Studie zu kosmetische Eingriffen in Großbritannien

Botox-Injektionen: Zwei Drittel der Behandler sind keine Ärzte

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Zahnmedizin
Eine Studie hat erstmals erhoben, wer in Großbritannien kosmetische Injektionsbehandlungen – Botulinumtoxin und Dermal Fillers – durchführt. Ergebnis: 68 Prozent der Behandler sind keine Ärzte.

Da bis dato nur wenig über Qualifikation, Ausbildung und Erfahrung der Behandler bekannt war, werteten die Forscher vom Department of Plastic Surgery am University College London insgesamt 3.000 Websites aus, dabei ermittelten sie 1.224 unabhängige Kliniken und 3.667 Ärzte, die kosmetische Injektionen mit Botox durchführen. Von den vertretenen Berufsgruppen waren 32 Prozent Ärzte, 13 Prozent Krankenschwestern, 24 Prozent Zahnärzte und 8 Prozent Zahnarzthelferinnen.

Von den 1.163 identifizierten Ärzten waren 41 Prozent im Facharztregister und 19 Prozent im Hausarztregister eingetragen. Unter den 27 Fachgebieten, die im Facharztregister vertreten waren, bildete die plastische Chirurgie mit 37 Prozent die größte Gruppe, gefolgt von der Dermatologie mit 18 Prozent. In einer ersten Studie vom 3. Juli hatten die Autoren bereits herausgefunden, dass 69 Prozent der teilnehmenden Patienten lang anhaltende unerwünschte Wirkungen wie Schmerzen, Angstzustände und Kopfschmerzen infolge der Injektionen erlebt hatten.

„Die chemischen Inhalte von Fillern werden nicht besser kontrolliert als eine Flasche Bodenreiniger!“

Der britische Markt für Injektionspräparate wird den Wissenschaftlern zufolge bis 2026 voraussichtlich einen Wert von 11,7 Milliarden Pfund erreichen, ist aber praktisch nicht reguliert. So gibt es im Vereinigten Königreich keine gesetzliche Regelung für die Durchführung private Schönheitsoperationen. Das heißt, es existiert auch keine offizielle Stelle, die die Verabreichung von Injektionsmitteln überwacht. Die Anbieter sind lediglich verpflichtet, freiwillig Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ihre Dienstleistungen ordnungsgemäß erbracht werden.

Schon 2013 kritisierte der National Health Service in einem Report den Wildwuchs unter den Anbietern und die geringen Qualitätsstandards in den Verfahren und Zulassungen der Produkte. Allen voran sei das Aufpolstern von Gesichtspartien durch Filler, Botox-Injektionen und Laserbehandlungen am gefährlichsten. Diese Eingriffe seien praktisch unreguliert und bräuchten dringend einen neuen Rechtsrahmen, heißt es in dem Bericht. Der damalige NHS-Direktor Sir Bruce Keogh zeigte sich überrascht davon, „dass heutzutage jeder als nicht-chirurgische Praktiker tätig werden kann, ohne dass je die dafür erforderliche fachliche Eignung offiziell überprüft und bestätigt worden wäre. Die chemischen Inhalte von Fillern werden nicht besser kontrolliert als eine Flasche Bodenreiniger!“

Derzeit sollen zwar alle Komplikationen im Zusammenhang mit Botulinumtoxin der Medicines Health Regulatory Agency (MHRA) gemeldet werden, die für die Erfassung von Komplikationen im Zusammenhang mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zuständig ist. Den Forschern zufolge werden diese Gefahren jedoch erheblich unterschätzt. Außerdem werden Dermalfüller von der MHRA derzeit als Medizinprodukt und nicht als Arzneimittel eingestuft und müssen daher nicht offiziell im Rahmen des Systems gemeldet werden.

Im November 2015 veröffentlichte die Health Education England den Leitfaden "Qualifikationsanforderungen für die Durchführung kosmetischer Eingriffe (Non-surgical cosmetic interventions and hair restoration surgery), mit Anforderungen für Behandler, die nicht-chirurgische Eingriffe wie Botulinumtoxin und Dermal Fillers durchführen. Kürzlich hat auch das Royal College of Surgeons ein Zertifizierungssystem für kosmetische Chirurgie eingeführt, wonach ein Arzt bestimmte Kriterien erfüllen muss, bevor er in das Register aufgenommen wird.

