Aus der Wissenschaft

Reduzieren antibakterielle Kaugummis Plaque und Gingivitis bei jungen Kfo-Patienten?

Elmar Hellwig
Kaugummis werden im Rahmen der Kariesprävention empfohlen, weil sie zum Beispiel den Speichelfluss anregen. Sie können allerdings auch Antiseptika oder andere antimikrobielle Substanzen enthalten und damit eventuell zur Reduzierung von Plaque und Gingivitis beitragen. Eine deutsche Arbeitsgruppe hat jetzt den prophylaktischen Effekt von Kaugummis bei jugendlichen Kfo-Patienten untersucht.

Bei einer kieferorthopädischen Behandlung, insbesondere bei festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen, ist die Aufrechterhaltung der Mundhygiene häufig eingeschränkt. Dementsprechend kann es insbesondere in den Bereichen um Brackets zu einer vermehrten Ansammlung von Mikroorganismen kommen. In vielen Fällen reicht eine regelmäßige mechanische Reinigung mit Zahnbürsten dann nicht aus, um den Biofilm ausreichend zu entfernen. Daher entwickeln Patienten mit festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen häufig eine Gingivitis. Um der Entstehung einer Gingivitis vorzubeugen, werden häufig antiseptische Mundspülungen zum Beispiel mit Chlorhexidindigluconat (CHX) oder Cetylpyridiniumchlorid (CPC) empfohlen. Es wurde allerdings beschrieben, dass nach mehrfacher Exposition von subinhibitorischen Konzentrationen dieser Inhaltsstoffe Antibiotikaresistenzen einzelner Mikroorganismen resultieren können. Darüber hinaus ist auch bekannt, dass die häufige Anwendung von CHX-haltigen Produkten zu Zahn- und Zungenverfärbungen, Schleimhautreizungen und Mundbrennen führen kann.

Neben antiseptischen Mundspülungen haben sich auch Produkte, die ätherische Öle enthalten, bei der Behandlung von Gingivitis bei kieferorthopädischen Patienten als wirksam erwiesen. Da Kaugummis in der Regel viel länger im Mund verbleiben als Mundspüllösungen und ihre Wirkstoffe somit länger wirken können, könnten sie sich gut als Trägermaterial für derartige antibakteriell wirksamen Substanzen eignen.

Ziel der vorliegenden randomisierten, kontrollierten, doppelblinden klinischen Studie war es daher, die Wirksamkeit eines neuartigen antimikrobiellen Kaugummis, der ätherische Öle (Zimt, Zitrone, Pfefferminze) und Extrakte aus Ingwer und Ginseng enthält (COVIDGUM, Clevergum GmbH, Munich, Germany), im Vergleich zu einem Kontrollkaugummi (Airwaves Cool Cassis, Mars GmbH, Verden, Deutschland) bezüglich der Reduktion von Zahnbelag und Gingivis bei jugendlichen kieferorthopädischen Patienten zu untersuchen. Zusätzlich wurde die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität evaluiert.

Material und Methode

52 Patienten wurden aus den Patientenpools mehrerer Studienzentren in Deutschland rekrutiert. Für die Aufnahme mussten die Patienten zwischen elf und 22 Jahre alt sein und sich in kieferorthopädischer Behandlung mit festsitzenden Apparaturen befinden. Darüber hinaus mussten sie eine unzureichende Mundhygiene aufweisen (API > 40 Prozent). Die Patienten wurden anhand einer computergenerierten Randomisierungstabelle nach dem Zufallsprinzip der Test- oder Kontrollgruppe zugeteilt. Die Patienten wurden zudem für den jeweiligen Kaugummi verblindet, was durch eine identische Verpackung sichergestellt wurde, und klinische Nachuntersuchungen wurden durch verblindete Untersucher durchgeführt Die Verteilung der beiden Studiengruppen unterschied sich hinsichtlich der Faktoren Geschlecht und Alter nicht signifikant.

