Anwendungen von PRF in der regenerativen Parodontalchirurgie
Regenerative parodontalchirurgische Operationen unter Einsatz von Membranen, Schmelzmatrixproteinen (EMD) oder bestimmten Knochen(ersatz)materialien werden als bevorzugte Methode der Wahl zur Therapie von tiefen Taschen in Verbindung mit vertikalen Knochendefekten (≥ 3 mm), die nach den Therapiestufen 1 und 2 fortbestehen, empfohlen. Seit längerer Zeit sind auch autologe Blutplättchenkonzentrate Gegenstand klinischer Forschung. Dabei wird patienteneigenes Venenblut durch Zentrifugation aufbereitet und bestimmte Fraktionen, die Wachstumsfaktoren enthalten, werden in konzentrierter Form zur Unterstützung der Wundheilung und Regeneration in den OP-Bereich eingebracht.
Zunächst erforderte die Herstellung dieser Konzentrate den Einsatz von zumeist bovinen Antikoagulanzien. Somit waren diese Thrombozytenkonzentrate, bekannt als Platelet-Rich Plasma (RPP) oder Platelet-Rich in Growth Factors (PRGF), nicht rein autolog und zeigten auch andere Nachteile. Eine Fortentwicklung der Zentrifugationsverfahren kommt ohne Antikoagulanzien aus und erlaubt die Herstellung eines fibrindichten Blutkoagels, welches Thrombozyten und Leukozyten beinhaltet und eine langsamere Freisetzung von Wachstumsfaktoren ermöglicht. Bekannt unter der Bezeichnung Platelet-Rich Fibrin (PRF) hat dieses Verfahren eine breite Anwendung in vielen medizinischen Indikationen – auch in der Zahnmedizin (siehe zm 15-16/2022) – gefunden. So ist es nicht verwunderlich, dass mittlerweile auch eine große Zahl von klinischen Studien das Potenzial von PRF in der parodontalen Regeneration untersucht hat. Eine internationale Autorengruppe hat nun die aktuelle Datenlage gesichtet und eine systematische Übersicht mit umfangreichen Metaanalysen zu den klinischen Behandlungsergebnissen mit PRF bei vertikalen parodontalen Defekten angefertigt und publiziert.
Material und Methode
Die fokussierte Frage lautete: „Wie effektiv ist die Anwendung von PRF allein oder in Kombination mit anderen Biomaterialien bei der regenerativen Parodontalchirurgie im Vergleich zum alleinigen Zugangslappen oder zu anderen regenerativen Techniken bei Patienten/Zähnen mit vertikalen parodontalen Defekten?“
Die Einschlusskriterien umfassten randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) von mindestens sechs Monaten Dauer, in denen die klinischen Ergebnisse der Verwendung von PRF im Rahmen einer Zugangslappenoperation mit denen anderer chirurgischer Modalitäten verglichen wurden. Die Studien wurden entsprechend der jeweiligen Vergleiche wie folgt in 21 Kategorien und in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt:
Gruppe I: (1) Zugangslappen (OFD) allein gegenüber OFD/PRF, (2) OFD versus Titanium-PRF (T-PRF)
Gruppe II: (3) Vergleichende PRF-Protokolle (PRF vs. T-PRF)
Gruppe III (Vergleichende Studien zu PRF): (4) OFD/PRP versus OFD/PRF, (5) OFD/Knochentransplantat (BG)/PRGF versus OFD/BG/PRF, (6) OFD/EMD versus OFD/PRF, (7) OFD/BG/EMD versus OFD/BG/PRF, (8) OFD/Kollagenmembran (CM) versus OFD/PRF, (9) OFD/BG/Barriere-Membran (BM) versus OFD/BG/PRF, (10) OFD/BG gegen OFD/PRF
Gruppe IV (Zugabe von PRF zu den Behandlungsgruppen): (11) OFD/BG versus OFD/BG/PRF, (12) OFD/GTR versus OFD/GTR/PRF, (13) OFD/EMD versus OFD/EMD/PRF, (14) OFD/BG/BM versus OFD/BG/BM/PRF
Gruppe V (Zugabe von Biomaterial/Biomolekül zu PRF): OFD/PRF versus (15) OFD/PRF/BG, (16) OFD/PRF/Antibiotikum, (17) OFD/PRF/Metformin, (18) OFD/PRF/Bisphosphonate, (19) OFD/PRF/Statine, (20) OFD/BG/PRF versus OFD/BG/PRF/Statine und (21) OFD/PRF/Low-Level-Lasertherapie (LLLT)
Es wurden gewichtete Mittelwerte und Forest Plots für die Reduktion der Sondierungstiefe (PPD), den klinischen Attachment- (CAL) und den Knochengewinn (RBF) berechnet. Die Verzerrungspotenziale der einzelnen Studien wurden mit dem Cochrane Risk of Bias (RoB2-)Tool bewertet.
