Häusliche Gewalt auf Niveau von 2016
„Die Studie legt nahe, dass die elterliche und partnerschaftliche Gewalt während der Pandemie in der Allgemeinbevölkerung nicht gestiegen ist”, sagt der Hildesheimer Psychologe Prof. Dr. Christoph Kröger, schränkt aber ein: „Allerdings kann es Teilgruppen der Bevölkerung – zum Beispiel junge einkommensschwache Paare – oder Gewalthandlungen geben, für die das nicht gilt.”
Methodisch basiert die Auswertung auf zwei herangezogenen Dunkelfeldbefragungen aus den Jahren 2016 und 2021. Im Gegensatz zu Hellfeldanalysen, die nur den Anteil der häuslichen Gewalt erfassen, der der Polizei oder Beratungsstellen gemeldet wird, kann ein vollständigeres Bild durch Dunkelfeldbefragungen erreicht werden. In diesen repräsentativen Befragungen der Gesamtbevölkerung werden Personen zu ihrer eigenen Täter- beziehungsweise Opferschaft befragt.
Ergebnisse:
Weder die Prävalenzraten für partnerschaftliche Gewalt
aus Opferperspektive (Frauen: +0,1 Prozentpunkte, Männer: -2,1 Prozentpunkt)
aus Täterperspektive (+0,7 Prozentpunkte/-3,1 Prozentpunkte),
noch die Prävalenzraten für elterliche
physische Gewalt (Mütter: -4,1 Prozentpunkte/Väter: -4,2 Prozentpunkte) oder
psychische Gewalt (−3,0 Prozentpunkte/ +2,0 Prozentpunkte)
zeigten 2021 signifikante Veränderungen gegenüber 2016, heißt es.
Warum dennoch dringender Forschungsbedarf besteht
Dennoch bleibt häusliche Gewalt ein drängendes gesamtgesellschaftliches Problem, schreiben die Autoren. Tatsächlich schilderten 2021 fast jede fünfte befragte Frau (9,4 Prozent) und sieben Prozent aller Männer aus der Opferperspektive, Gewalterfahrungen im häuslichen Umfeld gemacht zu haben.
Als Täter beschreiben sich acht Prozent der Frauen und 6,2 Prozent der Männer. Physische Gewalt „gegenüber dem jüngsten Kind” gestehen 15,9 Prozent der Mütter und 18,0 Prozent der Väter, bei der psychischer Gewalt „gegenüber dem jüngsten Kind” sind es 6,8/11 Prozent.
Einschränkend erklären die Autoren, dass unter anderem nicht geklärt werden konnte, ob in Familien, die bereits von häuslicher Gewalt betroffen sind, die Häufigkeit oder Intensität von Übergriffen während der Infektionsschutzmaßnahmen zugenommen hat. Darum sehen sie den dringenden Bedarf weiterer Forschung zu diesem Thema.
Kliem S, Baier D, Kröger C: Domestic violence before and during the COVID-19 pandemic—a comparison of two representative population surveys. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 483–4.DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0267