"Mein Beruf ist für mich wie ein Maßanzug!"
Herr Dr. Schirbort, wie sieht die Bilanz Ihrer standespolitischen Arbeit im KZBV-Vorstand aus?
Dr. Karl Horst Schirbort: Wir haben trotz schwierigster Bedingungen einiges erreicht: Die Mehrkostenregelung im Füllungsbereich war sicherlich ein Erfolg. Es gab ja damals ein totales Zuzahlungsverbot. Mit Unterstützung der Wissenschaft konnten wir der Politik klarmachen, dass für einen größeren Aufwand auch mehr Kosten entstehen und dass dafür entsprechende Vereinbarungen erforderlich sind. Ich glaube, dass das den Kollegen, was die wirtschaftliche Situation angeht, sehr geholfen hat - bis zum heutigen Tag.
Außerdem gibt es heute die Festzuschüsse - wenn auch in anderer Form, als wir uns das vorgestellt hatten, mit einer großen Anzahl bürokratischer Auflagen. Auch in der Datenfrage haben wir mit der Sensibilisierung der Datenschutzbeauftragten eine Menge erzielt. Wir haben es sogar geschafft, die Medien auf unsere Seite zu ziehen.
"Das Grundübel ist nach wie vor die Sachleistung!"
Was lautet Ihr standespolitisches Credo?
Mein Credo hat sich nicht verändert. Ich kämpfe bis zum heutigen Tag für eine freiberufliche Gesundheitspolitik und auch immer noch für die Kostenerstattung, obwohl der Zug zunächst abgefahren ist. Ich sehe es noch immer so: Das Grundübel ist nach wie vor die Sachleistung. Das ist natürlich auch aus heutiger Sicht hochpolitisch, weil die jetzige Regierung - und wahrscheinlich auch die, die kommt - das Sachleistungssystem im Gesundheitswesen ganz nach vorne stellt.
Wie war es für Sie persönlich, 1994 KZBV-Vorsitzender zu werden?
Ich ging mit gemischten Gefühlen nach Köln. Bis dato hatte die Bundesebene ja noch das Gesamtverhandlungsmandat, um Verträge mit den Krankenkassen abzuschließen. Dann wurde das Ganze in die Länder an die KZVen delegiert. Das machte das politische Leben nicht leichter.
"Ich habe dann erst einmal mit meiner Frau telefoniert …"
Vor der Wahl fuhr ich zu einer Sitzung des erweiterten Bundesvorstandes des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) nach München. Zuvor hatte ich meiner Frau fest in die Hand versprochen, mich nicht für den KZBV-Vorsitz aufstellen zu lassen. Ich habe die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Die Ländervorsitzenden und auch der Bundesvorstand des FVDZ standen einer nach dem anderem auf und baten mich, die Kandidatur anzunehmen. Das hatte mich einerseits sehr positiv berührt, aber auch negativ betroffen gemacht, weil ich ja mit anderen Vorstellungen hingefahren war. Ich habe dann erst einmal mit meiner Frau telefoniert …
Ein Blick zurück: Was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?
In manchen Fragen war ich denen gegenüber, die nicht die Traute hatten, Dinge zu ändern, zu zurückhaltend. Das würde ich aus heutiger Sicht nicht mehr so handhaben.
"Es ist immer gut, wenn Leute am Tisch sitzen, die eine andere Meinung vertreten."
Wie sind Sie mit kontroversen Meinungen umgegangen?
Ganz ehrlich: Andere haben manchmal Probleme damit gehabt, wie ich Dinge beurteile und wie ich gehandelt habe. Aber aus unterschiedlichen Auffassungen entsteht für meine Begriffe auch eine gewisse Kreativität. Es ist immer gut, wenn Leute am Tisch sitzen, die eine andere Meinung vertreten. Wenn das vernünftig begründet werden konnte, konnte man das gut ins Gesamtgeschäft übernehmen. Ich selbst habe mich eher zu denen gerechnet, die entscheidungsfreudig waren. Wenn ich von einer Sache selbst überzeugt war, dann habe ich auch entsprechend entschieden.
Was kam nach Ihrem Amt als KZBV-Vorsitzender?
Ich war neun Jahre lang im Versorgungswerk der Zahnärztekammer Niedersachsen als Vorsitzender tätig. Hier ging es um die schwierige Aufgabe, wieder genügend Rücklagen für die Rentenauszahlung zu bilden und dabei den Kollegen auch unbequeme Botschaften beizubringen. Und bis heute bin ich Vorsitzender der Vereinigung Unabhängiger Vertragszahnärzte (VUV) und möchte meinen Kollegen freiberufliche Werte vermitteln.
"Ich habe zweimal großes Glück im Leben gehabt!"
Wie beurteilen Sie die Bereitschaft junger Kollegen, sich in der Standespolitik zu engagieren?
Aus standespolitischer Sicht sehe ich die Entwicklung kritisch, weil die Bereitschaft der Enkelgeneration, sich mehr einzubringen, geringer geworden ist. Die jungen Kollegen sind sehr schwer zu bewegen, sich für Standespolitik einzusetzen. Ich sehe, dass man aus politischen Gründen den freiberuflichen Arzt und Zahnarzt gar nicht mehr haben will, sondern die medizinischen Versorgungszentren. Dann ist es nicht verwunderlich, dass den jungen Kollegen die Freude an der Freiberuflichkeit genommen wird. Sie stecken in wirtschaftlichen Zwängen. Es gilt, die Enkelgeneration wieder von freiberuflichen Werten zu überzeugen.
Was ist Ihnen im Leben besonders wichtig?
Ich habe zweimal großes Glück im Leben gehabt: Zum einen habe ich eine Frau gefunden, die mich immer unterstützt hat, vor allem in der Standespolitik. Zum anderen habe ich einen Beruf gewählt, der für mich wie ein Maßanzug geschneidert war: Zahnarzt. Was will man mehr?