Drei Viertel der verletzten Zahnärzte hielten selbst das Instrument
Forschende aus Japan untersuchten Nadelstich- und Schnittverletzungen im zahnmedizinischen Kontext und stellten fest, dass das Verletzungsrisiko für die Zahnärztinnen und Zahnärzte bei wenig Berufserfahrung und bei chirurgischen Behandlungen höher ist. Nicht nur Injektionsnadeln, sondern auch im Handstück belassene Bohrer oder Ultraschall-Scaler sind demnach häufig Ursache für Verletzungen. Letztere können auch für die zahnmedizinische Assistenz ein erhöhtes Risiko bergen.
Daten von Nadelstich- oder Schnittverletzungen von Zahnärztinnen und Zahnärzten sowie zahnärztlichem Personal der Tohoku University Hospital (TUH) Japan wurden von 2002 bis 2020 gesammelt. Getestet wurde sowohl das Personal als auch die Patientinnen und Patienten, die die Kontaminationsquelle waren.Die Tests beinhalteten „Anti-HBV-Oberflächen-Antikörper (HBs), HBs-Antigen (HBsAg), HBV-Hüllantigen, Anti-HCV-Antikörper, Anti-HIV-Antikörper, Syphilis und Antikörper gegen das humane T-Zell-Leukämie-Virus Typ 1 (HTLV-1)“ [Iwamatsu-Kobayashi et al., 2023].
In den untersuchten 19 Jahren wurden insgesamt 195 Nadelstich- und Schnittverletzungen im zahnmedizinischen Kontext registriert.
Die Ergebnisse zeigen, dass Verletzungen häufiger auftraten, wenn die Zahnärztinnen und Zahnärzte wenig Berufserfahrung hatten. Von den 195 Verletzungen entfielen nur 45 Prozent auf Zahnärzte, während der Rest auf Assistenzzahnärzte, Studierende, zahnmedizinische Fachangestellte und Reinigungspersonal entfiel. Die meisten Verletzungen ereigneten sich während chirurgischer Behandlungen in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, danach folgten die allgemeine Zahnmedizin sowie der Sterilisationsbereich.
Nadelstichverletzungen treten häufiger an der linken Hand auf
Insgesamt 19 Prozent der Verletzungen wurden auf Injektionsnadeln zurückgeführt, rund 13 Prozent auf Naht-Nadeln und knapp 13 Prozent auf Ultraschall-Scaler. Die Forschenden berichten, dass bei 75 Prozent der Verletzungen die verletzte Person das Instrument selbst in der Hand hielt, während es bei 20 Prozent von einer anderen Person gehalten wurde.
Bemerkenswert ist, dass Nadelstichverletzungen häufiger an der linken Hand auftraten, während Verletzungen durch Bohrer oder Ultraschall-Scaler eher die rechte Hand, aber auch Arme und Beine betrafen. An beiden Händen waren die Innenseiten der Zeigefinger die am häufigsten verletzte Region.
Eine der Hauptursachen für Verletzungen war, dass sowohl Scaler als auch Bohrer in den Handstücken belassen wurden, während diese zurück in die Halterungen der Behandlungseinheiten gehängt wurden. Daran verletzten sich nicht nur die Zahnärztinnen und Zahnärzte selbst, sondern auch die Zahnmedizinischen Fachangestellten.
Was tun bei Nadelstichverletzungen?
Im Hygieneleitfaden des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnmedizin (DAHZ) heißt es:
„Da jeder Patient als potentiell infektiös anzusehen ist, werden nach Exposition mit Blut, Speichel oder anderen Sekreten und Exkreten folgende Empfehlungen zur Erstversorgung gegeben:
Als Sofortmaßnahme gilt bei Stich- und Schnittverletzungen durch möglicherweise kontaminierte Instrumente der Grundsatz:
Spontanen Blutfluss nicht sofort unterbinden, da potentiell infektiöses Material dadurch ausgespült wird. Sonstige Manipulationen an der Wunde nach Möglichkeit vermeiden, insbesondere Quetschen und Ausdrücken direkt im Einstichbereich, um keine Erregerverschleppung in tiefere Gewebsschichten zu begünstigen.
Anschließend die Verletzungsstelle mit reichlich Händedesinfektionsmittel benetzen.
Die weitere Versorgung muss durch einen für die Behandlung berufsbedingter Verletzungen zugelassenen Durchgangsarzt (D-Arzt) erfolgen, bei bekannter oder wahrscheinlicher HIV-Kontamination möglichst innerhalb von 2 Stunden. Anschließend muss eine Blutentnahme zur Bestimmung eventuell vorhandener Antikörper erfolgen.“
Jeder Vorfall muss dokumentiert werden!
Darüber hinaus weist der DAHZ darauf hin, dass jedes Unfallgeschehen und jede Verletzung auch immer schriftlich dokumentiert werden muss – digital oder in einem Verbandbuch (hier sollte allerdings der Datenschutz beachtet werden – jede Seite muss gesondert abgeheftet werden). „Dokumentiert werden müssen Zeit und Ort, Unfallhergang, Art und Schwere der Verletzung oder des Gesundheitsschadens. Erste-Hilfe- Maßnahmen sowie die Namen des Verletzten, von Zeugen und Erst-Helfern. Diese Angaben dienen als Nachweis, dass ein Gesundheitsschaden bei einer versicherten Tätigkeit eingetreten ist. Sind über die Erste Hilfe hinaus ärztliche Maßnahmen erforderlich, haben diese durch einen Durchgangsarzt (D-Arzt) zu erfolgen. Adressen von D-Ärzten sind auf der Seite www.dguv.de zu finden. Der nächst gelegene D-Arzt ist in den Alarmplan der Praxis aufzunehmen.
Eine Unfallanzeige (www.bgw-online.de) bei der BGW beziehungsweise bei der Unfallkasse des jeweiligen Bundeslandes (www.dguv.de), ist auf jeden Fall zu erstatten, wenn ein Arbeitsunfall oder ein Wegeunfall (zum Beispiel Unfall auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen oder den Tod eines Versicherten zur Folge hat.“
DAHZ
Die Forschenden gehen davon aus, dass alle Verletzungen ausnahmslos gemeldet wurden, da alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikums durch eine Versicherung bei Arbeitsunfällen abgesichert sind. Keiner der Verletzten infizierte sich während des Untersuchungszeitraums durch eine Nadelstich- oder Schnittverletzung mit einer Infektionskrankheit.
Iwamatsu-Kobayashi Y, Watanabe J, Kusama T et al. A 19-Year Study of Dental Needlestick and Sharps Injuries in Japan. Int Dent J. 2023 Feb;73(1):114-120. doi: 10.1016/j.identj.2022.04.009. Epub 2022 Jul 7. PMID: 35810013; PMCID: PMC9875281.