Sattelstühle: "Welch schwierig Ding ist die richtige Entscheidung ..."
Leserbrief zum Titel„Zahnärztliche Ergonomie – Taugt der Sattel in der Praxis?“, zm 21/2017, S. 24–36.
„Ein Sattel gehört auf ein Pferd und nicht in die Zahnarztpraxis“. Diese 11 Wörter sind das Resümee einer tiefgründigen und subtilen Abhandlung über richtiges Sitzen. Die Erörterungen sind absolut wissenschaftlich nach den bekannten Brockhaus-Kriterien: „Wissenschaft ist der Inbegriff des durch Forschung, Lehre und überlieferte Literatur gebildeten, geordneten und begründeten, für gesichert erachteten Wissens unserer Zeit“. Sie füllen eine Lücke über ein praxisnahes Thema.
Aber es befällt einen uralten Ergonomie-Praktiker der winzige Verdacht, als ob die vier ehrenwerten Autoren, alles tiefernste Wissenschaftler, versucht haben, „das Rad neu zu erfinden“, noch dazu das Reserverad. Die Arbeitsgruppe „Ergonomie“ der FDI hat bereits 1979 beim Weltzahnärztekongress in Paris der Generalversammlung ein Statement zur Arbeitshaltung und damit auch des Sitzens vorgelegt. 1994 gab es in Barcelona den Technischen Bericht Nr. 6 der Europäischen Gesellschaft für Zahnärztliche Ergonomie (EGZE) zur Arbeitshaltung am zahnärztlichen Behandlungsplatz. Das war alles nicht so wissenschaftlich tief untermauert, aber für den Anwender, sprich Zahnarzt, eine praxisnahe Empfehlung. Gleichwohl ist die jetzige Beweisführung von großer Bedeutung.
Bleiben wir anwendungsnah: Der ergonomisch bewusste Zahnarzt, der seine Behandlungsplätze mit neuen Arbeitsstühlen ausstatten will, sollte zunächst die zehn Druckseiten in den zm lesen (Wer tut dies schon?), und zwar mehrmals (beim ersten Mal geht es noch nicht ins Verständnis). Dann sollte er sich Arbeitsstühle nach den zwei Prinzipien probeweise beschaffen, Sattel und Sessel, jeweils ein Prinzip für jeden Behandlungsplatz. Nach einem halben Jahr, wenn er und sein Assistenzteam genug eigene Erfahrung mit den Prinzipien des Sitzens und der Arbeitsmöglichkeiten im Patientenmund haben, soll er den Stuhl kaufen, auf dem er oder seine Assistentin persönlich am besten sitzen. Es ist z. B. ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Legen einer Füllung am Zahn 28 okklusal-mesial und einer PZR. Dazu muss er so sitzen, wie er bereits 1979 bei der FDI und 1994 bei der EGZE gelernt haben sollte. Ob er richtig entschieden hat, wird er allerdings erst langfristig, spätestens vor dem Ruhestand an dem Zustand seines Muskel-Skelett-Systems empfinden.
Noch einmal seien die Schlussworte des Vier-Autoren-Statements zitiert: „Ein Sattel gehört auf ein Pferd und nicht in die Zahnarztpraxis.“
Dr. med. dent. Bert Wagner,Weißenstadt