Worauf ist beim Sabbatical zu achten?
Der Begriff Sabbatical stammt aus den USA, ist vom hebräischen „schabbat“ (deutsch „aufhören, ruhen“) abgeleitet und wurde zunächst von Professoren an US-Universitäten als Begriff für ein Forschungs- oder Freisemester verwendet. Heute wird der Begriff Sabbatical oder das eingedeutschte Sabbatjahr immer häufiger durch die Formulierung „gap year“ abgelöst, der jedoch auch eine Auszeit von Abiturientinnen und Abiturienten bis zur Aufnahme des Studiums oder der Ausbildung beschreiben kann. An europäischen Hochschulen sind Sabbaticals seit den 1990er-Jahren möglich und werden zunehmend in Anspruch genommen. Parallel entwickelten sich analoge Regelungen in der Wirtschaft, insbesondere in größeren Unternehmen.
Einer nicht repräsentativen Befragung des ifo-Instituts [Freuding et al., 2023] zufolge sind solche Auszeiten von bis zu einem Jahr in einem Viertel von 630 befragten Unternehmen möglich. In der Mehrheit der Unternehmen (59 Prozent) ist dies jedoch nicht möglich.
Überraschender sei, schreiben die Forschenden, dass 17 Prozent der Personalchefs die Maßnahme des Sabbaticals „nicht bekannt“ ist. Der Vergleich der Unternehmensgrößen zeige aber deutlich: Je größer ein Unternehmen ist, desto eher wird ein Sabbatical ermöglicht. So bietet mehr als die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und jedes vierte Unternehmen mit 250 bis 499 Beschäftigten eine unbezahlte Auszeit an (Grafik).
Der Anteil der Menschen, die das Angebot nutzen, sei jedoch gering. Er liegt laut Befragung bei unter einem Prozent. Nehmen Beschäftigte eine Auszeit, hat diese laut Umfrage durchschnittlich eine Länge von 99 Tagen. Die Dauer ist bei Angestellten im Handel mit 127 Tagen am höchsten, gefolgt von der Industrie mit 117 Tagen und dem Dienstleistungssektor mit 87 Tagen. Fazit der Forschenden: Auch wenn Sabbaticals in Unternehmen nur wenig genutzt werden, bieten sie Angestellten sehr flexible Möglichkeiten, eine längere Auszeit einzulegen. „Und dabei ist es nicht notwendig den Job zu kündigen – was in Zeiten des Arbeitskräftemangels von sehr großer Bedeutung ist.“
Die Einführung von Sabbaticals könne auch für Arbeitgeber diverse Vorteile mit sich bringen, erklärt der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA). Arbeitnehmende erhielten die Gelegenheit, neue Fähigkeiten und Erfahrungen zu sammeln und gleichzeitig Abstand vom Berufsalltag zu gewinnen, argumentiert er. Auch könne die Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen durch ein Sabbatical verbessert werden, was die Bindung der Mitarbeitenden ans Unternehmen stärke. Unternehmen könnten außerdem ihre Attraktivität als Arbeitgebende steigern, indem sie ihren Mitarbeitenden eine ausgewogene Work-Life-Balance ermöglichen.
Auf welche Position ist die Rückkehr möglich?
Bei der vertraglichen Ausgestaltung eines Sabbaticals seien allerdings verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, erklärt Görzel. Die wichtigsten sind:
die mögliche Dauer der Sabbatical-Phase
die Methode, wie die Arbeitszeit für die Auszeit angespart wird
Regelungen zur Vergütung während der Maßnahme
Außerdem sollte immer geklärt werden, welche Position und Aufgaben der Arbeitnehmer nach seiner Rückkehr übernimmt und wie mögliche Vorbereitungen für den Fall einer vorzeitigen Rückkehr getroffen werden können, erklärt der Arbeitsrechtler. Selbst bei einer vorzeitigen Beendigung eines Sabbaticals, beispielsweise aufgrund außergewöhnlicher Umstände wie etwa der Corona-Pandemie, können rechtliche Regelungen relevant sein.
Was die Umsetzung betrifft, existieren verschiedene Wege – eine sozialversicherte Freistellung, wenn vorab ein Arbeitszeitguthaben angespart wurde, oder unbezahlter Urlaub. Bei Letzterem erhält der Arbeitnehmer während seiner Auszeit keine Vergütung und es werden keine Sozialversicherungsbeiträge eingezahlt. Darum muss sich der/die Arbeitnehmende dann selbst kümmern. Diese Form wird laut ifo-Umfrage von 67 Prozent aller Unternehmen angeboten, von den Beschäftigten aber nur für kurze Auszeiten (durchschnittlich zehn Tage) genutzt.
Für eine sozialversicherte Freistellung gibt es drei Möglichkeiten: Beschäftigte können erstens auf einem Langzeitkonto Überstunden und Urlaubstage ansparen und dieses Arbeitszeitguthaben dann nach Absprache mit dem Arbeitgeber an einem Stück einlösen.
