„Niederlassung lohnt sich – auch auf dem Land!“
„Zahnmediziner haben eine wichtige Entscheidung getroffen: Für einen heilenden Beruf, bei dem Einiges auf dem Spiel steht: die Gesundheit, das Wohlergehen, im Extremfall das Leben von echten Menschen.“ Mit diesen Worten begrüßte BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz heute die Delegierten zur diesjährigen Bundesversammlung in Schönefeld bei Berlin. „Wer diese Verantwortung anstrebt, der will selbst entscheiden, wie er oder sie die Praxis führt und die Zusammenarbeit im Team organisiert. Und deshalb ist die Selbstständigkeit der Freien Berufe immer das gewesen, was am besten zu uns als Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern passt: die eigene Praxis, das eigene Team, die eigenen Patientinnen und Patienten.“
„Die kleine Praxis hat Deutschland an die Weltspitze der Mundgesundheit geführt!"
Genau diesen Zielen lege die Gesundheitspolitik Steine in den Weg. Dennoch, so Benz, wolle er positive Botschaften in den Berufsstand senden, vor allem an die junge Kollegenschaft. „Wir werden zusammen für eine gute Zukunft kämpfen“, sagte er. Ein wichtiger Punkt: Die Niederlassung, die sich nach wie vor lohne, auch auf dem Land. „Die kleine Praxis hat Deutschland an die Weltspitze der Mundgesundheit geführt, gerade auch weil sie ihre Patienten nicht nach Rendite selektieren kann und weil sie die Struktur ist, die sich den Bedürfnissen des ländlichen Raumes optimal anpasst.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte kurzfristig sein Kommen abgesagt. Stattdessen war Andreas Brandhorst, Referatsleiter Zahnmedizin im BMG, erschienen, um – nicht ohne ein leichtes Augenzwinkern – Lauterbachs Rede im Wortlaut („Ich freue mich, vor Ihnen zu sprechen …“) vorzutragen. Der Minister erklärte darin, die wiedereingeführte Budgetierung der neuen Parodontistherapiestrecke im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) sei angesichts des Defizits im GKV-Bereich notwendig gewesen. Der Fehlbetrag sei auf mehrere Schultern verteilt worden – auch Ärzte, Apotheker und die Pharmabranche seien in die Pflicht genommen worden. Die Maßnahmen halte er nach wie vor für vertretbar. Überdies seien weitere Strukturreformen im Gesundheitswesen in Arbeit – wie etwa die Krankenhausreform. Auch das Thema investorenbetriebene MVZ griff der Minister auf. Er stehe dem Modell kritisch gegenüber, neue Regelungen dazu seien in Arbeit, ließ er Brandhorst in seinem Namen verkünden. Nachbesserungsbedarf sehe er auch bei der Approbationsordnung für Zahnärzte (ZApprO).
Dietrich Monstadt (CDU), Mitglied im Bundestags-Gesundheitsausschuss und Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für den Bereich Zahnmedizin, zeigte Verständnis für den Unmut der Zahnärzte über die gegenwärtige Gesundheitspolitik. „Räumen Sie mit den Missständen auf“, ermunterte er den Berufsstand. Monstadt begrüßte die Warnemünder Erklärung der BZÄK und deren Ziel, Lösungsansätze für aktuelle zahnärztliche Versorgungsprobleme zu präsentieren. Teuren Doppelstrukturen in der Versorgung – wie etwa Gesundheitskiosken – erteilte er eine Absage: „Halten Sie dagegen, Sie haben die Sachargumente!“ Auch unterstütze er die Niederlassung junger Zahnärzte auf dem Land. Hier gebe es bereits gute Lösungsansätze, um junge Zahnärztinnen und Zahnärzte zur Praxisgründung zu motivieren: „Der ländliche Bereich ist für Zahnarztpraxen auch wirtschaftlich erfolgreich“, sagte er. Die PAR-Behandlung erachte er als wichtig für die allgemeine Gesundheitsversorgung. Deswegen sei für ihn nicht verständlich, dass die Politik die neue, präventionsorientierte Parodontitistherapie ausgebremst habe. „Bleiben Sie dran und kämpfen Sie“, forderte er die Zahnärzteschaft auf.
Die Gefährdung des Sicherstellungsauftrags in der zahnärztlichen Versorgung griff Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), in seinem Grußwort auf. Er kritisierte vor allem die Missachtung, die mangelnde Wertschätzung der Selbstverwaltung und die Tonalität seitens der Politik. Angekündigte Reformen würden nicht umgesetzt. Vor allem kritisierte er die mit dem GKV-FinStG wiedereingeführte strikte Budgetierung, die allem voran die neue, präventionsorientierte Parodontitistherapie bedrohe. Dies führe zur Verschlechterung der Gesundheit im Land. Die Forderung der KZBV: „Weniger Staat, eine Verbesserung der beruflichen Rahmenbedingungen, eine dauerhafte Abschaffung der Budgetierung und praxisnahe digitale Lösungen!“
„Wohin entwickelt sich unser Gesundheitssystem?“, fragte Dr. Christian Öttl, neuer Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ). Er warnte vor Tendenzen einer zunehmenden Verstaatlichung wie seinerzeit in der DDR oder wie im britischen Gesundheitswesen NHS. „Wir haben eines der besten zahnmedizinischen Versorgungssysteme der Welt – lassen Sie uns dieses erhalten,“ so sein Appell.
Zum Auftakt der Versammlung wurden der langjährige ehemalige Vorsitzende des Vorstands der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, und Lutz Müller, langjähriger Vorsitzender des Bundesverbandes Dentalhandel (BVD), mit der Goldenen Ehrennadel der BZÄK geehrt. „Unter der Ägide von Wolfgang Eßer wurden wesentliche und wichtige Verbesserungen in der vertragszahnärztlichen Versorgung gesetzlich verankert, auch in Zusammenarbeit mit der BZÄK und der Wissenschaft“, sagte BZÄK-Präsident Benz in seiner Laudatio. Dazu gehörten etwa Eßers Verdienste um das Versorgungskonzept der Zahnärzteschaft für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung, das Konzept zu Early Childhood Caries (ECC) und die Verankerung der PAR-Behandlungsstrecke in der GKV. „Alles, was wir erreichen konnten, haben wir auf Initiative der Zahnärzteschaft erreicht“, kommentierte Eßer in seiner Dankesrede. Und: „Wir alle müssen unsere Komfortzone verlassen und der Politik klare Kante zeigen: Es reicht!“