Kieferorthopädische Versorgung im Fokus
Circa 55 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland werden kieferorthopädisch behandelt“, sagte der Autor des Barmer Zahnreports, Prof. Dr. Michael Walter von der Technischen Universität Dresden, bei der Präsentation der Ergebnisse in Berlin. Mit Blick auf die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie – die bei den Acht- und Neunjährigen einen Behandlungsbedarf von 40,4 Prozent festgestellt hatte – liege die Inanspruchnahme demnach „noch im erwartbaren Bereich“.
Dabei wirft der Zahnreport die Frage auf, ob Mädchen in Deutschland möglicherweise zu häufig kieferorthopädisch behandelt werden. Die Analyse der Abrechnungsdaten von mehr als 53.000 gesetzlich versicherten Achtjährigen habe ergeben, dass insgesamt etwa 70 Prozent der untersuchten Gruppe kieferorthopädisch vorstellig wurden. Eine Behandlung bekamen schließlich rund 60 Prozent aller Mädchen und 50 Prozent aller Jungen. Dazu sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Prof. Dr. med. Christoph Straub: „Schönheitsideale, Gruppendruck und elterliche Fürsorge sind mögliche Gründe dafür, dass Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Mädchen häufiger nachgefragt und behandelt werden als bei Jungen.“ Um diese Frage zu klären, sind aus Sicht der zweitgrößten deutschen Krankenversicherung weitere Studien notwendig.
In Bayern gibt es mehr Kieferorthopädie als in Bremen
Die Barmer merkt an, dass der Zugang zur kieferorthopädischen Versorgung für Kinder und Jugendliche deutschlandweit insgesamt zufriedenstellend ist, „aber nicht in allen Bundesländern gleich gut gegeben“. Zwischen 80 und 96 Prozent der kieferorthopädischen Behandlungen fänden in fachzahnärztlichen Praxen für Kieferorthopädie statt. Im Bundesdurchschnitt würden etwa 13 Prozent der kieferorthopädischen Behandlungen von Praxen ohne kieferorthopädischen Schwerpunkt erbracht, in Ostdeutschland 19 Prozent.
Auch darauf gingen Walter und Straub bei der Vorstellung des Reports in Berlin ein: Während in Bremen 46 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine kieferorthopädische Behandlung erhielten, seien es in Bayern 60 Prozent. Überdurchschnittlich hohe Werte bei der Inanspruchnahme kieferorthopädischer Leistungen in einigen Bundesländern deutete Barmer-Chef Straub als Hinweis auf eine mögliche Übertherapie. Ursächlich dafür könnten unter anderem Unschärfen bei der Bewertung einer Behandlungsbedürftigkeit nach den bestehenden Kriterien der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Die Barmer sprach sich für weitere wissenschaftliche Untersuchungen aus, um regionale Auffälligkeiten in der Versorgung besser zu verstehen.
Klar sei jedoch so viel, teilte Walter während der Pressekonferenz auf Nachfrage mit: „Wir haben keine Hinweise gefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen der Fachzahnarztdichte und der Inanspruchnahme kieferorthopädischer Leistungen gibt, dass also eine hohe Dichte kieferorthopädischer Praxen mehr Behandlungen induziert.“