Zweitens die Möglichkeit, per Lohnverzicht oder im sogenannten Teilzeitmodell ein Guthaben anzusparen. Beim Lohnverzicht wird in der Ansparphase nur ein vorher festgelegter Teil des Gehalts ausbezahlt. So kann zum Beispiel ein Sabbatjahr über vier Jahre angespart werden, wenn bis dahin nur vier Fünftel des Gehalts bezogen werden. Im fünften Jahr wird das Gehalt dann einfach weitergezahlt. Das Teilzeitmodell läuft sehr ähnlich ab: Hier vereinbaren beide Parteien vor dem Sabbatical ein Arbeitszeitmodell, in dem der Beschäftigte zwar voll arbeitet, aber formal nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Im Sabbatical bezieht er dann weiterhin das Teilzeitgehalt, jedoch ohne dass dafür gearbeitet werden muss.
Das dritte Modell, das dem Langzeitkonto ähnelt, ist das Zeitwertguthaben. Hierbei können Überstunden, aber auch Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld oder Boni für eine Auszahlung im Sabbatzeitraum angespart werden. Der Vorteil für die Beschäftigten: Sie können schneller ihr Guthaben ansparen als durch Überstunden allein.
Fest steht: Die Vereinbarung sollte aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen schriftlich getroffen werden und alle wesentlichen Punkte enthalten. Dazu gehören auch:
Regelungen zur Urlaubsentstehung während des Sabbaticals,
Regelung zur Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit,
Versicherungen,
betriebliche Altersversorgung
andere Sonderleistungen des Arbeitgebers
Eine Menge Arbeit für beide Parteien – aber wie hoch ist eigentlich die Nachfrage? Dazu gibt es bislang nur wenige, nicht repräsentative Untersuchungen. 2016 etwa kam eine Teilauswertung einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Fittkau Maaß (n=2.142) zu dem Ergebnis, dass mehr als vier von zehn Deutschen (43 Prozent) eine Auszeit vom Job nehmen wollen, die meisten davon (ebenfalls 43 Prozent) wünschen sich einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten. Als Top-Gründe nannten die Befragten damals den Wunsch zu reisen und mehr Zeit für sich und ihre Interessen zu haben (jeweils 57 Prozent).
Ein Boost für den Job – für die Gesundheit eher nicht
Ein viel zitierter Hinweis zur möglichen Nachfrage in Deutschland ist eine Befragung, die die Viking Office Deutschland GmbH 2021 veröffentlichte. Ergebnis: Von 514 Befragten sagten 89 Prozent, dass sie sich ein Sabbatical wünschen. Auch hier gab die Mehrheit (62 Prozent) an, die Auszeit zum Reisen nutzen zu wollen. Zur exakten Fragestellung und zur Methodik der eigenen Untersuchung schweigt sich der Versandhändler von Bürobedarf jedoch aus.
Eine Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung [Pfahl et al., 2020] war ein Jahr zuvor zu dem Schluss gelangt, dass (Kurzzeit-)Sabbaticals zwischen vier Wochen und einem Jahr Länge hervorragend geeignet sind, um über den jährlichen Bildungsurlaub hinaus an Weiter- oder Fortbildungen teilzunehmen. Vor allem junge, gut ausgebildete Frauen könnten von der Maßnahme profitieren, sollte der Anspruch gesetzlich verankert werden, so die Forschenden.
Ob sich mit einem Sabbatical Stress reduzieren lässt oder präventiv etwas für die Gesundheit getan werden kann, bleibt offen. 2013 widmete sich eine Studie der Universität Siegen mit 126 Lehrerinnen und Lehrern, die ein Sabbatjahr absolvierten, dem Thema und zeigte einen positiven Effekt auf den Gesundheitszustand – der aber nicht lange anhielt. Die positiven Effekte waren bereits ein halbes Jahr nach der Auszeit wieder verschwunden.
Literaturliste
Julia Freuding, Johanna Garnitz, Daria Schaller: Sabbatjahr und Bildungsurlaub als Chancen für die Unternehmen beim Personalmanagement, ifo Institut, München, 2023ifo Schnelldienst, 2023, 76, Nr. 04, 70-74, www.ifo.de/publikationen/2023/aufsatz-zeitschrift/sabbatjahr-und-bildungsurlaub
Svenja Pfahl, Stefan Reuyß, Esther Mader: Auszeiten – Rauszeiten. Erfahrungen mit (Kurzzeit-)Sabbaticals und Vorschläge für ihre zukünftige Gestaltung. Hg.: Hans Böckler Stiftung, Working Paper, Forschungsförderung 170/2020, Düsseldorf, www.boeckler.de/fpdf/HBS-007590/p_fofoe_WP_170_2020.pdf