DAK-Studie widerspricht Blaumacher-Stimmungsmache

Hauptgrund für den hohen Krankenstand ist die eAU

pr
Politik
Laut einer Analyse der DAK-Gesundheit geht der anhaltend hohe Krankenstand in Deutschland vorwiegend auf die elektronische Krankschreibung (eAU) zurück. Atemwegsinfekte und Corona seien weitere Treiber.

Als eine der Ursachen für den anhaltenden Rekordkrankenstand in Deutschland hat eine Analyse des IGES-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit das neue Meldeverfahren der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ausgemacht, wodurch seitdem Arzt-Atteste zur Arbeitsunfähigkeit automatisch bei den Krankenkassen eingehen.

Der Meldeeffekt betrifft rund 60 Prozent und mehr

Laut DAK-Studie beträgt der Meldeeffekt – je nach Diagnose – rund 60 Prozent und mehr. Ein Drittel der zusätzlichen Fehltage ergibt sich seit 2022 zudem durch verstärkte Erkältungswellen und Corona-Infektionen, so eine Sonderanalyse der Krankenkasse zum Rekordkrankenstand. Somit führe die neue Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung nicht zu vermehrten Fehltagen. Auch das sogenannte Blaumachen betrieben nach eigenen Angaben nur wenige Beschäftigte.

Insgesamt sei die Anzahl der Fehltage der DAK-versicherten Beschäftigten von 2021 auf 2022 um 37,6 Prozent deutlich angestiegen, so die Analyse. Bezogen auf 100 Versicherte seien es von einem auf das andere Jahr 546 Ausfalltage mehr gewesen. Die Anzahl durchschnittlicher Fehltage pro Kopf und Jahr sei von etwa 15 Tagen in früheren Jahren auf rund 20 Tage angestiegen und verharre seitdem auf diesem hohen Niveau.

Weder die telefonische Krankschreibung noch das Blaumachen seien die wirklichen Gründe für den sprunghaften Anstieg, erläuterte der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm. Entscheidend sei vor allem ein statistischer Effekt, verursacht durch die neue elektronische Erfassung der Krankschreibungen. Und auch die Erkältungswellen hätten nachweislich eine große Rolle gespielt.

Als Beispiel nennt die Kasse leichte Erkrankungen wie etwa Bauchschmerzen. Dazu hatte IGES ambulante Daten von 2019 bis 2023 untersucht. Mit Bauchschmerzen waren in jedem Jahr ungefähr gleich viele Beschäftigte in einer Arztpraxis in Behandlung. Nach Einführung der eAU tauchten jedoch deutlich mehr Fälle in den Kassen-Daten auf, die wegen der Bauchschmerzen nicht nur behandelt, sondern auch krankgeschrieben wurden. Während vorher nur für zehn Prozent der Betroffenen eine entsprechende Krankschreibung bei der DAK-Gesundheit vorlag, sind es nach der Etablierung des Verfahrens 18 Prozent. Bei den Erkältungskrankheiten gab es ebenfalls ein deutliches Plus: Nach Berechnungen von IGES lässt sich hier der Anstieg zu 60 Prozent durch das neue Meldeverfahren erklären.

Zweiter wesentlicher Treiber: Atemwegserkrankungen

Ein zweiter wesentlicher Treiber für den sprunghaften Anstieg von 2021 auf 2022 sind demnach Atemwegserkrankungen: Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der 564 zusätzlichen Fehltage je 100 Versicherte wurden von Schnupfen, Husten und anderen Atemwegsinfekten verursacht, für ein Fünftel des Anstiegs waren Corona-Infektionen verantwortlich.

Laut DAK gab es keinerlei Anzeichen für einen systematischen Missbrauch der während der Corona-Pandemie eingeführten Krankschreibung per Telefon. „Wir brauchen eine offene Debatte über die tatsächlichen Ursachen der Rekordkrankenstände und müssen die wachsende Misstrauenskultur in der Arbeitswelt eindämmen“, sagte Storm. „Vor allem für Risikogruppen wie ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen ist es wichtig, dass die Ansteckungsgefahr in den Praxen möglichst gering ist. Unsere Studie belegt, dass die große Mehrheit der Beschäftigten verantwortungsbewusst mit der telefonischen Krankschreibung umgeht. Blaumachen hat nicht das Ausmaß, den Krankenstand signifikant nach oben zu treiben.“

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, berichtete kürzlich aus seiner Praxis, dass viele Menschen zum Arzt gingen, weil sie wegen eines relativ banalen Infekts eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung brauchen, da dies vom Arbeitgeber verlangt werde. Seiner Erfahrung nach tendierten Patientinnen und Patienten nicht dazu, sich krankzumelden, obwohl sie eigentlich gesund seien.

Die Debatte über den hohen Krankenstand in Deutschland hatte der Allianz-Vorstandsvorsitzende Oliver Bäte angestoßen. Er hatte sich dafür ausgesprochen, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag zu streichen und wieder einen unbezahlten Karenztag einzuführen. Heftige Kritik an diesem Vorstoß kam von Gewerkschaften und Politikern diverser Parteien. Der Karenztag wurde in Deutschland in den 1970er Jahren abgeschafft, Arbeiter und Angestellte sind seitdem bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gleichgestellt.

Im Auftrag der Krankenkasse hat das IGES Institut die Daten von 2,4 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten aus den Jahren 2019 bis einschließlich 2023 ausgewertet und bundesweit mehr als 7.000 Erwerbstätige repräsentativ durch FORSA befragt.

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