Honoraranpassung und das Recht zur Impfung
Mit einem neuen Apotheken-Reformgesetz sollen die Rahmenbedingungen für eine bessere Arzneimittelversorgung durch Apotheken in der Fläche geschaffen werden. Dazu hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) jetzt einen Referentenentwurf vorgelegt. Die Pläne sehen ein Bündel von Maßnahmen vor, vor allem Honoraranreize für Apothekenstandorte in ländlichen Regionen und eine gerechtere Verteilung der Honorare.
Demnach soll die Vergütung von in der Nacht und am Wochenende von den Apotheken geleisteten Vollnotdiensten sofort erhöht werden. Die packungsbezogenen Zuschläge zur Vergütung von Notdiensten sollen um rund 30 Prozent von 21 Cent auf 28 Cent pro Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels erhöht werden. Bis 2026 soll eine stufenweise Absenkung des prozentualen Anteils der Apothekenvergütung von drei Prozent auf zwei Prozent sowie eine gleichzeitige Erhöhung des Fixums erfolgen.
Apotheker aus dem Ausland sollen neugründen können
Vorgesehen sind gleichzeitig strukturelle Anpassungen, die den Fachkräftemangel bekämpfen sollen. Geplant sind etwa flexible Öffnungszeiten, um diese an Personalressourcen und Bedürfnisse der Versorgung vor Ort anzupassen. Außerdem soll die Gründung von Zweigapotheken in Orten mit eingeschränkter Arzneimittelversorgung und Weiterentwicklung der Zweigapotheken als Versorgungsform vereinfacht werden. Auch soll eine räumliche Ausweitung bei der Neugründung einer Filialapotheke möglich werden.
Für approbierte Apothekerinnen und Apotheker, die ihre Prüfung außerhalb Deutschlands bestanden haben, sollen Apothekenneugründung möglich werden (bislang nur Übernahme bestehender Apotheken). Fachkräfte aus dem Ausland sollen bereits während des Anerkennungsverfahrens wie Auszubildende für pharmazeutische Tätigkeiten eingesetzt werden können. Und weitere Berufsgruppen mit geeigneter Ausbildung sollen für bestimmte unterstützende Tätigkeiten in der Apotheke beschäftigt werden können.
Impfungen mit Totimpfstoff werden möglich
Ferner soll die Möglichkeit bestehen, Apotheken bei Anwesenheit von erfahrenen pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und pharmazeutisch-technischen Assistenten zu öffnen, sofern eine telepharmazeutische Anbindung an Apothekerinnen und Apotheker im Filialverbund sichergestellt ist und die Apothekenleitung mindestens acht Stunden pro Woche persönlich anwesend ist. Digitalisierung soll verstärkt zum Einsatz kommen.
Mit der Anpassung von § 20c Infektionsschutzgesetz sollen weiterhin laut Referentenentwurf Apothekerinnen und Apotheker zusätzlich berechtigt werden, Impfungen mit Impfstoffen durchzuführen, die keine replikationsfähigen Krankheitserreger enthalten (sogenannte Totimpfstoffe). Der Arztvorbehalt in Bezug auf die Durchführung von patientennahen Schnelltests in Apotheken soll aufgehoben werden.
ABDA beklagt jahrelange Unterfinanzierung
Von einer „verpassten Chance“ ist bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände die Rede, die den Gesetzesentwurf ablehnt. "Einrichtungen ohne Apothekerinnen oder Apotheker sind keine Apotheken. Da hilft es auch nicht, wenn ein Apotheker oder eine Apothekerin für ein paar Stunden pro Woche vorbeischaut“, kritisiert ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. „Solche Abgabestellen auf niedrigstem Niveau sehen wir mit großer Besorgnis.“ Overwiening weiter: „Die Honorierung wird zwar umstrukturiert, aber es kommt kaum weiteres Geld in das bereits seit Jahren unterfinanzierte System der Arzneimittelversorgung über die Apotheken vor Ort. Hier fehlt es an jeglicher schnellen Unterstützung.“
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband kritisiert vor allem die geplanten Regelungen zu Impfungen. „Dass zukünftig Apotheken alle möglichen Impfungen – von der Tetanus- bis zur FSME-Impfung – anbieten können, ist eine Sackgasse und wird nicht dazu führen, dass die Impfquoten steigen“, monieren die Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier: „Dass diese Rechnung nicht aufgeht, zeigt die sehr geringe Anzahl an Corona- und Grippeimpfungen, die in den vergangenen Jahren in den Apotheken durchgeführt wurden – und das, obwohl massiv hierfür geworben wurde. Hinzu kommt, dass auch der allergrößte Teil der Apotheken keine Impfungen anbietet. Das ist auch nachvollziehbar, denn sie sind in aller Regel mit ihren Kernaufgaben mehr als ausgelastet.“
Für den AOK-Bundesverband gehen die Gesetzespläne in die richtige Richtung. Es bleibe zu hoffen, dass die Reformpläne durch die noch nicht erfolgte Ressortabstimmung nicht noch verwässert werden, heißt es dort. Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) lehnt die Pläne hingegen ab. Die Bundesländer wollen insbesondere keine Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker zulassen, heißt es in einem Beschluss.
Die Verbändeanhörung zum Gesetz soll am 25. Juni stattfinden.