Landzahnärzte: "Eine gesicherte Versorgung sehe ich nicht"
Leserbrief zum Beitrag:„Ärztedichte im internationalen Vergleich: Landärzte fehlen in jedem Land“, zm 21/2017, S. 90–91.
Mit Erstaunen – wenn ich ehrlich bin sogar mit einem gewissen Entsetzen – habe ich ihren Artikel über die regionale Situation der zahnärztlichen Versorgung in den zm gelesen. Denn dieser Artikel sendet an unsere Politik ein verheerendes Signal. Er suggeriert allen, die zahnärztliche Versorgung auf dem Land sei mittelfristig gesichert. Leider sieht die tatsächliche Situation völlig anders aus. Ich selbst lebe in Mansfeld-Südharz in einer strukturell benachteiligten Region. Seit Jahren suche ich für meine Zahnarztpraxis in Kelbra händeringend einen Nachfolger.
Ich weiß gar nicht, bei wie vielen Praxisbörsen ich gelistet und angemeldet bin. Die jungen Kollegen, sofern sie sich überhaupt noch niederlassen wollen, möchten nicht aufs Land und schon gar nicht in strukturell schwache Regionen. Wenn hier keine Anreize geschaffen werden, können wir die zahnärztliche Versorgung auf dem Lande langfristig vergessen. In unserem Ort hat bereits die zweite Praxis ohne Nachfolger geschlossen. Jetzt hat es den Nachbarort getroffen. In zwei bis drei Jahren wird es in unserem Ort und dann auch in der Region keinen Zahnarzt mehr geben. Das Argument, die Patienten können dann ja in die Kreisstadt gehen, zieht auch nicht. Auch hier werden ca. 50 Prozent der Praxen in den nächsten fünf bis zehn Jahren schließen, weil der überwiegende Anteil der Kollegen mindestens 50 bzw. 60 Jahre alt ist. Die konkreten Zahlen für die Kreisstelle Sangerhaussen sehen folgendermaßen aus: 46 aktive Kollegen, davon sind 21 bereits über 60 Jahre alt, weitere 7 über 55 und 7 Kollegen über 50. Das sind 76 Prozent aller Kollegen, die in absehbarer Zeit Ihre Praxen schließen werden.
Werden solche Standorte „abgewickelt“, ist es um so schwerer, wieder einen Kollegen neu anzusiedeln. Unsere Praxen wären für ca. 50.000 bis 100.000 Euro zu bekommen. Eine Neugründung kostet ein vielfaches. Ganz zu schweigen, von den gut ausgebildeten Fachkräften (ZMFs), die dann ebenfalls abgewandert sind. Es ist ja nicht so, dass man in diesen Praxen kein Geld verdienen kann, ganz im Gegenteil. Da der nächste Kollege nicht eine Straße weiter sitzt, sind der Umsatz und die berühmte Scheinzahl deutlich höher als in den meisten städtischen Praxen. In unserer Kreisstellenversammlung haben wir dieses Thema im letzten Monat diskutiert.
Eine Ursache dürfte im Numerus Clausus liegen. Dieser ermöglicht den fleißigen, strebsamen Mädchen mit Durchschnitt 1,0 einen Studienplatz für Zahnmedizin. Ich möchte diesen Frauen nicht zu nahe treten, aber viele haben oft nicht den Mut für eine Praxisübernahme und selbstständige Führung einer Zahnarztpraxis auf dem Lande. Oder wollen dies vielleicht auch aufgrund der Familienplanung nicht. Hier ist auch nicht der nächste Chirurg, der mal schnell den vereiterten Zahn therapiert, zur Stelle. Hier ist der Allrounder gefragt, der fit in der Chirurgie ist und die Kinder genauso behandelt wie die Totalprothese der Rentnerin. Ich möchte mit meinem Beitrag die Politiker und unsere Standesvertreter für die Probleme, die auf unsere Menschen in den strukturschwachen Regionen unseres Landes zukommen werden, sensibilisieren.
Es ist 5 vor 12 – vielleicht auch schon 5 nach 12!
Dr. Wolf Treppschuh,Kelbra