Interview mit Ernil Hansen zum Nocebo-Effekt in der Zahnmedizin

„Sie sollten Ihre Worte sorgfältig wählen“

Ob eine Behandlung die gewünschte Wirkung erzielt, hängt nicht allein davon ab, ob sie korrekt durchgeführt wurde. Auch die Erwartungen des Patienten – positiv oder negativ – sind entscheidend für den Behandlungserfolg und die Patientenzufriedenheit. Prof. Dr. Dr. Ernil Hansen erklärt, wie Erwartungen mit dem Nocebo-Effekt zusammenhängen, was Suggestion und Trance damit zu tun haben und wie man als Zahnärztin oder Zahnarzt den Nocebo-Effekt neutralisieren und den Placebo-Effekt nutzen kann.

Prof. Hansen, wie würden Sie den Nocebo-Effekt allgemein erklären?

Prof. Dr. Dr. Ernil Hansen: Als Nocebo-Effekt bezeichnet man die negativen Auswirkungen von negativen Erwartungen, die den Behandlungserfolg oder die Gesundheit des Patienten beeinträchtigen können. Somit könnte man den Nocebo-Effekt als negativen Bruder des – besser bekannten – Placebo-Effekts bezeichnen. Mit Erwartungen kann man die Heilung nicht nur fördern, sondern auch stören.

Dabei spielen Konditionierungen durch eigene frühere Erlebnisse, die negative Erwartungen auslösen, eine Rolle. Diese negativen Erwartungen können auch durch den Zahnarzt, die ZFA, die Gesellschaft, Medien, die Familie oder andere Patienten geschürt werden (observational learning). So kann man etwa bei Kindern Angst vorm Zahnarzt beobachten, wenn sie ihn zum ersten Mal in ihrem Leben besuchen.

Es ist mir allerdings wichtig zu betonen, dass nicht alles Negative durch den Nocebo-Effekt erklärt werden kann, sondern vieles auch durch Negativsuggestionen – ein Beispiel dafür wäre der Hinweis des Zahnarztes an den Patienten: „Machen Sie sich keine SORGEN!“ Dasselbe gilt für non-verbale Signale: Stellen Sie sich vor, Sie liegen auf dem Zahnarztstuhl und schauen an die Decke. Dort sehen Sie nichts als einen Rauchmelder, eine grelle Lampe und eine Lüftungsklappe. In einer Studie haben wir festgestellt, dass dieser Anblick negative Auswirkungen auf den Patienten hat – es schwächt ihn. Wenn man hingegen schöne Poster an die Decke hängt, ist das eine positive Suggestion. Beides hat allerdings nichts mit Erwartungen zu tun und sollte deshalb nicht mit dem Nocebo-Effekt verwechselt werden.

Und noch etwas muss ich im Zusammenhang mit dem Nocebo-Effekt erwähnen: Patienten in Not, also in Extremsituationen, die durch Schmerz und Stress hervorgerufen werden, können in eine spontane Trance gehen. Die Trance ist eine Art Notfallprogramm des Menschen. In Trance geht man in bestimmten Akutsituationen, in denen der Verstand nicht mehr weiterkommt. Es ist möglich, in diesem Zustand einzelne Körperteile zu dissoziieren und damit schmerzfrei zu sein. Man kann einen Trancezustand regelmäßig bei Patienten auf dem Zahnarztstuhl beobachten. Das kann sich zum Beispiel dadurch bemerkbar machen, dass sich ein erwachsener Mann auf dem Behandlungsstuhl wie ein kleiner Junge benimmt (Altersregression). Oder das gestreckte Bein hebt sich in starrer Körperhaltung von der Liege ab (Katalepsie). Auch ein Flattern der Augenlider gehört zu den Trance-Zeichen.

In Trance sind nun zwei Charakteristika ganz entscheidend: Das eine ist die fokussierte Aufmerksamkeit, das heißt, die Patienten sind, selbst wenn sie die Augen geschlossen haben, aufmerksamer denn je – und beziehen alles auf sich. Und das zweite ist, dass Suggestionen dann stärker als sonst wirken – positive wie negative. Wenn ich Ihnen etwa sage, ich muss nachher noch einkaufen gehen und werde auch Zitronen kaufen, dann ist bei Ihnen beim Wort Zitrone jetzt etwas mehr Speichel geflossen. Aber wenn Sie sich in Trance befinden und ich spreche über Zitronen, dann fließt der Speichel viel stärker, weil die Suggestionen stärker wirken. Das ist wichtig, gerade in Bezug auf Nocebo, weil auch die Negativeinflüsse in Trance viel stärker wirken, ebenso wie die positiven.

