Offener Brief an die Bundesregierung

2.000 Ärzte fordern Maßnahmen gegen Fehlernährung

ck/pm
Gesellschaft
Mehr als 2.000 Ärzte fordern von der Bundesregierung wirksame Maßnahmen gegen Fehlernährung. Es sei höchste Zeit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und die zuständigen Minister „ernst machen“ mit der Prävention von Fettleibigkeit, Diabetes und anderen chronischen Krankheiten, heißt es in dem offenen Brief, den ein breites Bündnis aus 15 Ärzteverbänden, Fachorganisationen und Krankenkassen unterstützt.

In dem Brief fordern die Mediziner vier konkrete Maßnahmen gegen Fehlernährung:

Eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung in Form einer Nährwert-Ampel,

Beschränkungen der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung,

verbindliche Standards für die Schul- und Kitaverpflegung

sowie steuerliche Anreize für die Lebensmittelindustrie, gesündere Rezepturen zu entwickeln – etwa durch eine Sonderabgabe auf gesüßte Getränke.

Unter den Unterzeichnern sind allein mehr als 1.300 Kinder- und Jugendärzte, 222 Diabetologen und 58 Professoren der Medizin.

Mehr als 1.300 Kinder- und Jugendärzte, 222 Diabetologen und 58 Professoren der Medizin haben unterschrieben

Das Schreiben wurde heute auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt. Die Unterschriftenaktion hatte foodwatch, die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ins Leben gerufen.


Zahlreiche Fachorganisationen schlossen sich an: die Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, die Deutsche Adipositas Gesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, die Deutsche Herzstiftung, die Diakonie Deutschland, die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden, der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe, der AOK-Bundesverband und die Techniker Krankenkasse.


„Vermisst jemand von Ihnen in Restaurants die Raucher? Ich nicht. Ging das Abendland unter? Oder die freie Wirtschaft? Nein. Klare gesetzliche Rahmenbedingungen zur Prävention helfen uns allen, gesünder zu bleiben. Seit Jahren wird politisch gestritten und privat zugenommen. Gesundheit ist ein Mix aus Eigenverantwortung, Aufklärung und gesellschaftlichen Regeln. Deshalb ist es höchste Zeit für wirksame Zuckersteuer, konsequente Werbeverbote und eine sinnliche und humorvolle Vermittlung von Gesundheitskompetenz in den Schulen. Zucker-Getränke sind keine Durstlöscher, sondern Dickmacher. Wenn nur noch halb so viel Zucker in Limonade drin ist, bleibt sie immer noch süß. Und niemand wird etwas vermissen. Wetten?“

Eckart von Hirschhausen, Arzt und Wissenschaftsjournalist

Laut Robert Koch-Institut gelten 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland als übergewichtig oder adipös.


15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind übergewichtig oder adipös!


Im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren hatte der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent zugenommen, der Anteil adipöser Kinder hatte sich verdoppelt. Im letzten Jahrzehnt sind diese Zahlen nicht weiter angestiegen, haben sich jedoch auf dem hohen Niveau stabilisiert.

„Den Tsunami der Lebensstilerkrankungen kann man nicht mit kosmetischen Maßnahmen stoppen. Die Bundesregierung sollte endlich umsetzen, was Weltgesundheitsorganisation und Fachleute seit Jahren fordern: Die gesunde Wahl muss zur einfachen Wahl werden. Dazu gehören eine verständliche Lebensmittel-Ampel und eine Abgabe auf gesüßte Getränke.“

Dietrich Garlichs, Beauftragter des Vorstands der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)

Bei Erwachsenen gelten 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen als übergewichtig sowie 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen als adipös. Besorgniserregend sind auch die Zahlen der Diabetes-Erkrankungen: In Deutschland leben derzeit 6,7 Millionen Menschen mit Diabetes – eine Steigerung um etwa 38 Prozent seit Beginn des Jahrtausends, altersbereinigt um etwa 24 Prozent.


Dass die „Kehrtwende in der Adipositas-Epidemie“ nicht mithilfe „freiwilliger Selbstverpflichtungen der Lebensmittelwirtschaft“ gelingen werde, zeige etwa die „Erfahrung beim Thema an Kinder gerichtete Werbung“, erklärten die Autoren des Offenen Briefs. Die von der Bundesregierung geplante Strategie zur freiwilligen Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln sei „zwar begrüßenswert“, der zu erwartende Effekt jedoch „sehr begrenzt“.

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