Neue DGE-Ernährungsempfehlungen

Maximal ein Ei

pr
Politik
Mehr Obst und Gemüse und weniger Fleisch und Milch – die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat ihre Empfehlungen aktualisiert. Ist das gut oder schlecht für die Zahngesundheit? Wir haben zwei Experten gefragt.

Neu an den lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen für Deutschland („Gut essen und trinken“) der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist, dass neben der Empfehlung zu einer gesunden Ernährung auch Nachhaltigkeit, Umweltbelastung sowie die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten berücksichtigt werden, meldet sie anlässlich ihres Jahreskongresses in Kassel. Danach sollen pflanzliche Lebensmittel – wie Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und pflanzliche Öle – in der Ernährung verstärkt eine Rolle spielen.

Konkret empfiehlt die DGE, dass eine gesundheitsfördernde und ökologisch nachhaltigere Ernährung zu mehr als drei Vierteln aus pflanzlichen Lebensmitteln und zu knapp einem Viertel aus tierischen Lebensmitteln bestehen soll. Der Anteil tierischer Lebensmittel fällt laut den neuen Empfehlungen geringer aus als bisher. Sie berücksichtigen beispielsweise täglich zwei Portionen Milch und Milchprodukte, eine Portion weniger als bei den vorherigen Empfehlungen.

Maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst die Woche

Zudem sei es ausreichend, wöchentlich maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst sowie ein Ei, zum Beispiel ein Frühstücksei, zu essen. Bei Fisch sollte es bei ein bis zwei Portionen wöchentlich bleiben. Zu pflanzlichen Lebensmitteln rät die DGE noch stärker als bisher: Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Linsen sowie Nüsse werden mit einer eigenen Empfehlung stärker hervorgehoben. Obst und Gemüse stellen weiterhin die mengenmäßig wichtigste Gruppe dar. Die Empfehlung, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen, bleibt in den neuen Empfehlungen – diese sollten je nach Erntesaison verzehrt werden. Allerdings entfallen die ergänzenden einzelnen Portionsangaben von drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst.

Möglichst kein Salz und kein Fett

Als Trinkmenge werden rund 1,5 Liter pro Tag angeraten, am besten Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie ungesüßter Tee. Zuckergesüßte und alkoholische Getränke sind laut DGE nicht gut. Zucker, Salz und Fett sollten möglichst gemieden werden. Sie steckten oft in verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurst, Gebäck, Süßwaren, Fast Food und Fertigprodukten. Wer davon viel isst, habe ein höheres Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes, warnt die DGE. Auch auf ausreichende Bewegung und sein Gewicht sollte man achten.

„Aus fachlicher Sicht wenig hilfreich“

„Die neuen Ernährungsempfehlungen der DGE setzen verstärkt auf pflanzliche Lebensmittel. Die Einteilung von Lebensmitteln in solche 'pflanzlichen Ursprungs' und solche 'tierischen Ursprungs', wie sie die DGE vornimmt, betrachtet die BZÄK aus fachlicher Sicht als wenig hilfreich. Denn kein Lebensmittel ist aufgrund seiner Herkunft als gut oder schlecht einzustufen. Als Beispiele seien hier Zucker, Weizenmehl und Palmfette genannt, die allesamt pflanzlich sind, aber niemand würde empfehlen, dass man davon mehr essen sollte.

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BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert

Die DGE-Empfehlungen gelten für gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren. Hier stellt sich die Frage, was mit Kranken, Kindern oder Senioren ist, die eine gesunde Ernährung benötigen? Dass diese Zahl nicht gering ist, zeigen beispielsweise die hohen Prävalenzwerte für Diabetes mellitus in Deutschland. Ein zentraler Aspekt bei den Ernährungsempfehlungen der DGE ist, dass dabei die Nachhaltigkeit und die Umweltbelastungen der Lebensmittelproduktion berücksichtigt werden sollen. Hierzu ist anzumerken, dass die von der DGE ausgesprochenen Ernährungsempfehlungen nicht 'für alle gesund', sondern allenfalls für einen Teil der Allgemeinbevölkerung praktikabel und sinnvoll sind. Sie verfolgen im Sinne der fachlich umstrittenen 'Planetary Health Diet' eine klimapolitische Motivation. Den Aspekt des Klimaschutzes teilweise über die gesundheitlichen Belange der Bevölkerung zu stellen, erscheint problematisch.“

„Da können wir als Zahnärzteschaft richtig viel Gesundheit fördern!“

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Prof. Dr. Johan Wölber, Poliklinik für Zahnerhaltung – Bereich Parodontologie, Dresden

Wie sind die neuen DGE-Empfehlungen aus zahnmedizinischer Sicht zu bewerten?

Prof. Dr. Johan Wölber: Aus ernährungs- und zahnmedizinischer Sicht sind die neuen DGE-Empfehlungen sehr zu begrüßen. Allgemein sind sie klarer und verständnisfreundlicher formuliert und halten sich nicht an den damaligen „Prozentangaben“ für einzelne Makronährstoffe auf. Wenn man sie beachtet, kann man im Vergleich zur derzeitigen Durchschnittsernährung sehr viel mehr Gesundheit im Mund und für den gesamten Körper erreichen.