Ergebnisse
Nach umfangreichen Literaturrecherchen in verschiedenen Datenbanken und anschließendem Abstract- und Volltext-Screening konnten 55 RCTs mit insgesamt über 1.000 Patienten eingeschlossen werden. Im Ergebnis führte die Verwendung von OFD/PRF zu statistisch signifikanter Reduktion von PPD und verbesserten CAL und RBF im Vergleich zu OFD. Dies basierte auf der Auswertung von 22 Studien (über 400 Patienten), von denen fünf ein niedriges, 16 ein unklares und eine ein hohes Verzerrrungspotenzial aufwiesen. Keine Vorteile für OFD/PRF fanden sich, wenn es mit entweder OFD/PRP, OFD/EMD, OFD/BM oder OFD/BG verglichen wurde. Die Zugabe von PRF zu OFD/BG führte nach Analyse von 17 vergleichenden Studien zu signifikanten Verbesserungen von PPD, CAL und RBF im Vergleich zu OFD/BG allein. Die Zugabe eines BG oder eines der Biomoleküle Metformin, Bisphosphonate, Statine zu OFD/PRF führte zu statistisch signifikanten Verbesserungen von PPD, CAL und/oder RBF im Vergleich zu OFD/PRF allein, allerdings wurde dies nur in sehr wenigen Studien untersucht.
Diskussion
Als wesentliches Ergebnis der vorliegenden systematischen Übersicht gibt es eine umfassende Datenbasis mit deutlicher Evidenz dafür, dass die Verwendung von PRF zu signifikant verbesserten, klinischen Ergebnissen bei vertikalen parodontalen Defekten im Vergleich zur alleinigen Zugangslappenoperation führen kann. Das Ausmaß dieses zusätzlichen Gewinns fällt dabei vergleichbar zu dem mit den bisher empfohlenen regenerativ wirksamen Biomaterialien erzielten Gewinn aus. Dies zeigt sich auch bei Analyse derjenigen Studien, die einen direkten Vergleich von PRF mit den etablierten regenerativen Verfahren angestellt hatten.
Ist also damit zu rechnen, dass PRF in einer demnächst anstehenden Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Therapie der Parodontitis in die Liste der regenerativ wirksamen Verfahren aufgenommen werden wird? In der vorliegenden Publikation wird zurecht darauf hingewiesen, dass dafür überzeugende 12-Monatsdaten vorliegen müssen. Dies ist allerdings nur für acht der insgesamt 55 Studien der Fall, da alle anderen Studien über einen postoperativen Zeitraum von nur sechs bis maximal neun Monaten berichteten. Außerdem – und auch darauf weist die vorliegende Arbeit hin – fehlen bislang Daten aus humanhistologischen Untersuchungen, die belegen, dass der Einsatz von PRF tatsächlich zu einer echten parodontalen Regeneration führt. Auch gibt es bislang noch keine belastbaren Daten zu patientenbezogenen Endpunkten (etwa Patientenzufriedenheit, postoperative Komplikationen, Schmerzen) sowie zu Kosten-Nutzen-Analysen. Eine weitere interessante Beobachtung der vorliegenden Arbeit war, dass es offenbar bisher noch keine standardisierten Zentrifugationsprotokolle gibt und hier ebenfalls weiterer Forschungsbedarf besteht.
Bedeutung für die Praxis
Als Fazit für die klinische Praxis kann gefolgert werden:
Mittlerweile liegen überzeugende Daten dafür vor, dass die klinischen Ergebnisse einer Zugangslappenoperation zur Therapie von vertikalen parodontalen Knochendefekten durch den Einsatz von PRF signifikant verbessert werden können.
Die Ausmaße dieser zusätzlichen Verbesserungen entsprechen denjenigen, die mit den bisher durch die S3-Leitlinie empfohlenen regenerativen Biomaterialien erzielt werden.
Es gibt bislang nur wenige 12-Monats- und keine Langzeitdaten, keine standardisierten Protokolle und keine humanhistologische Evidenz.
Die Applikation autolog gewonnener Wachstumsfaktoren zur Verbesserung der parodontalen Wundheilung und Geweberegeneration ist unter vielen Gesichtspunkten (zum Beispiel der Sicherheit) potenziell sehr attraktiv, allerdings stehen Kosten-Nutzen-Kalkulationen und Daten zur Patientenakzeptanz noch aus.
Die Studie:
Miron RJ, Moraschini V, Estrin N, et al. Autogenous platelet concentrates for treatment of intrabony defects – A systematic review with meta-analysis. Periodontology 2000. 2024;00:1-38. doi:10.1111/prd.12598.