Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung

Psychische Erkrankungen: 2022 über 7,5 Millionen Neudiagnosen

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Medizin
Psychische Störungen bei Erwachsenen zeigen vielfach rückläufige Trends, aber ein hohes Inzidenzniveau bei Belastungsreaktionen, psychosomatischen Störungen und Depressionen.

Im Jahr 2022 ist bei 7,52 Millionen gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten ab 18 Jahren mindestens eine psychische Störung oder Verhaltensstörung nach jeweils zwei diagnosefreien Jahren neu diagnostiziert worden (mittleres Alter 49 Jahre). Besonders häufig sind Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (29 Prozent Anteil an allen Erstdiagnosen aus diesem Diagnosebereich) erstmals vertragsärztlich versorgt worden, gefolgt von somatoformen Störungen (27 Prozent) und depressiven Episoden (18 Prozent). Weitere längerfristige Anstiege zeigten sich bei Angst- und Belastungsstörungen. Auch bei den Essstörungen waren 2021 und 2022 leichte Inzidenzzunahmen zu beobachten. Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Versorgungsatlas-Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi).

Frauen deutlich häufiger von Depressionen betroffen

Bei den depressiven Störungen zeigten die Abrechnungsdaten von 2015 zu 2022 bei den 18- bis 24-Jährigen sowie den 25- bis 29-Jährigen deutliche Inzidenzanstiege (plus 26 beziehungsweise plus 12 Prozent). Dagegen war die Inzidenz in den Altersgruppen ab 30 Jahre durchweg rückläufig (im Durchschnitt minus 17 Prozent). Frauen sind mit einem Anteil von rund 64 Prozent der Erstdiagnosefälle 2022 deutlich häufiger betroffen als Männer. Die Inzidenz depressiver Störungen ging 2015 bis 2022 in 15 Regionen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zurück. In Sachsen-Anhalt (plus ein Prozent) und Sachsen (plus acht Prozent) stieg die Inzidenz hingegen an.

Die Inzidenz somatoformer Störungen (körperliche Beschwerden ohne erkennbare organische Ursache) ging mit Ausnahme der ab 80-Jährigen im Beobachtungszeitraum in den meisten Altersgruppen zurück. Auch hier zeigten sich starke Geschlechtsunterschiede mit vielfach höherer Inzidenz bei Frauen (rund 70 Prozent). Das Krankheitsbild der nichtorganischen Schlafstörungen zeigte von 2015 zu 2022 Inzidenzanstiege in allen Altersgruppen zwischen 10 Prozent (70 bis 74 Jahre) und 38 Prozent (25 bis 29 Jahre). In allen Altersgruppen waren Frauen häufiger betroffen (rund 65 Prozent).

„Die mentale Gesundheit der Bevölkerung ist in den letzten Jahren, vor allem im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und weiteren krisenhaften Entwicklungen, zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dies wird durch eine zunehmende Entstigmatisierung psychischer Störungen begleitet. Hohe Arbeitsunfähigkeits- und Erwerbsminderungsrentenzahlen infolge von psychischen Störungen verdeutlichen die enormen gesellschaftlichen Folgewirkungen dieser Krankheitsbilder“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Die damit verbundenen direkten und indirekten Kosten hätten einen signifikanten Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, erklärt Stillfried weiter. „Unsere aktuelle Studie liefert erstmals Erkenntnisse zu Inzidenztrends über einen Zeitraum von acht Jahren für ein breites Spektrum psychischer Störungen und Verhaltensstörungen bei Erwachsenen. Die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland gilt im internationalen Vergleich als nahezu beispiellos. Dennoch werden vielfach Forderungen nach einem weiteren Ausbau laut. Vor diesem Hintergrund liefern unsere Analysetrends eine wichtige Diskussionsgrundlage für die evidenzgestützte Weiterentwicklung der ambulanten Versorgungsstrukturen.“

Datengrundlage sind die bundesweiten vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V aus den Jahren 2013 (1. Quartal) bis 2023 (3. Quartal). Für 37 psychische und Verhaltensstörungen sind die rohe sowie die altersstandardisierte kumulative Diagnoseinzidenz pro 10.000 GKV-Versicherte ab 18 Jahre nach zwei Jahren diagnosefreier Vorbeobachtungszeit berechnet worden. Weiterhin werden rohe und altersstandardisierte Inzidenzwerte auf Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen (N=17) sowie der Landkreise und kreisfreien Städte (N=401, Gebietsstand 31. Dezember 2016) berichtet. Die Standardbevölkerung zur direkten Altersstandardisierung bildete die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahre zum Stichtag 31. Dezember 2022.

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