2022 diskutierte die Politik die Health & Care Bill, die die Einführung eines obligatorischen Zulassungssystems für Botox- und Filler-Anbieter im Vereinigten Königreich vorsieht. Aktuell bereitet die Regierung eine Gesetzesaktualisierung für Injektionspräparate vor. Im August soll eine öffentliche Anhörung dazu stattfinden, es wird erwartet, dass die Empfehlungen 2024 in eine Änderung des Medizingesetzes einfließen werden.

"Auf dem britischen Markt für kosmetische Injektionsmittel gibt es gut dokumentierte, aber bisher unbewältigte Probleme", erläutert Mitautor Dr. David Zargaran. "Ohne Kenntnisse über den beruflichen Hintergrund der Behandler können wir die Branche nicht angemessen regulieren. Unsere Untersuchung zeigt, dass die Mehrheit der Behandler keine Ärzte sind, sondern auch andere Fachleute aus dem Gesundheitswesen und Berufsgruppen wie Kosmetikerinnen."

Die unterschiedlichen Hintergründe werfen Zargaran zufolge die Frage nach Kompetenz und Zustimmung auf. Eine der größten Herausforderungen für ein Zulassungssystem bestehe darin, sicherzustellen, dass die Praktiker über die erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, um ihre Behandlung sicher durchzuführen und die Risiken für die Patienten zu minimieren. Zargaran: "Für die Patienten ist es wichtig, dass sie sich wohlfühlen und darauf vertrauen können, dass die Person, die ihre Behandlung durchführt, kompetent ist."

Der Markt für kosmetische Injektionsmittel ist weitgehend ohne Kontrolle oder Aufsicht

Die britische Industrie für kosmetische Injektionsmittel habe sich in den letzten Jahren rasant und weitgehend ohne Kontrolle oder Aufsicht entwickelt, betont Mitautorin Prof. Julie Davies: "Unsere Ergebnisse sollten ein Weckruf für den Gesetzgeber sein, wirksame Vorschriften und Berufsstandards einzuführen, um die Patienten vor Komplikationen zu schützen!" Obwohl die mit Injektionen verbundenen Risiken oft nur geringfügig und vorübergehend seien, könne es dauerhaft zu körperlichen Komplikationen kommen. Die Bandbreite der Risiken reiche dabei von leichten und vorübergehenden Folgen wie Blutergüssen und Schwellungen bis hin zu dauerhaften Folgen wie Erblindung und Gefäßverschlüssen. Es gebe auch schwerwiegende psychologische, emotionale und finanzielle Folgen für die Patienten, wenn Verfahren schiefgehen.

Hauptautor Prof. Ash Mosahebi bekräftigt: "Botulinumtoxine haben sowohl die ästhetischen als auch die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten revolutioniert. Es mangelt jedoch an Wissen über die möglichen Komplikationen, was zum Teil auf die fehlende Berichterstattung und die fehlenden Vorschriften für die Verabreichung zurückzuführen ist. Wir haben uns vorgenommen, das Ausmaß dieser Komplikationen zu untersuchen, um einen ersten Schritt zu einem besseren Verständnis der Probleme zu machen, damit sie angegangen werden können.

David Zargaran, Alexander Zargaran, Tom Terranova et al., Profiling UK injectable aesthetic practitioners: a national cohort analysis, Journal of Plastic, Reconstructive & Aesthetic Surgery, 2023, ISSN 1748-6815, doi.org/10.1016/j.bjps.2023.06.057.

Zargaran, D, Zargaran, A, Sousi, S, Knight, D, Cook, H, Woollard, A, et al. Quantitative and qualitative analysis of individual experiences post botulinum toxin injection - United Kingdom Survey. Skin Health Dis. 2023;e265. doi.org/10.1002/ski2.265

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