Ohne entsprechende vertragliche Regelung gilt

Arbeitnehmer haben Recht auf Nichterreichbarkeit

mg
Recht
Wenn der Chef im Urlaub oder Feierabend noch eine Information benötigt oder Aufgabe erledigt haben will, ist er vom guten Willen seines Mitarbeitenden abhängig. Denn der muss außerhalb der Arbeitszeit im Normalfall nicht erreichbar sein.

Grundsätzlich komme es bei der Erreichbarkeit darauf an, was im Arbeitsvertrag geregelt ist, erklärt Volker Görzel, Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht und Leiter des Fachausschusses „Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung“ des Verbands deutscher ArbeitsrechtsAnwälte (VDAA).

Sind im Arbeitsvertrag bestimmte Arbeitszeiten vereinbart, so muss der Arbeitnehmer im Grundsatz auch nur dann erreichbar sein. Das heißt für den Arbeitnehmer, dass er in seiner Freizeit – also auch während seines Urlaubs – nicht verpflichtet ist, erreichbar zu sein, es sei denn, etwas anderes ist vertraglich – und in zulässiger Weise – vereinbart.

Auch Führungskräfte sind Arbeitnehmer

So entschied auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein und bezeichnete das Recht auf Nichterreichbarkeit als eines der vornehmsten Persönlichkeitsrechte, schreibt der VDAA.

Dabei gilt: Auch Führungskräfte sind nach deutschem Recht Arbeitnehmer. Daraus ergibt sich, dass auch sie im Grundsatz nur während ihrer Dienstzeit erreichbar sein müssen. In der Regel erfüllen Führungskräfte auch in ihrer Freizeit dienstliche Aufgaben, dann aber oftmals freiwillig, gibt Görzel zu bedenken.

Wenn es keine Pflicht zur dauerhaften Erreichbarkeit des Arbeitnehmers gibt, dann kann die Nichterreichbarkeit in der Freizeit auch keine Pflichtverletzung sein. Dementsprechend haben Arbeitnehmer im Grundsatz auch keine – ordentliche oder außerordentliche – Kündigung zu befürchten. Etwas anderes gilt dann, wenn eine Erreichbarkeit im Arbeitsvertrag verankert ist. In dem Fall kommt es in der Regel aber auch nicht sofort zu einer verhaltensbedingten Kündigung. Denn diese wäre im Grundsatz ohne vorherige Abmahnung unwirksam.

Der europäische Gesetzgeber wird aktiv

Bereits am 21. Januar 2021 beschloss das Europäische Parlament einen legislativen Initiativbericht und forderte die Kommission auf, eine entsprechende Richtlinie, die ein Recht auf Nichterreichbarkeit beinhaltet, auf den Weg zu bringen, berichtet der VDAA. Dabei hatten die Abgeordneten vor allem den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer im Blick, die durch ständige Erreichbarkeit unter Druck geraten. Eine entsprechende Richtlinie müsste allerdings noch verabschiedet und von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Az.: 1 Sa 39 öD/22
Urteil vom 27. September 2022

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