Zahnanalysen zeigen

Der Große Panda war nicht immer vegan

br
Zahnmedizin
Der heutige Große Panda ernährt sich rein pflanzlich. Seine Vorfahren waren dagegen ernährungsseitig flexibler. Das haben jetzt Untersuchungen an Zähnen eines urzeitlichen Bären aus dem Allgäu ergeben.

In einer Grube bei Pforzen im Allgäu, der sogenannten Hammerschmiede, führen die Universität Tübingen und das Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment seit 2011 wissenschaftliche Grabungen durch. Die einzige Bärenart aus der etwa 11,5 Millionen Jahre alten Fundstelle im Allgäu war ein Verwandter des Großen Pandas, auch Riesenpanda genannt, seine Ernährung ähnelte jedoch eher der pflanzlich-tierischen Mischkost heutiger Braunbären. Das hat ein internationales Forschungsteam aus Hamburg, Frankfurt, Madrid und Valencia unter der Leitung von Professorin Madelaine Böhme vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen festgestellt. Zur Untersuchung dieser Funde sind zwei Publikationen in den Fachjournalen Papers in Palaeontology und Geobios erschienen.

Was die Zähne verraten

Die Bärenart aus der Hammerschmiede mit dem Namen Kretzoiarctos beatrix wird als ältester Verwandter des modernen Großen Pandas angesehen, weil die Form und Gestalt seiner Zähne Ähnlichkeiten mit denen des chinesischen Bären aufweist, der sich fast ausschließlich von Bambus ernährt. Kretzoiarctos beatrix war kleiner als moderne Braunbären, wog aber mehr als 100 Kilogramm. „Die heutigen Großen Pandas gehören in der zoologischen Systematik zu den Fleischfressern.

Tatsächlich ernähren sie sich aber ausschließlich von Pflanzen. Sie haben sich auf harte pflanzliche Nahrung, insbesondere Bambus spezialisiert“, berichtet Dr. Nikolaos Kargopoulos von der Universität Tübingen und der University of Cape Town, der Erstautor der neuen Studien. Wissenschaftlich interessant sei, wie sich bei ursprünglichen Fleischfressern eine Anpassung an eine solch extreme pflanzliche Ernährungsweise entwickelte.

In einer ersten Studie untersuchte das Forschungsteam die Ernährung von Kretzoiarctos anhand der Makro- und Mikromorphologie der gefundenen Zähne. Auf der Makroebene ändert sich die Form der Zähne je nach ihrer Rolle bei der Nahrungsverarbeitung, was Aufschluss über die allgemeine Hauptnahrung eines Tieres gibt. Auf der Mikroebene der Zahnoberfläche kann man Kratzer und Grübchen erkennen, die durch Kontakt von Nahrungspartikeln mit dem Zahn verursacht werden. „Die Merkmale dieser Oberflächenveränderungen können Aufschluss über die Ernährungsgewohnheiten eines Tieres während eines kurzen Zeitraums vor seinem Tod geben“, sagt der Wissenschaftler.

Das Forschungsteam verglich die Makro- und Mikromorphologie der Zähne von Kretzoiarctos mit Braunbären, Eisbären, südamerikanischen Brillenbären sowie heutigen und ausgestorbenen Großen Pandas. Es kam zu dem Schluss, dass der Bär aus der Hammerschmiede weder ein Spezialist für harte Pflanzen noch ein reiner Fleischfresser wie der Eisbär war. Die Ernährung der ausgestorbenen Art ähnelte eher der eines modernen Braunbären und enthielt sowohl pflanzliche als auch tierische Bestandteile. „Diese Ergebnisse sind wichtig für unser Verständnis der Evolution von Bären und der Entwicklung des Veganismus bei den Großen Pandas. Kretzoiarctos beatrix, die ältesten Großen Pandas, waren demnach Generalisten. Eine Spezialisierung in der Ernährung der Pandas erfolgte erst spät in ihrer Evolution“, sagt Böhme.

Das Allgäu war voller Raubtiere

Die jüngsten Ausgrabungen in der Hammerschmiede haben eine außergewöhnliche Vielfalt an 166 fossilen Tierarten zutage gefördert. „Solch ein blühendes Ökosystem bietet eine Fülle von ökologischen Nischen für die darin lebenden Arten“, sagt Grabungsleiterin Böhme.

Neben dem Panda wurden bisher in der Hammerschmiede weitere 27 Raubtierarten gefunden, berichten die Forscher in einer zweiten Studie. Die Räuber reichen von winzigen, wieselartigen Tieren, die weniger als ein Kilogramm wogen, bis hin zu großen Hyänen und Säbelzahnkatzen, die mehr als 100 Kilogramm auf die Waage gebracht haben dürften.

„Ihre jeweilige Hauptnahrung deckt eine große Bandbreite ab: Es gab reine Fleischfresser wie die Säbelzahnkatzen, Fischfresser wie die Otter, Knochenfresser wie die Hyänen und Insektenfresser wie die Zibetkatze. Einige andere Arten wie Pandas und Marder ernährten sich opportunistisch von Pflanzen und Tieren unterschiedlicher Größe“, fasst Kargopoulos zusammen.

Die entdeckten Arten seien auch hinsichtlich ihrer bevorzugten Lebensräume sehr unterschiedlich: „Die Otterartigen waren gute Schwimmer, Bären, Hyänen und andere hielten sich auf dem Land auf oder lebten grabend wie die Stinktiere. Besonders viele Arten waren Baumkletterer wie die Marder, die Katzenartigen, die Schleichkatzen und die Katzenbären“, erläutert der Forscher.

„Eine derart vielfältige Raubtierpopulation ist nicht nur fossil äußerst selten; es gibt wohl auch kaum einen modernen Lebensraum mit ähnlich vielen Arten“, erklärt Böhme. Diese Artenvielfalt an der Spitze der Nahrungskette zeige, dass das Ökosystem der Hammerschmiede sehr gut funktioniert haben muss.

Publikationen:

Nikolaos Kargopoulos, Alberto Valenciano, Juan Abella, Michael Morlo,  George E. Konidaris, Panagiotis Kampouridis, Thomas Lechner, Madelaine  Böhme: The carnivoran guilds from the Late Miocene hominid locality of  Hammerschmiede (Bavaria, Germany). Geobios, https://doi.org/10.1016/j.geobios.2024.02.003

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