So einsam ist Deutschland
Einsamkeit ist in Deutschland kein Randthema, wie der neue Einsamkeitsreport zeigt. Der repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) zufolge kennen rund 60 Prozent der Menschen das Gefühl, für vier Prozent ist Einsamkeit sogar ein häufiger Begleiter. Besonders jüngere Menschen sind von Einsamkeit betroffen: In der Gruppe der 18 bis 39-Jährigen geben 68 Prozent an, sich häufig, manchmal oder selten einsam zu fühlen.
Abgesehen von der Häufigkeit scheinen die Jüngeren unter diesem Gefühl auch deutlich mehr zu leiden. 36 Prozent der 18 bis 39-Jährigen sagen laut Report, dass sie das Gefühl der Einsamkeit „sehr stark“ beziehungsweise „eher stark“ belastet. Bei den älteren Altersgruppen zwischen 40 und 59 Jahren sowie der Generation 60 plus sind es jeweils nur 19 beziehungsweise 21 Prozent.
54 Prozent glauben nicht, dass Offenheit hilft
Bei Einsamkeit handelt es sich der Umfrage zufolge auch um ein Tabuthema, besonders bei Männern. Nur 22 Prozent der männlichen Befragten, die das Gefühl der Einsamkeit kennen, geben an, dass sie zumindest manchmal mit anderen Menschen darüber reden. Bei den Frauen sind es 40 Prozent. Jeder dritte Mann (33 Prozent) und jede fünfte Frau (20 Prozent) haben sich sogar noch nie jemandem anvertraut.
Als Gründe geben 58 Prozent der Betroffenen, die nicht darüber sprechen, an, niemandem zur Last fallen zu wollen. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) glaubt nicht, dass es hilft, sich jemandem anzuvertrauen und 29 Prozent sagen, es sei ihnen unangenehm ihr Einsamkeitsgefühl zuzugeben.
Maßnahmen gegen Einsamkeit
Bei Einsamkeit wenden sich die meisten Befragten laut Report an Freunde oder Bekannte (77 Prozent) sowie an Familie oder Verwandte (68 Prozent). Etwa jede und jeder Fünfte (18 Prozent) hat schon einmal ärztliche oder therapeutische Unterstützung gesucht. Der Austausch mit anderen Betroffenen über das Internet (zwei Prozent) oder professionelle Beratungsstellen, wie zum Beispiel die Telefonseelsorge (ein Prozent), spielen eine untergeordnete Rolle, heißt es in dem Bericht.
Auf die Frage, was die Befragten tun, wenn sie sich einsam fühlen, geben knapp drei Viertel (74 Prozent) der Betroffenen an, Musik, ein Hörspiel oder Podcasts zu hören. Auch mit Aufräumen oder dem Haushalt beschäftigen sich mit 72 Prozent annähernd viele Betroffene. Spazieren gehen, TV, Serien oder Filme schauen, ist mit 71 Prozent ähnlich beliebt. Es folgen Lesen (60 Prozent), Gartenarbeit (54 Prozent) und Sport (50 Prozent). Im Internet, zum Beispiel den Sozialen Medien, verbringen fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) in so einer Situation ihre Zeit. Gefolgt von Naschen und Snacken (43 Prozent) und Kochen (36 Prozent).
Einsamkeit schlägt sich auf die psychische und körperliche Gesundheit nieder, wie der Report weiter mit Bezug auf Forschungarbeiten aufführt. Die Ergebnisse der TK-Befragung wiesen in dieselbe Richtung, auch wenn sich ein ursächlicher Zusammenhang aus den vorliegenden Daten nicht ableiten lasse.
Knapp ein Viertel der Befragten (23 Prozent), die sich häufig oder manchmal einsam fühlen, bewerten laut TK-Report ihre Gesundheit als weniger gut oder schlecht. Bei jenen, die selten oder nie einsam sind, sind es nur 13 Prozent. Mehr als die Hälfte der Befragten, die sich zumindest manchmal einsam fühlen, leidet an gedrückter Stimmung. Auch Symptome wie Erschöpfung, Müdigkeit oder Schlafstörungen kommen im Zusammenhang mit Einsamkeit häufiger vor.
Einsame Menschen leiden häufiger unter Ängsten
Fast 30 Prozent der Befragten, die häufig oder manchmal einsam sind, leiden unter Ängsten. Bei jenen, die sich selten oder nie einsam fühlen, sind es nur acht Prozent. Neben psychischen Beschwerden gibt es auch körperliche Probleme. So berichten im Vergleich deutlich mehr Befragte, die sich zumindest manchmal einsam fühlen, von Magen- oder Atembeschwerden. Jeder fünfte einsame Mensch ist davon betroffen, so der Report.
Bei der Vorstellung des Einsamkeitsreports gestern vor der Presse in Berlin wurden auch Projekte vorgestellt, um Menschen aus der Einsamkeit herauszuhelfen. Dazu gehört etwa die digitale „Angebotslandkarte“ des Kompetenznetzes Einsamkeit (KNE). Das Kompetenznetz ist eine Initiative, die sich mit den Ursachen und Folgen von Einsamkeit wissenschaftlich auseinandersetzt. Per Klick auf Orte oder Eingabe einer Postleitzahl ist erkennbar, welche Angebote es regional gibt.
Ein weiteres Angebot sind die Frauenspaziergänge „Girls Talking & Walking“, die nach amerikanischem Vorbild mittlerweile in vielen deutschen Städten angeboten werden. Hier kommen Frauen zusammen, die auf der Suche nach neuen Kontakten sind.