Trance ist ein wichtiges Thema. Würde ich jetzt nur über Nocebo, also Erwartungen sprechen, dann wären wir ganz rational. Aber dabei verpasst man, dass noch viel mehr den Patienten belastet oder ihm helfen könnte. Dem Zahnarzt sollte klar sein, dass der Patient sich in einer besonderen Situation befindet, in der er alles mithört, Dinge leicht auf sich bezieht und das Gesagte viel stärker wirkt als sonst.

Wodurch kann der Nocebo-Effekt zum Beispiel ausgelöst werden?

Eine der stärksten Quellen für den Nocebo-Effekt ist die medizinische Risikoaufklärung. Schmerzen, Schwellung, Nachbluten: Wenn ich Risiken gesagt bekomme, dann steigt die Erwartung, dass diese eintreten, was natürlich eigentlich nicht der Sinn der Sache ist. Also der Nocebo-Effekt entsteht durch die Nennung von starken Negativworten.

Welche Rolle spielt der Nocebo-Effekt Ihrer Meinung nach in der Zahnmedizin? Können Sie ein Beispiel nennen?

In einer Studie haben Zahnärzte Patienten Lachgas verabreicht und erklärt, dass dies „die Empfindlichkeit erhöht“. Beobachtet werden konnte, dass Lachgas als „sensibilisierendes Medikament“ nicht mehr analgetisch wirkte. Dies ist einer der vielen Belege dafür, dass Erwartungen die pharmakologische Wirkung abschwächen, zunichtemachen und sogar umdrehen können.

Ein weiteres aktuelles Beispiel sind die Corona-Impfstoffe. Im Zuge der Zulassungen wurden die Impfstoffe jeweils über 30.000 Probanden verabreicht – die Hälfte davon erhielt ein Placebo (NaCl-Lösung). Das Risiko für das Auftreten von systemischen, also wirklich beeinträchtigenden Nebenwirkungen lag in der Placebo-Gruppe bei 72 bis 85 Prozent,bezogen auf die tatsächlich Geimpften. Dies ist ein klassisches Beispiel für den Nocebo-Effekt – vorwiegend hervorgerufen durch Medienberichte.

Und welche Rolle spielt dagegen der Placebo-Effekt beziehungsweise wie wirkt sich die Ankündigung einer (zahnmedizinischen) Behandlung auf die Wirksamkeit aus?

Der Placebo-Effekt spielt eine ganz erhebliche Rolle: Medikamente, aber auch Operationen und alle anderen medizinischen Interventionen entfalten ihre volle Wirkung erst durch den Placebo-Effekt. Er macht 20 bis 80 Prozent der Wirkung aus. Das Ausmaß des Placebo-Effekts ist abhängig von den Erwartungen, die wiederum an die Formulierung der Ankündigung geknüpft sind. Damit kommt dem Zahnarzt viel Gestaltungspotenzial, aber auch Verantwortung zu. Es ist wichtig, jede Behandlung beziehungsweise Medikamentengabe unbedingt anzukündigen.

Ein konkretes Beispiel: Was glauben Sie, wie viel Prozent der Wirkung einer Bandscheibenoperation (Rückerlangung von Schmerzfreiheit und Mobilität) Sie mit einer sogenannten Scheinoperation erreichen – also lediglich einem Hautschnitt in Narkose? Es sind 78 Prozent. Solche Studien wurden in der Zahnmedizin zwar noch nicht durchgeführt. Aus den vielen anderen Bereichen, in denen der Placebo-Effekt hinreichend untersucht wurde, schließe ich aber, dass er in der Zahnheilkunde auftritt und genutzt werden MUSS.

Wenn man den Placebo-Effekt nicht zum Medikament hinzugibt, dann ist das in meinen Augen ein Kunstfehler. Ich erkläre das anhand eines Beispiels: Wenn ich in eine Infusion Morphin gebe und es dem Patienten nicht mitteile, dann hat es nur die halbe Wirkung. Das käme einer Unterdosierung gleich – und die ist ein Kunstfehler. Um bei der Zahnmedizin zu bleiben: Eine medikamentöse Einlage im Wurzelkanal sollte dem Patienten mitgeteilt werden, um auch hier den Placebo-Effekt vollumfänglich zu nutzen.

