Full Face Transplantation
Am R Adams Cowley Zentrum für Schock und Trauma am Medizinischen Zentrum der Universität Maryland wurde im Frühjahr diesen Jahres die bislang größte Transplantation eines kompletten Gesichts einschließlich Kiefer, Zähne und Zunge, Haut sowie des darunter liegenden Nervengewebes und der Muskulatur von der Kopfhaut bis hinunter zum Hals durchgeführt. Die Operation dauerte 36 Stunden.
Gesicht durch Schusswechsel völlig zerstört
Der Empfänger des Gesichtstransplantats ist der 37-jährige Richard Lee Norris aus Hillsville, Virginia. 1997 wurde er in einem Schusswechsel schwer verletzt. Dabei verlor er den größten Teil seines Ober- und seines Unterkiefers sowie seine Lippen und seine Nase. Seitdem hat er sich mehreren lebenserhaltenden und wiederherstellenden Operationen unterzogen. 2005 konsultierte er das erste Mal Eduardo D. Rodriguez, außerordentlicher Professor für Chirurgie im Fachbereich Medizin der Universität Maryland und Leiter der plastischen Chirurgie, der Wiederherstellungs- und Gesichtschirurgie am R Adams Cowley Zentrum und besprach mit ihm die Möglichkeiten für eine Wiederherstellung.
Die Operation wurde im März 2012 von einem interdisziplinären Team durchgeführt. Fachärzte und über 150 OP-Schwestern arbeiteten im Akkord. Die Gesichtstransplantation, zuvor bekannt als vaskularisierte Komposit-Allotransplantation (VCA), war Teil einer 72-stündigen Marathontransplantation an einem der renommiertesten Transplantationszentren weltweit. Die Familie eines anonymen Spenders stellte dessen Gesicht zur Verfügung und rettete damit gleichzeitig fünf weitere Leben.
15 Jahre im Versteck gelebt
"In den vergangenen 15 Jahren habe ich wie ein Einsiedler gelebt, mich hinter einer Operationsmaske versteckt und bin vorwiegend nachts einkaufen gegangen, wenn nicht so viele Leute unterwegs waren", berichtet Norris in einer Erklärung. "Jetzt kann ich rausgehen, ohne angestarrt zu werden und ohne mir die Kommentare der Leute anhören zu müssen. Die Menschen haben mich immer angestarrt, weil ich entstellt war. Jetzt können sie mich erstaunt anstarren, weil ich mich so sehr verändert habe. Ich kann jetzt an Passanten vorbeigehen, ohne dass mich jemand eines zweiten Blickes würdigt. Meine Freunde haben ihr Leben weitergelebt, Familien gegründet und Karriere gemacht. Ich kann nun damit beginnen, an dem Leben zu arbeiten, das mir zurückgegeben worden ist."
Norris entwickle zunehmend wieder Gefühl im Gesicht, könne lächeln und seinen Gesichtsausdruck verändern, heißt es in einem Bericht. Nach Aussagen seiner Ärzte sei die motorische Funktion seiner rechten Gesichtshälfte zu ungefähr 80 Prozent normal. Die motorische Funktion der linken Seite liege bei etwa 40 Prozent. Er nehme Nahrung vornehmlich über den Mund zu sich und könne riechen und schmecken.
Der Leiter des Gesichtstransplantationsteams, Eduardo Rodriguez ist Facharzt für plastische und wiederherstellende Chirurgie sowie für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Es sei das erste Mal weltweit gewesen, dass eine Transplantation des kompletten Gesichts von einem Team von Fachärzten für plastische Chirurgie und Wiederherstellungschirurgie mit Spezialausbildung und Fachkenntnissen über die kraniofaziale Chirurgie und Wiederherstellungs-Mikrochirurgie durchgeführt wurde.
Funktionen rekonstruieren und gute Ästhetik erzielen
„Wir setzten innovative chirurgische Verfahren und computergestützte Methoden ein, um das Mittelgesicht, den Ober- und Unterkiefer sowie die Zähne und einen Teil der Zunge präzise transplantieren zu können. Des Weiteren beinhaltete das Transplantat alle Gesichtsweichteile von der Kopfhaupt bis zum Hals, einschließlich der darunterliegenden Muskulatur, um einen Gesichtsausdruck konstruieren zu können und um Sinnesnerven sowie motorische Nerven zur Wiederherstellung des Gefühls und der Funktionen wieder herzustellen“, erklärte Rodriguez.
„Unser Ziel ist es, die Funktionen zu rekonstruieren und ästhetisch gute Resultate zu erzielen“. Die Abteilung Forschung des Marineamtes (ONR) im US-Verteidigungsministerium stellte Herrn Dr. Stephen Bartlett finanzielle Mittel zur Verfügung und unterstützte somit das Programm zur Grundlagenforschung und klinischen Forschung über vaskularisierte Komposit-Allotransplantationen an der Universität Maryland, was zu dieser Gesichtstransplantation führte.
Die ONR finanziert die medizinische Forschung zur Unterstützung operativer Medizin im militärischen Bereich sowie die klinische Versorgung der zurückkehrenden Veteranen. Neben der Forschung unterstützt die Universität Maryland darüber hinaus die Militärmedizin auf unterschiedliche Art und Weise und bildet unter anderem das medizinische Personal im Militärbereich aus, insbesondere im Hinblick auf Planung und Durchführung der Organtransplantationen bei Patienten am Walter Reed/Bethesda National Naval Medical Center.
Schnelle Umsetzung der Forschungsinnovationen
„Die Zukunft der Medizin hängt von der schnellen Umsetzung der Forschung und von der Schaffung hochqualifizierter Teams ab. Die Gesichtstransplantation ist ein perfektes Beispiel für die Möglichkeit einer Lebensveränderung, die wir unseren Patienten anbieten können, wenn wir das Fachwissen unserer Forschungsteams und das der klinischen Teams zur Durchführung von Verfahren, von denen man vor noch nicht so langer Zeit glaubte, sie seien unerforschlich, zusammenführt “, sagt E. Albert Reece, Vizepräsident für medizinische Angelegenheiten der Universität Maryland und Dekan des Fachbereichs Medizin der Universität Maryland.
Das Gesichtstransplantationsteam konnte demnach im hohen Maße von den Erfahrungen bei der Behandlung von schweren ballistischen Gesichtsverletzungen am R Adams Cowley Zentrum für Schock und Trauma profitieren. Darüber hinaus setzt sich das Team aus Forschungswissenschaftlern und medizinischen Wissenschaftlern der staatlich anerkannten Abteilung für Transplantation der Universität Maryland zusammen, die nach Lösungswegen zur Reduzierung der Abstoßung von gespendeten Organen und Minimierung der Nebeneffekte dauerhafter Einnahme von Immunsuppresiva nach Transplantationen forschen.
„Ein Projekt wie das der Gesichtstransplantation erfordert eine fachübergreifende Zusammenarbeit zwischen verschiedenen klinischen Dienstleistungen und ähnelt in vielerlei Hinsicht der Behandlung von Traumata“, sagt Thomas M. Scalea, Prof. für Trauma-Chirurgie und Chefarzt R Adams Cowley, Zentrum für Schock und Trauma. „Weil wir um die fachübergreifende Versorgung herum eine Infrastruktur aufgebaut haben, erschien es für die Gesichtstransplantation sinnvoll, dass Gesichtstransplantationsprogramm im Zentrum für Schock und Trauma des Fachbereichs Medizin der Universität Maryland anzusiedeln“.
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