Mit einer App gegen die Zahnarztangst
Ziel des Teams vom NYU College of Dentistry und der Penn School of Dental Medicine war, die Zahnarztangst mithilfe einer App über eine kognitive Verhaltenstherapie und Prinzipien der Achtsamkeit anzugehen. Denn obwohl es evidenzbasierte kognitive Verhaltensbehandlungen gegen Zahnarztangst gibt, sind diese nicht weitverbreitet und werden den Wissenschaftlern zufolge überdies meist nur in Präsenz durchgeführt.
Für ihre Pilotstudie entwickelten sie eine Verhaltenstherapie mit abgestufter Betreuung, die (Schritt 1) eine mobile App („Dental Fearless“) und für diejenigen, die weiterhin unter Ängsten leiden, (Schritt 2) eine einstündige, individuelle psychologische Behandlungssitzung umfasste. Gegenstand der Therapie war dabei eine Exposition gegenüber den am meisten gefürchteten Reizen des Patienten. Rekrutiert wurden 48 Probanden mit mittelschwerer bis schwerer Zahnarztangst.
Bei Zahnarztangst besteht oft eine enorme Kluft zwischen Patienten und Zahnärzten
In der App wurden sie durch Lehrmaterialien zum Thema Angst und Furcht geführt, an die Hand bekamen sie Strategien für den Zahnarztbesuch, für Atemübungen und zur Muskelentspannung bis hin zum Umgang mit nicht hilfreichen Gedanken. Die Teilnehmer sahen sich außerdem Videos an, die die Interaktion zwischen Zahnärzten und Patienten zeigten, und übten anschließend die erlernten Verhaltensweisen. Abschließend erstellten sie einen individuellen Aktionsplan zur Angstbewältigung.
Probanden, die nach der Nutzung der App immer noch Angst vor dem Zahnarzt hatten, nahmen dann noch an einem persönlichen Zoom-Gespräch mit einem Psychologen teil. Die einstündige Sitzung beinhaltete einen simulierten Besuch beim Zahnarzt – komplett mit Bohrgeräuschen und einem Arzt, der OP-Bekleidung trägt.
Im Ergebnis nutzten alle Teilnehmer die App, und eine Untergruppe absolvierte zusätzlich die Einzelsitzung. Nach dem nächsten Zahnarztbesuch hatte die Hälfte (49 Prozent) der Teilnehmer keine Angst mehr, fast alle (97 Prozent) gaben an, dass sie sich jetzt zu einem Zahnarztbesuch in der Lage sehen. Die meisten Patienten (85 Prozent), die die Unannehmlichkeiten beim Zahnarztbesuch effektiv bewältigen konnten, gaben an, der Termin sei besser verlaufen als erwartet, und mehr als die Hälfte (60 Prozent) sagte, die verspürte Angst sei weniger stark als erwartet gewesen.
„Diese Techniken ermöglichen es den Patienten, ihre Gedanken, Gefühle und ihr Verhalten bei ihrem nächsten Zahnarzttermin zu steuern“, resümiert Richard Heyman, leitender Forscher der Zahnarztangst-Forschung am NYU.
Angstlösende Medikamente oder Sedierung sind „mitfühlend, aber kontraproduktiv“
Dennoch bieten ihmzufolge nur sehr wenige Praxen kognitive Verhaltenstherapien gegen Zahnarztangst an. Stattdessen würden den betroffenen Patienten häufig angstlösende Medikamente oder Sedierung verschrieben – Behandlungen, die „mitfühlend, aber kontraproduktiv“ sind, sagt Heyman. „Die Einnahme von Beruhigungsmitteln oder angstlösenden Medikamenten kann einem ängstlichen Patienten signalisieren, dass er den Zahnarztbesuch ohne diese Hilfe nicht ertragen kann, was den Kreislauf der Angst, der Vermeidung des Zahnarztbesuchs und der anschließenden Behandlung schwerwiegenderer Probleme fortsetzt“, fügt er hinzu.
Darüber hinaus bemerken Zahnärzte möglicherweise nicht einmal, dass ihre Patienten Angst haben. „Bei Zahnarztangst besteht oft eine enorme Kluft zwischen Patienten und Zahnärzten“, berichtet Kelly Daly, Forscherin an der NYU Dentistry. „Angst kann sich in Form von Aggressivität, Unhöflichkeit, Nichterscheinen oder Stornierungen äußern. Daher liegt es im größten Interesse der Zahnärzte, Patienten dabei zu helfen, ihre Angst zu überwinden.“
Heyman RE, Daly KA, Slep AMS, Wolff MS. Leveraging technology to increase the disseminability of evidence-based treatment of dental fear: An uncontrolled pilot study. J Public Health Dent. 2023. https://doi.org/10.1111/jphd.12598