Die Behandlung selbst hat einen Effekt, aber gewöhnlich muss der Placebo-Effekt noch obendrauf kommen. Das bedeutet, man sollte immer erklären, was der Patient von dem Eingriff erwarten darf. Das ist wichtig, denn ein Großteil von Krankheit und von Heilung liegt beim Patienten. Das heißt, ich muss ihn mit ins Boot nehmen, ich brauche seine positiven Erwartungen und sollte die negativen Erwartungen ausschalten.

Mit diesem Wissen um die Wirkungsmacht des Placebo- beziehungsweise Nocebo-Effekts kann ich die Kommunikation unterschiedlich gestalten. Und genau hier liegt ein immenses Potenzial – aber genauso eine Verantwortung. Man kann dem Patienten unangekündigt eine Spritze geben mit den Worten „Öffnen Sie bitte den Mund“ – das ist das schlimmste Szenario. Man könnte sagen: „Öffnen Sie bitte den Mund, ich gebe Ihnen eine Spritze.“ Dann haben Sie angekündigt, was Sie vorhaben, aber nichts Positives genannt. Man könnte sagen „Ich gebe Ihnen eine lokale Betäubung“ – naja. Oder man ergänzt „die sehr schnell ihre volle Wirkung entfaltet und Sie nichts mehr spüren lässt, damit wird die Behandlung für Sie viel angenehmer“. Dieser Hinweis hegt Erwartungen an das Medikament und nur so kann der Placebo-Effekt vollumfänglich genutzt werden.

Können negative Erwartungen eines Patienten tatsächlich zu einem schlechteren Behandlungsergebnis führen beziehungsweise Schmerzen oder Angst vor einem zahnärztlichen Eingriff verstärken?

Ja, indem man falsch über ein Risiko oder eine Nebenwirkung spricht, kann man diese und jegliche Symptome auslösen oder verstärken. Die negative Erwartung begünstigt Schmerzen (Nocebo-Effekt) und löst Angst davor aus. Sowohl negative Erwartungen als auch Angst beeinträchtigen den Behandlungserfolg und die Gesundheit (Outcome) sowie die Behandlungswilligkeit und die Compliance.

Sie können auch dazu führen, dass Patienten wichtige Behandlungen verzögern oder gar nicht durchführen lassen. Klassischerweise sind das die Patienten, die seit zehn Jahren nicht beim Zahnarzt waren und dann mit einem stark sanierungsbedürftigen Zahnstatus und Schmerzen in die Praxis kommen. Eine fehlende Compliance kann beispielsweise auch dazu führen, dass empfohlene Maßnahmen, etwa die Einnahme von Antibiotika nach einem zahnärztlichen Eingriff, nicht eingehalten werden – aus Angst vor Nebenwirkungen.

Bedeutet das, dass jedes Aufklärungsgespräch den Nocebo-Effekt auslöst?

Das Aufklärungsgespräch, insbesondere das Ansprechen von Risiken, ist eine Hauptquelle von Nocebo-Effekten. Es kann oft zu Nocebo-Effekten führen – muss es aber nicht.

Wie klärt man Patienten über mögliche Behandlungsrisiken auf, ohne den Nocebo-Effekt zu verstärken?

Die Aufklärung ist unverzichtbar. Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Kurz ein paar grundsätzliche Hinweise zur Aufklärung: Diese muss immer mündlich stattfinden und individuell gestaltet werden. Der Aufklärungsbogen dient eigentlich nur zur Dokumentation. Das Ganze kostet natürlich Zeit. Dabei sollten allerdings zwei Aspekte mitgedacht werden: Erstens ist die Aufklärung wie eine Visitenkarte – dort lernt der Patient den Zahnarzt kennen und macht sich ein Bild. Hier wird der Grundstein für die Zahnarzt-Patienten-Beziehung gelegt. Es ist wichtig dem Patienten zu vermitteln, dass man als Zahnarzt Ansprechpartner ist und ihn begleitet – auch wenn nach der Behandlung Probleme auftreten. Die Zahnarzt-Patienten-Beziehung ist der beste Schutz vor Aufklärungsschäden. Wenn da eine vertrauensvolle Basis geschaffen wurde, dann können dieselben Negativworte gar nicht mehr so viel anrichten. Manchmal muss man auch nicht so ausführlich und lange aufklären. Dann sagt nämlich der Patient selbst: „Also wissen Sie, ich vertraue Ihnen jetzt. Dann machen wir das jetzt so.“ Und zweitens: Die Zeit, die man aufwendet, ist gut investiert, wenn man sie richtig nutzt, und damit Nebenwirkungen von Behandlungen verhindern kann.