In der anschließenden Anwendungsphase verwendeten die Patienten das zugewiesene Kaugummi viermal täglich für 15 Minuten über einen Zeitraum von zehn Tagen und wurden angewiesen, ihre übliche Mundhygieneroutine anzuwenden. Es wurden keine zusätzlichen detaillierten Anweisungen zur Mundhygiene gegeben. Die erste Nachuntersuchung wurde nach 10 ± 1 Tagen nach Studienbeginn durchgeführt. Der approximale Plaque-Index (API), der papilläre Blutungsindex (PBI) und ein OHRQoL-Fragebogen für Kinder (COHIP-G19) wurden zu Studienbeginn (BL), nach 10 Tagen und 30 Tagen bewertet. Bei anhaltender Zahnfleischentzündung erhielten die Patienten eine ausführliche Einweisung zur Verbesserung ihrer Mundhygiene sowie eine professionelle Zahnreinigung.

Ergebnisse

Im Verlauf der Studie kam es zunächst zu einer Reduktion des PBI von 47,7 auf 29,6 Prozent in der Testgruppe und von 40,0 auf 29,7 Prozent in der Kontrollgruppe. Am Tag 30 war der PBI jedoch wieder leicht auf 30,8 Prozent in der Testgruppe und 30,7 Prozent in der Kontrollgruppe angestiegen. Es ließen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen erkennen. Bei der Evaluation der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität ließ sich kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen feststellen. Nur hinsichtlich der Mundhygiene-Subskala zeigte die Testgruppe am Ende des Untersuchungszeitraums signifikant bessere Werte (= 0,011).

Diskussion

Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass Kaugummi die Speichelflussrate erhöht, dabei kann es langfristig zu einer verminderten Plaquebildung kommen. Auch in der vorliegenden Untersuchung wurde gezeigt, dass das Kauen von Kaugummi allein, ohne Wirkstoff den Speichelfluss anregen und damit den Plaqueindex senken kann. Eventuell war aber die Dauer der Verwendung des Testkaugummis zu kurz, um Unterschiede im PBI zwischen den Gruppen bewirken zu können. Andere Autoren, die die Auswirkungen von Kaugummi über zwölf Monate untersuchten, stellten beispielsweise eine signifikant bessere Reduktion der Gingivablutungen für eine Gruppe fest, die CHX-haltigen Kaugummi verwendete [Simons et al., 1999]. Eine weitere Einschränkung der vorliegenden Studie bestand darin, dass während des Anwendungszeitraums keine regelmäßigen klinischen Kontrollen durchgeführt wurden und somit eine korrekte Anwendung (viermal täglich Kaugummikauen für zehn Minuten) von den Untersuchern nicht gewährleistet werden konnte.

Schlussfolgerungen

Die Studie zeigt, dass bei kieferorthopädischen Patienten sowohl ein Kaugummi mit ätherischen Ölen als auch ein kommerziell erhältlicher Kontrollkaugummi ohne diese Wirkstoffe das Plaquewachstum und die Gingivitis signifikant reduzierten. Kaugummi als Ergänzung zur regelmäßigen Mundhygiene könnte vor allem bei Patienten, die Schwierigkeiten mit der Mundhygiene haben, positive Effekte zeigen. Das regelmäßige Kauen von Kaugummi während einer kieferorthopädischen Behandlung scheint eine gute und einfache Möglichkeit zu sein, die Ansammlung von Plaque und die Entstehung von Zahnfleischentzündungen zu verringern. Die Autoren geben allerdings zu bedenken, dass weitere Studien mit längeren Anwendungszeiträumen und häufigeren Nachsorgeuntersuchungen notwendig sind, um verlässlichere Daten zu liefern.

Die Studie:
Johanna Weber, Konstantin J. Scholz, Isabelle M. Schenke, Florian Pfab, Fabian Cieplik, Karl-Anton Hiller, Wolfgang Buchalla, Camilla Sahm, Christian Kirschneck, Eva Paddenberg-Schubert, Randomized controlled clinical trial on the efficacy of a novel antimicrobial chewing gum in reducing plaque and gingivitis in adolescent orthodontic patients. Clin Oral Investig. 2024; 28(5): 272.

Literaturliste

  • Simons D, Beighton D, Kidd EAM, Collier FI: The effect of xylitol and chlorhexidine acetate/xylitol chewing gums on plaque accumulation and gingival inflammation. J Clin Periodontol. 1999;26:388–391.

Prof. Dr. Elmar Hellwig

Univ.-Prof. (a.D.) Dr. med. dent. Elmar Hellwig

Erzherzogstr. 8,
79102 Freiburg

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