dagegen ist seine Pause als Arbeitsunterbrechung schlicht wichtig. Er fühlt sich von Gelb bedrängt und in seinem legitimen Bedürfnis nach Entspannung abgelehnt.

Auch hier hilft ein gemeinsames Gespräch. Anders als beim Missverständnis sollte zu Beginn des Gesprächs ein gemeinsames Ziel benannt werden, dem beide zustimmen können. Eine Gesprächseinleitung kann beispielsweise so aussehen: „Ich habe ja mit Ihnen bereits einzeln gesprochen. Mir als Chef ist wichtig, dass wir im Team eine konstruktive Arbeitsatmosphäre haben, in der sich alle Mitarbeitenden miteinander wohlfühlen und gerne zur Arbeit kommen. Können wir uns darauf einigen, dass das Ziel des heutigen Gesprächs ist, zu schauen, wie Sie sich miteinander so weit verständigen können, dass Sie gut im Team zusammenarbeiten können? (Ein zustimmendes Nicken oder „Ja“ von beiden abwarten.) Vielen Dank, wer möchte beginnen, seine Sicht auf die Situation darzustellen?“

Im Gesprächsverlauf wird schnell klar werden, dass die beiden tatsächliche eine grundlegend unterschiedliche Einstellung zur Arbeit haben. Wichtig ist es nun herauszuarbeiten, dass für beide eine gute Versorgung der Patienten wichtig ist – ein zentraler Wert. Dann gilt es darzustellen, dass beide Kollegen die Werte des anderen, hier Weiterbildung beziehungsweise Freizeit, als solche respektieren, selbst wenn sie diese unterschiedlich gewichten. Dabei wird von der Führungskraft implizit gezeigt, dass unterschiedliche Haltungen wahrgenommen und im System akzeptiert werden. Gleichzeitig liegt der Fokus darauf, dass es möglich und wichtig ist, trotz der Differenzen respektvoll und gut miteinander umzugehen. Anschließend wird gemeinsam überlegt, wie die unterschiedlichen Werte im Alltag so unter einen Hut gebracht werden können, dass sich alle miteinander wohlfühlen.

Hier bietet Herr Gelb an, in Pausen zahnmedizinische Fachthemen beiseite zu lassen. Er möchte aber auch nicht über die Hobbys von Herrn Rot sprechen müssen. Rot kann das respektieren. Beide wollen ausprobieren, gemeinsame, entspannte Gesprächsthemen zu finden. Sie einigen sich darauf, wenn es erforderlich ist, um einen Themenwechsel zu bitten.

3. Streit um Ressourcen

Abgesehen von Wertekonflikten gibt es Konflikte, die sich um knappe Ressourcen, zum Beispiel um Zeit, drehen: In einem kleinen Team wollen Prisca Pink und Ramon Rosa zeitgleich während der Ferien Urlaub nehmen. Beide haben Kinder in derselben Kita und können aufgrund der Schließzeiten nicht ausweichen. Aus betrieblichen Gründen ist ein gleichzeitiger Urlaub nicht möglich.

Ist der Streit im Team aufgebrochen, ist die Führungsperson in der Pflicht, den Konflikt zügig durch eine möglichst transparente und gerechte Entscheidung zu beenden. Das bedeutet, die Chefin sollte hier den Konflikt (und die negative Emotionalität) an sich ziehen. Je länger sie den Konflikt zwischen den Teammitgliedern schwelen lässt, desto stärker werden die persönlichen Beziehungen im Team belastet und desto größer ist die Gefahr der Eskalation.

Beide werden zum Gespräch gebeten. Der Chef sagt klar, dass die Situation nicht so lösbar ist, dass beide ihre Wünsche erfüllt bekommen. Und weist darauf hin, dass es ihm um eine möglichst gute, langfristig gerechte Lösung für alle geht. Dabei kündigt er an, die Entscheidung – falls erforderlich – selbst zu treffen. Er bittet darum, dass beide Seiten zuerst ihre Wünsche und Gründe schildern. Anschließend fragt er nach eventuellen Lösungsideen. Falls es dabei einen Konsens geben sollte, wird er gewählt und der Chef dankt für die konstruktive Zusammenarbeit.

Ist das nicht der Fall, dankt er trotzdem für das bisherige Gespräch und teilt mit, bis wann er eine Entscheidung treffen wird. Wenn einzelne Konfliktparteien in der Folge versuchen, ihn noch einmal zu dem Thema anzusprechen, fragt er nur kurz nach, ob es neue Informationen gebe und man sich noch einmal gemeinsam treffen müsse. Falls nicht, wird das Gespräch beendet.

Die Lösung des Chefs sollte insgesamt fair und gerecht sein – und kurzfristig angeboten werden. Zum Beispiel könnte, wer jetzt zurückstecken muss, im Folgejahr die erste Wahl bei den Urlaubsterminen haben oder eine Bevorzugung bei der Weihnachtsregelung. Wenn möglich, teilt der Chef seine Entscheidung beiden Konfliktparteien gemeinsam mit. Denn wenn eine Seite die Informationen früher erhält, wird das oft als Bevorzugung gewertet.

Fazit

Bei all diesen Konfliktarten ist es hilfreich, als Führungsperson früh ins Gespräch mit den Beteiligten zu gehen. Oft lässt sich dann eine weitere Eskalation verhindern. Des Pudels Kern ist, zwischen den Konfliktbeteiligten ein Verständnis für die Sicht der anderen Seite zu erzeugen und auf die Bedürfnisse beider Parteien zu schauen anstatt auf die eingenommenen Positionen. Selbst wenn am Ende nicht das steht, was die Beteiligten sich zuerst zurechtgelegt hatten, funktionieren Lösungen oft, wenn die Bedürfnisse berücksichtigt werden.

Dr. med. dent. Anke Handrock

Praxiscoach, Lehrtrainerin für Hypnose (DGZH), NLP, Positive Psychologie,
Coaching und Mediation,
Speakerin und Autorin

Dipl.-Psych. Maike Baumann

Psychotherapeutin und Mediatorin, Coach, Autorin und Dozentin

Annika Łonak

Fachärztin für Radiologie und Neuroradiologie, Oberärztin Universitätsspital Basel

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