Nährwertangaben können Wahrnehmung von VerbraucherInnen verzerren
Die Forschenden führten für ihre im Journal „Food Quality and Preference“ erschienene Untersuchung drei Experimente durch, um den Einfluss von Hinweisen auf der Verpackung von Joghurts auf die Wahrnehmung und das Kaufverhalten zu untersuchen. Insgesamt nahmen 760 Personen aus den USA an den Online-Experimenten teil.
Sie wurden gebeten, den Kaloriengehalt, den Zuckergehalt und den Fettgehalt auf einer siebenstufigen Skala zu bewerten. Außerdem sollten sie angeben, ob sie das Produkt kaufen würden. „Wir wollten herausfinden, ob Hinweise auf einen reduzierten Fettgehalt den Gesamteindruck eines Produkts verändern“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Studienleiter PD Dr. Steffen Jahn von der MLU.
Die Ergebnisse zeigen: Die Befragten schätzten den niedrigeren Kaloriengehalt des fettarmen Joghurts meist richtig ein. Gleichzeitig glaubten sie aber auch, dass der Joghurt weniger Zucker enthielt als der Joghurt ohne diese Angabe. Im zweiten und dritten Experiment wurde einem Teil der Befragten das fettarme Produkt nach dem ersten Durchlauf noch einmal mit den tatsächlichen Nährwertangaben auf der Vorderseite gezeigt.
Verzerren Hersteller mit den Angaben bewusst die Wahrnehmung?
Diese Gruppe korrigierte ihre Meinung zum Zuckergehalt. Gleichzeitig sank ihre Kaufbereitschaft, obwohl der fettarme Joghurt weniger Kalorien enthielt. Einer Vergleichsgruppe wurden fettarme Produkte direkt mit den Nährwertangaben auf der Vorderseite der Packung präsentiert, ihre Kaufabsicht änderte sich nicht.
„Viele Menschen wollen sich gesund ernähren, schaffen dies aber aus vielfältigen Gründen nicht. Dabei spielen auch die Angaben auf Lebensmittelverpackungen eine Rolle, da sie die Wahrnehmung der Verbraucherinnen und Verbraucher verzerren können“, so Jahn. Diesen Effekt würden sich einige Hersteller zunutze machen: In Australien wurde eine Kuchenmischung mit „97 Prozent fettfrei“ beworben, die gleichzeitig zu 55 Prozent aus Zucker bestand.
VerbraucherInnen wählen Pom-Bär Ofen-Minis zur dreistesten Werbelüge 2023
Intersnack Deutschland erhält den Negativpreis Goldener Windbeutel: Bei einer Online-Abstimmung der Verbraucherorganisation foodwatch wählten rund 28 Prozent der mehr als 50.000 TeilnehmerInnen die Pom-Bär Ofen-Minis zur dreistesten Werbelüge des Jahres. Die Kritik: Intersnack bewirbt den Snack mit „50 Prozent weniger Fett“ und erweckt so einen gesünderen Eindruck – doch die Chips in Bärenform enthalten etwa sechs Mal so viel Zucker wie die Original Pom-Bären.
Nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation dürften die Pom-Bären aufgrund des Zucker- und Salzgehalts gar nicht erst an Kinder beworben werden. Gegenüber Spiegel Online begründete Intersnack den höheren Zuckergehalt der Pom-Bär Ofen Minis mit einem abweichenden Herstellungsprozess. Der Lebensmittelkonzern aus Nordrhein-Westfalen wies den Vorwurf zurück, mit dem Produkt vor allem Kinder anzusprechen. Man sei eine Familienmarke, zu der Eltern und Familien greifen sollten, lautete das Argument.
„Unsere Studie zeigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sich von einem Produkt getäuscht fühlen können, obwohl Herstellerangaben wie 'fettarm' streng genommen stimmen, aber gleichzeitig einen Teil der Wahrheit verdecken“, sagt Jahn abschließend. Hersteller sollten diese Praxis überdenken, wenn sie langfristig ihre Kundinnen und Kunden binden wollen, so der Forscher. Eine Möglichkeit sei es, die Nährwerte der Produkte direkt auf der Vorderseite anzugeben.
Jahn S. et al. Truthful yet misleading: Consumer response to 'low fat’ food with high sugar content. Food Quality and Preference (2023). doi: 10.1016/j.foodqual.2023.104900