Aus speziell zahnmedizinischer Sicht sind sowohl sehr gute Empfehlungen gegen Karies als auch gegen parodontale Entzündungen formuliert. Dies beinhaltet sowohl ein ganz klares Statement, Zucker und gezuckerte Getränke sowie ballaststoffarme Weißmehle eindeutig zu vermeiden. Auch die Empfehlung zu Obst und Gemüse („5 am Tag“) wird ergänzt durch den Hinweis, lediglich zwei Obstportionen am Tag zu konsumieren. Der stärkere Fokus sollte auf Gemüse liegen. Aus parodontaler Sicht sind sehr viele anti-entzündliche Empfehlungen gegeben: Fokus auf Ballaststoffe, Mikronährstoffe, Fisch/Omega-3 Fettsäuren und Reduktion von Tierfleischkonsum. Auch die Empfehlung zu (ungezuckerten!) Milchprodukten ist sowohl gegen Karies als auch gegen parodontale Entzündungen sinnvoll.

Gibt es Aspekte, die im Sinne der Zahnmedizin noch fehlen oder besser verankert sein sollten?

Nicht wesentlich, sie müssten halt nur umgesetzt werden. Es ist zu hoffen, dass diese Empfehlungen die Praktikabilität für die Menschen verbessert. Ein weiterer Schritt ist natürlich, dass die Empfehlungen auch von zahnärztlichen Teams in der Beratung adressiert und thematisiert werden. Das Thema Ernährungsberatung in der Zahnarztpraxis muss stärker unterstützt werden. Gleichzeitig bedarf es aber auch der Verhältnisprävention – wie können Lebenswelten so gestaltet werden, dass es Menschen einfacher gemacht wird, gesunde Entscheidungen im Sinne der Empfehlungen zu treffen? Derzeit sind wir stark von Werbung für krankmachende prozessierte Stoffe (wie Süßigkeiten) umgeben.

Wie beurteilen Sie die Empfehlungen im Hinblick auf die Wechselwirkungen von Allgemein- und Zahnmedizin?

Das ist ein zentraler Punkt. Viele dieser Empfehlungen wirken nicht nur präventiv gegen orale Erkrankungen (wie Karies und parodontale Erkrankungen), sondern auch gegen Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, bestimmte Krebsarten, Typ-II-Diabetes und viele andere Erkrankungen. Es sind vor allem die nicht-übertragbaren Erkrankungen, die heutzutage die Haupttodesursache in Industrienationen darstellen. Wenn zahnärztliche Teams aufgrund von oralen Erkrankungen Hinweise auf Fehlernährung sehen (letztendlich starke Abweichungen von diesen DGE-Empfehlungen), liegt darin eine unglaublich präventive Chance, dieser Fehlernährung mit Ernährungsberatung entgegenzuwirken. Da können wir als Zahnärzteschaft richtig viel Gesundheit fördern.

Das Gespräch führte Gabriele Prchala.

Vegan, mit Calcium, Jod und Vitamin B2

Auch eine vegetarische Ernährung – mit Milch, Milchprodukten und Eiern – ist machbar, so die DGE. Statt Fleisch, Wurst und Fisch könne man mehr Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, grünes Blattgemüse sowie Nüsse und Ölsaaten essen. Wenn man pflanzliche Milchalternativen verwendet, sei auf die Versorgung mit Calcium, Vitamin B2 und Jod zu achten.

Wir Deutschen essen 52 Kilo Fleisch pro Jahr!

Nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) hat sich der langfristige Trend zu einem geringeren Fleischverzehr auch im Jahr 2022 fortgesetzt: Mit 52 Kilogramm pro Person sank der Pro-Kopf-Verzehr im Vergleich zum Vorjahr um rund 4,2 Kilogramm und war damit so niedrig wie noch nie seit Beginn der Verzehrsberechnung im Jahr 1989. In Summe aßen die Menschen rund 2,8 Kilogramm weniger Schweinefleisch, 900 Gramm weniger Rind- und Kalbsfleisch sowie 400 Gramm weniger Geflügelfleisch.

Möglicher Grund für einen sinkenden Fleischverzehr könnte die anhaltende Tendenz zu einer pflanzenbasierten Ernährung sein, heißt es. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 9,8 Prozent weniger Schweine- und 8,2 Prozent weniger Rind- und Kalbfleisch produziert. Die Nettoerzeugung von Geflügelfleisch sank um 2,9 Prozent.

Wie die DGE betont, zeigen die aktualisierten Empfehlungen eine Idealsituation auf. Grundsätzlich gelte aber: Bereits kleine Veränderungen in der täglichen Ernährung sind schon ein Schritt in die rich­tige Richtung – hin zu einer gesundheitsfördernden und umweltschonenderen Ernährung.

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