Entdeckung eines neues spezifisches Antibiotikums?

Phagenprotein tötet Staphylococcus-aureus-Keime in Minuten

br
Zahnmedizin
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) testen in einer klinischen Studie der Phase I einen neuentwickelten Wirkstoff gegen Staphylococcus aureus im nasalen Mikrobiom.

Staphylococcus aureus zählt zu den gefürchteten Infektionserregern und Krankenhauskeimen – die MRSA-Stämme des Bakteriums sind inzwischen unempfindlich gegen viele der gebräuchlichen Antibiotika. „Etwa 30 bis 40 Prozent der Menschen sind natürlicherweise in der Nasenhöhle mit einem Staphylococcus-aureus-Stamm besiedelt“, erklärt Prof. Karsten Becker, mikrobiologischer Facharzt an der Universitätsmedizin Greifswald und einer der wissenschaftlichen Leiter der Phase I-Studie.

„Kommt es bei einem Krankenhausaufenthalt zu einer Infektion mit diesem Erreger – beispielsweise einer Sepsis oder Wundinfektion – ist zu einem sehr hohen Prozentsatz genau dieser Stamm aus der Nasenhöhle dafür verantwortlich. Handelt es sich um einen MRSA-Stamm, wird eine antibiotische Therapie durch dessen Multiresistenz zusätzlich erschwert. Hinzu kommt ein hoher krankenhaushygienischer Aufwand, um eine Ausbreitung eines MRSA-Stammes im Krankenhaus zu verhindern. Um diese Gefahren zu verringern, braucht es ein wirksames Mittel, um den Erreger aus der Nasenhöhle zu entfernen. Mit der bisher vorrangig eingesetzten Nasensalbe erreicht man eine Erregerbeseitigung jedoch erst nach mehrfacher Gabe über mehrere Tage und als antibiotikahaltiges Mittel unterliegt es auch selbst einer Resistenz­­entwicklung“, verdeutlicht Becker.

Das Protein wirkt hochspezifisch

Um dem Problem beizukommen, haben Wissenschaftler der Universitätskliniken Tübingen, München, Münster und Greifswald gemeinsam mit der HYpharm GmbH im bayerischen Bernried und mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den letzten Jahren einen Wirkstoff der besonderen Art entwickelt und seine Wirkung untersucht: Ein sogenanntes Phagenlysin, das heißt ein Protein aus Viren, die ausschließlich Bakterien befallen, greift hochspezifisch Staphylococcus aureus-Zellen an und zerstört sie. Das Protein wurde künstlich hergestellt und als „Designer-Protein“ unter dem Namen HY-133 optimiert. 

Dabei konnten sie zeigen, dass HY-133 in der Lage ist, innerhalb von wenigen Minuten Staphylococcus aureus-Zellen zu zerstören – unabhängig davon, ob es sich um einen MRSA-Stamm handelt oder nicht. „Besonders vorteilhaft ist dabei, dass das Phagenlysin nicht auf andere Mikroorganismen wirkt und somit die sogenannte ‚Normalflora‘ – wir sagen heute Mikrobiota – in der Nasenhöhle nicht beeinträchtigen wird“, erläutert Becker.

Für die klinische Prüfung wurde der Wirkstoff von den DZIF-Professoren Evgeny A. Idelevich und Becker vom Friedrich Löffler-Institut für Medizinische Mikrobiologie in Greifswald und Prof. Andreas Peschel in Tübingen vorbereitet. Mehr als fünf Millionen Euro wurden dafür im DZIF für die Herstellung nach den Grundsätzen der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP), präklinische Prüfung und Entwicklung einer stabilen Formulierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München (Prof. Dr. Gerhard Winter) bis hin zur Durchführung der klinischen Phase I bereitgestellt. 

Unter der Verantwortung von Dr. med. Sebastian Volc begann am 10. Juli 2024 am Studienzentrum Immundermatologie am Universitätsklinikum Tübingen (Studien-Sponsor) die Phase-I-klinische Studie. In der randomisierten, doppel-verblindeten, Placebo-kontrollierten „First-In-Human“-Studie mit Einzeldosen und Mehrfachdosen wird die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit von HY-133 untersucht. Zusätzlich wird die Auswirkung von HY-133 auf das natürliche Mikrobiom der Nase getestet. Die Studie startete nun mit der Rekrutierung der ersten Probanden – klinisch gesunde Freiwillige, die positiv auf eine Nasenbesiedlung mit S. aureus getestet, wurden aber keine Erkrankungssymptome aufweisen.

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