Nun zu den Strategien: Wir haben Möglichkeiten der Entschärfung des Nocebo-Effekts wissenschaftlich untersucht und eine hohe Wirksamkeit nachgewiesen. Wenn man gleichzeitig mit dem angesprochenen Risiko positive Erwartungen an die Behandlung generiert, ist der Nocebo-Effekt neutralisiert. Entscheidend ist dabei, nicht erst alle Risiken zu nennen und dann die positiven Aspekte aufzuzählen, sondern diese zusammenzunehmen. Dazu gehören ...

  • der Nutzen der vorgeschlagenen Behandlung zur Reduktion anderer Risiken (zum Beispiel der Ausbreitung einer Infektion),

  • die prophylaktischen Maßnahmen, um Nebenwirkungen zu vermeiden (zum Beispiel die Überwachung während der Behandlung, um sich entwickelnden Nebenwirkungen gleich zu begegnen),

  • die Therapiemöglichkeit eingetretener Nebenwirkungen (zum Beispiel lokale Maßnahmen bei Nachblutungen) sowie

  • ein möglicher Eigenbeitrag des Patienten (wenn er sich zum Beispiel bei fortbestehenden Schmerzen gleich wieder meldet, um eine größere Entzündung zu vermeiden).

Gehen wir das Ganze wieder anhand eines Beispiels aus der Lokalanästhesie durch: „Ich gebe Ihnen jetzt diese lokale Betäubung, die als seltene Nebenwirkungen Nervenschäden, Allergien oder Gefäßverletzungen auslösen kann, ABER wir vermeiden eine weitere Verschlechterung des Befunds und Sie können nach erfolgter Behandlung wieder normal essen, weil wir Ihre Kaufunktion wiederherstellen.“

Welche Maßnahmen können Zahnärzte noch ergreifen, um den Nocebo-Effekt bei Patienten zu reduzieren? Welche Rolle spielt dabei die Aufklärung der Patienten über den Nocebo-Effekt?

Man sollte den Patienten unbedingt über den Spontanverlauf bei Nichtbehandlung aufklären – und zwar schonungslos (also zum Beispiel die Ausbreitung eines Abszesses und die damit einhergehenden Gefahren). Es geht nicht nur um Informationen, sondern der Patient soll abwägen können. Wenn ein möglicher Spontanverlauf deutlich schwerwiegender ist, wird der Patient die Behandlungsrisiken gern in Kauf nehmen. Wichtig ist auch hier, die zuvor genannte Methode anzuwenden. Das Besondere ist nicht, dass man über die Risiken, den Behandlungserfolg oder über die Prophylaxe spricht, sondern dass man das gleichzeitig im selben Satz macht: „Eine Entzündung kann auftreten, ABER wir geben Ihnen ein Antibiotikum, um das Risiko deutlich zu verringern.“ Oder: „Es besteht das Risiko einer Nachblutung und von Schmerzen, aber wenn wir die Behandlung nicht durchführen, kann sich die Entzündung auf weitere Teile Ihres Körpers ausbreiten und dann lebensbedrohlich werden.“

Patienten haben auch das Recht, ausdrücklich auf eine weitere Aufklärung zu verzichten (Patientenrechtegesetz). Man kann diesen Hinweis geben, allerdings sollte man das keinesfalls primär vorschlagen. Im gegebenen Fall muss der Verzicht auf Aufklärung dann auch unbedingt sorgfältig dokumentiert werden. Aber wann wünscht sich ein Patient keine Aufklärung? Selbstverständlich nur, wenn eine vertrauensvolle Zahnarzt-Patienten-Beziehung da ist und nicht, wenn man ihm einen Aufklärungsbogen hinschmeißt, den er unterschreiben soll, damit man endlich mit der Behandlung beginnen kann. Deshalb ist der Vertrauensaufbau das Allerwichtigste.

