Initiativen für Risikogruppen prämiert

Elsäßer erhält Wrigley Prophylaxe Preis 2024

mg
Praxis
Mitte Juni wurde zum 30. Mal der Wrigley Prophylaxe Preis verliehen – einmal in der Kategorie „Wissenschaft“ und zweimal in der neugeschaffenen Kategorie „Praxis & Gesellschaft“. Unter den Preisträgern ist auch die Arbeitsgruppe um Dr. Guido Elsäßer.

Elsäßers Praxis kooperiert seit vielen Jahren mit der Diakonie Stetten e. V., einer großen Einrichtung der Eingliederungshilfe in Baden-Württemberg, in der mehr als 1.500 Menschen aller Altersgruppen mit unterschiedlichsten Behinderungen leben. Viele Bewohner brauchen Unterstützung bei der Mund- und Zahnpflege, die jedoch auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sein muss. Zum Beispiel haben Personen mit Zerebralparesen häufig Schluckstörungen mit Aspirationsgefahr und brauchen besondere Hilfsmittel beim Zähneputzen. Bei Störungen aus dem Autismus-Spektrum sind dagegen ritualisierte Abläufe wichtig. Für das Personal sind diese Besonderheiten oft eine Herausforderung, denn die pflegenden Berufsgruppen sind ebenso unterschiedlich wie die Bewohner.

Vor dem Hintergrund gründeten Fachkräfte der Einrichtung und die kooperierende Zahnarztpraxis eine Arbeitsgruppe und legten einrichtungsinterne Mundpflegestandards fest. Diese basieren auf dem 2021 veröffentlichten Expertenstandard in der Pflege zur Förderung der Mundgesundheit und berücksichtigen außerdem die Besonderheiten einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen. Flankierend erarbeitete die Gruppe eine neue Schulungsstrategie mit hohem Praxisanteil, Arbeits- und Umsetzungshilfen, etwa Aufklärungsbögen in Leichter Sprache oder eine Checkliste für den Umgang mit abwehrendem Verhalten beim täglichen Zähneputzen. Das Konzept wurde mit dem zweiten Platz im Bereich Praxis & Gesellschaft prämiert, der mit 3.000 Euro dotiert ist.

Zahnärztinnen und Zahnärzte sehen mehr als Zähne!

Den Hauptpreis im Bereich Praxis & Gesellschaft, der mit 4.500 Euro dotiert ist, erhielt die Initiative „Zahnärztinnen und Zahnärzte sehen mehr als Zähne!“ von Prof. Bettina Pfleiderer, Leiterin der Arbeitsgruppe Cognition & Gender der Medizinischen Fakultät der Universität Münster, und ihr Team Dr. Jana Lauren Bregulla, Greta Heuel und Madeleine Stöhr. Die Initiative soll Zahnärztinnen, Zahnärzten und Studierenden der Zahnmedizin typische Anzeichen für „Dental Neglect“ vermitteln, damit sie das Thema angemessen ansprechen und ihre Handlungsmöglichkeiten kennen.

„Dental Neglect“ kann als eine Form der häuslichen Gewalt gewertet werden. In diesen Fällen sehen die verantwortlichen Bezugspersonen trotz zahnärztlicher Beratung nicht ein, dass eine Behandlung nötig ist, nehmen Termine in der Praxis nicht wahr und versäumen es, sich um die Mundhygiene ihres Kindes zu kümmern. Ein bekanntes Beispiel für Dental Neglect ist die frühkindliche Karies.

Dental Neglect soll Teil der Lehre werden

Herzstück des gemeinsamen Projekts aus der Medizin und Zahnmedizin sind eigens entwickelte innovative Trainingsmaterialien für die Zahnmedizin. Sie behandeln die Formen und Indikatoren häuslicher Gewalt, die medizinische Dokumentation sowie angemessene Kommunikationsstrategien. Texte, Bilder, Fallbeispiele, Videos, Aufgaben zum Weiterdenken und Fragespiele vermitteln die Inhalte. Die Materialien sind kostenlos und wurden bereits in eine bestehende europäische Trainingsplattform zur häuslichen Gewalt integriert.

Zentrales Ziel ist die Einbindung der Themen häusliche Gewalt und Dental Neglect in die Lehre des Zahnmedizinstudiums. Zudem wollen die Initiatorinnen die Theorie künftig um Präsenz- und Online-Trainingseinheiten mit Simulationspatientinnen und -patienten ergänzen. Darüber hinaus sollen Materialien für praktizierende Zahnärztinnen und Zahnärzte entwickelt werden, unter anderem Flyer und Plakate, Ansteckbuttons für den Kittel, die Betroffenen signalisieren, dass sie das sensible Thema in dieser Praxis ansprechen können.

Preisträger Wissenschaft: Telemedizin für Seniorenheime

Fast 60 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland werden nicht regelmäßig zahnärztlich untersucht und behandelt; entsprechend häufig weisen sie eine schlechte Mundgesundheit auf, die sich in einer hohen Prävalenz von Karies und Parodontitis manifestiert. Mithilfe telemedizinischer Verfahren könnte diese Risikogruppe wieder in die reguläre Versorgung integriert werden, zeigt die prämierte Arbeit von Dr. Basel Kharbot und seinem Team: Maike Riegel, Prof. Sebastian Paris und Privatdozent Dr. Gerd Göstemeyer von der Abteilung für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin, Charité, Berlin, sowie Prof. Dr. Falk Schwendicke, Poliklinik für Zahnerhaltung an der LMU München.

Sie stellten ein telemedizinisches Befundungskonzept mit intraoralen 3-D-Scans vor, die vor Ort im Seniorenheim erstellt und anschließend in den Zahnarztpraxen ausgewertet werden können. Die Scans kann auch nicht-zahnmedizinisches, geschultes Personal bei den Senioren in ihren Zimmern aufnehmen. In ihrer klinischen Proof-of-Concept-Studie hat das Team überprüft, wie aussagekräftig die Scans bei einer telemedizinischen Befundung sind. Dafür wurden 43 pflegebedürftige Personen in Seniorenheimen intraoral untersucht. Bei allen wurden vier basisdiagnostische Parameter (fehlende Zähne, Restaurationen, Karies und Plaque) klinisch erfasst und Scans erstellt. Diese wurden vom klinischen Untersucher und zu einem späteren Zeitpunkt erneut von zwei unabhängigen Prüfern befundet und mit den Ergebnissen der klinischen Untersuchung verglichen.

Ergebnis: Die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Scans war bei der Erkennung fehlender Zähne perfekt und bei Restaurationen sehr hoch. Bei Plaque und Karies waren sie weniger genau als die klinische Untersuchung, aber immer noch akzeptabel. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Einsatz von Intraoralscannern zum Screening des Zahnstatus bei Pflegebedürftigen in Seniorenheimen eignen könnte. Die telemedizinische Auswertung der Scans ermögliche eine Früherkennung und entsprechende Behandlung von Mundkrankheiten schwer zugänglicher Patientengruppen – und trage so dazu bei, die Mundgesundheit dieser Risikogruppen nachhaltig zu verbessern. Der Preis ist mit 4.500 Euro dotiert.

Der Wrigley Prophylaxe Preis zeichnet seit 1994 herausragende Projekte in Forschung und Praxis der Kariesprophylaxe aus. Stifterin ist die zahnmedizinische Initiative „Wrigley Oral Healthcare Program“, die sich für eine Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit in allen Bevölkerungsgruppen einsetzt. Traditionsgemäß wird der Preis auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) verliehen, die in diesem Jahr in Leipzig stattfand.

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