Homo habilis: Kratzerzähne belegen Rechtshändigkeit
Unter Schimpansen gibt es ungefähr gleich viele Rechts- wie Linkshänder, während 90 Prozent der Menschen "die gute Hand" bevorzugen. Herauszufinden, wann sich diese Präferenz zugunsten der Rechtshändigkeit entwickelte, war Ziel der Forschungsgruppe um David Frayer von der University of Kansas in Lawrence.
Das Problem der Wissenschaftler: Ein 1,5 Millionen alter Skelettfund ist selten so gut erhalten, dass man beide Arme und Hände auf Asymmetrien und morphologische Unterschiede untersuchen kann - zumal sich auf Basis dieser Abweichungen ohnehin immer nur Tendenzen erkennen lassen.
Er benutzte seine Zähne als "Schneidebrettchen"
Frayer und sein Team sind nun die Ersten, die in dieser Frage die Zähne zurate zogen: Sie analysierten erstmals die Kratzer auf den Schneide- und Eckzähnen eines Homo habilis. Ihnen kam zupass, dass der Homo habilis seine Frontzähne als "dritte Hand" verwendete, um Gegenstände damit festzuhalten. Und zwar benutzte er seine Zähne quasi als "Schneidebrettchen", indem er sich das Essen zwischen Schneidezähne klemmte und mit der einen Hand aufspannte, um sich dann mit einem Werkzeug in der anderen Hand davon einen Bissen abzuschneiden.
OH 65 hatte 559 Kratzer
Dieses Verfahren führte zu etlichen Kerben an den Zähnen - allein bei dem untersuchten Skelett mit der Fossilkennzeichnung OH 65 fanden sie 559 Kratzer. Ähnlich beschädigte Zähne werden übrigens auch beim europäischen Neandertaler dokumentiert.
Bei der Vermaßung von Zahl, Winkel und Länge dieser Kratzer und Streifungen stellten sie eine auffällige Regelmäßigkeit fest: Sehr viele Einschnitte verlaufen aus der Sicht des Homo habilis schräg von oben links nach unten rechts. Außerdem sind einige Kratzerkanten abgenutzter als andere. Von den 559 Kratzern entsprechen insgesamt 46 Prozent dem Muster eines Rechtshänders, nur etwa 11 Prozent deuten auf einen Linkshänder hin. Die restlichen Rillen verlaufen horizontal oder vertikal. Besonders betroffen sind die beiden mittleren Schneidezähne sowie der seitliche Schneide- und der Eckzahn rechts, weshalb die Forscher davon ausgehen, dass OH 65 das Schneidewerkzeug meist in der rechten Hand hielt.
Bisher konnte die Rechtshändigkeit nicht für Hominini belegt werden, die vor mehr als rund 400 Millionen Jahre gelebt haben. Den Forschern zufolge deutet die Rechtshändigkeit auf die kortikale Reorganisation des Gehirns und damit auch auch die Sprachfähigkeit, die wichtige Komponenten bei der Entstehung unserer Gattung darstellen.
David W. Frayera, Ronald J. Clarkeb, Ivana Fiorec, Robert J. Blumenschined, Alejandro Pérez-Péreze, Laura M. Martineze, Ferran Estebaranze, Ralph Hollowayf, Luca Bondiolic: OH-65: The earliest evidence for right-handedness in the fossil record, in: Journal of Human Evolution, Volume 100, November 2016, Pages 65–72