Überdies sind einige Maßnahmen vorgeschlagen worden - mit zum Teil geringen oder noch nicht verifiziertem Nutzen. Dazu gehört das „Framing“, also zum Beispiel „95 Prozent der Patienten haben diese Nebenwirkungen NICHT.“ oder „Die Nebenwirkung zeigt, dass das Medikament wirkt.“.

Manchen Patienten hilft auch die Erklärung des Zusammenhangs der eigenen Erwartungen mit Symptomen (Nocebo-Effekt) – das gilt aber nur für bestimmte Personen.

Wenn bereits ein Nocebo-Effekt eingetreten ist: Können Zahnärzte den Nocebo-Effekt bei ihren Patienten erkennen und darauf reagieren?

Der beste Schutz vor Aufklärungsschäden ist eine vertrauensvolle Zahnarzt-Patienten-Beziehung. Da die Patientenbeteiligung am Outcome (Behandlungserfolg und Nebenwirkungen) immer gegeben ist (Placebo- und Nocebo-Effekte), muss man sie nicht erst erkennen, aber kann sie immer ansprechen.

Wenn ich den Eindruck habe, dass ein Patient bei einem sehr kleinen Eingriff Schmerzen hat, die über das gewöhnliche Maß hinausgehen und es klinisch keine Anhaltspunkte dafür gibt, dann kann ich von einem höheren Anteil eines Nocebo-Effekts ausgehen. Mit diesem Patienten würde ich über Methoden sprechen, was er selbst gegen die Schmerzen machen kann (Kühlen, Ruhe halten, Stress-Reduktion, zum Beispiel durch Progressive Muskelentspannung oder ähnliches). Ein Teil des Stresses und des Schmerzes kommt durch das Gefühl des Ausgeliefertseins. Handlungsempfehlungen können dem Patienten das Gefühl von Autonomie zurückgeben.

Wie kann man als Zahnarzt das Wissen um Placebo- und Nocebo-Effekte nutzen, um die Patientenzufriedenheit zu erhöhen?

Häufig ist nicht das Behandlungsergebnis der wichtigste Faktor zur Patientenzufriedenheit, sondern dass er vom Zahnarzt gut behandelt worden ist. Die Beziehung zum Zahnarzt und das Gefühl, einen Ansprechpartner zu haben – das ist es, was Patienten zufrieden macht. Dann rückt der Therapeut in den Mittelpunkt, nicht die negativen Erwartungen. Ich bin der Überzeugung, dass, wenn Patienten sich wohl- und aufgehoben fühlen, sich beides direkt auf den Behandlungserfolg und auf etwaige Nebenwirkungen sowie auf das Immunsystem und die Wundheilung auswirkt.

Neben der Kenntnis von Nocebo-Effekten ist es, wie eingangs erwähnt, wichtig zu berücksichtigen, dass Menschen in (gefühlten) Extremsituationen wie einer Zahnbehandlung bei Angst und Schmerz in einen natürlichen Trancezustand gehen. Dieser macht sie noch aufmerksamer und empfindlicher für Negativsuggestionen, kann aber andererseits für effektive positive Suggestionen genutzt werden.

Um die Patientenzufriedenheit zu erhöhen, sollte man also ...

  • Negativsuggestionen und Nocebo-Effekte vermeiden: seine Worte sorgfältig wählen und starke Negativworte wie Schmerz, Stich, Brennen vermeiden: „Ich beginne jetzt mit der lokalen Betäubung“ statt „Das sticht jetzt mal“. Negationen können starke Negativworte nicht löschen, daher positiv ausdrücken: „Ich gebe Ihnen etwas, damit Sie sich wohler fühlen“ und nicht „damit Sie KEINE Schmerzen haben“.

  • Placebo-Effekte nutzen: Jede zahnmedizinische Intervention sollte von Worten begleitet werden. Positive Erwartungen entstehen, wenn diese Ankündigung mit Bedeutung (für den Patienten) verknüpft wird: „Ich gebe Ihnen diesen Eisbeutel, damit es für Sie angenehmer ist."

  • Bedeutungsthemen ansprechen: Begleitung, Wohlbefinden, Informationen und Anleitung, Kontrolle, Sicherheit, Respekt, Heilung: „Wir haben den Zahn eröffnet und der Druck lässt nun nach, die Heilung hat bereits begonnen.“

Das Gespräch führte Dr. Nikola Lippe.

Literaturliste

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