Bundestag verlängert epidemische Lage von nationaler Tragweite
Mit Blick auf die weitere dynamische Ausbreitung des Coronavirus und die damit einhergehende „ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ in Deutschland sei die Voraussetzung für die Verlängerung gegeben, heißt es in dem Antrag, der von CDU/CSU und SPD eingebracht wurde.
325 Ja- und 253 Nein-Stimmen
Ihm wurde in namentlicher Abstimmung mit einer Mehrheit von 325 Abgeordneten gegen 253 Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen stattgegeben. Nach wie vor bestehe das vorrangige Ziel darin, eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit möglichst zu reduzieren und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, so der Antrag. Ohne den Beschluss wäre die epidemische Lage Ende September ausgelaufen.
In der Begründung des Beschlusses wird unter anderem darauf verwiesen, dass die Feststellung der Fortgeltung der epidemischen Lage gemäß Infektionsschutzgesetz für maximal weitere drei Monate gelten soll. „Der Deutsche Bundestag hat das Recht, die epidemische Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 Infektionsschutzgesetz vor Ablauf der drei Monate aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die epidemische Lage nicht mehr gegeben sind“, heißt es hierzu weiter.
Die Inzidenzdebatte
In der Bundestagssitzung ging es um die Inzidenzdebatte: Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung mit dem Antrag mehrheitlich auf, bis zum 30. August eine Änderung des Paragraf 28 a Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vorzubereiten.
Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz soll aufgrund des Impffortschritts nicht mehr zentraler Maßstab sein. Weil die im IfSG genannten Schwellenwerte nicht mehr aktuell seien, sollen die Schutzmaßnahmen gegen die Coronavirus-Krankheit zukünftig an der Covid 19-Hospitalisierungsrate ausgerichtet werden. Dies ist aber rechtlich noch unverbindlich, da der Antrag zunächst nur einen Arbeitsauftrag an die Bundesregierung darstellt. Neue Schwellenwerte müssten noch formell (per Gesetz) in der nächsten Sitzung des Bundestages in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen werden.
Spahn für Abkehr von der "50er-Inzidenz"
Für eine Abkehr von der „50er-Inzidenz“ hatte sich zunächst Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag ausgesprochen. Auch das „Corona-Kabinett“ habe am Montag seine Zustimmung dazu gegeben, weshalb das Bundesgesundheitsministerium in Abstimmung mit den anderen Ressorts einen Entwurf erarbeiten werde, den das Kabinett dann zügig beschließen wolle, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern auf der anschließenden Bundespressekonferenz.
Regierung versus Opposition und umgekehrt
In der Debatte befand Spahn, dass die Coronakrise trotz der fortgeschrittenen Impfungen und der umfangreichen Tests noch nicht überstanden sei. Sprecher der Opposition hielten der Bundesregierung hingegen vor, wichtige Weichenstellungen im Kampf gegen die Pandemie verpasst zu haben und die Sonderrechte in der Gesundheitskrise unverhältnismäßig auszudehnen.
Spahn wies die Kritik zurück und stellte die bisher erreichten Erfolge in der Coronakrise heraus. Noch nie seien so wirksame Impfstoffe so schnell entwickelt worden. Die größte Impfaktion in der Geschichte der Bundesrepublik sei ein Erfolg.
Auch die SPD-Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas ging auf den Impffortschritt ein, dem es zu verdanken sei, „dass wir mehr Freiheiten zurückgewonnen haben“. Es gehe jetzt darum, die Impfkampagne weiter voranzutreiben, sagte sie.
Alexander Dobrindt (CDU/CSU) erklärte, es gehe um eine Balance zwischen Sicherheit und Eigenverantwortung. Das Infektionsgeschehen sei nach wie vor dynamisch, daher werde eine Verlängerung der epidemischen Lage gebraucht.
Tino Chrupalla (AfD) hingegen monierte, es mangele der Regierung an stringenten Konzepten. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) unterstrich, dass ihre Fraktion eine Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage schon länger eingefordert habe. Eine nochmalige Verlängerung wäre verbunden mit der Fortführung der „automatischen und undifferenzierten Grundrechtseingriffe“.
Jan Korte (Die Linke) wertete den Antrag der Koalitionsfraktionen als „Beweis für das Scheitern der Politik der Bundesregierung“, die auch den zweiten Pandemie-Sommer „vollständig verpennt“ habe.
Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, ihre Fraktion habe im Verlauf der Krise der Verlängerung der epidemischen Lage zugestimmt, weil es sonst keine ausreichende Rechtsgrundlage gegeben hätte. Es sei aber höchst problematisch, Sonderrechte zu vergeben.