Hilfseinsatz in Myanmar

Unterwegs mit den Swimming Doctors (1)

Dieter Buhtz
GesellschaftSoziales Engagement
Zahnarzt Dr. Dieter Buhtz aus Berlin reiste schon oft nach Myanmar, um an Bord der MS Futura das burmesische Team bei seinen Hilfseinsätzen zu unterstützen. Hier berichtet er von seinem letzten Einsatz - der "Mission 13" vom November 2017.

Eigentlich hatte ich vor, unsere burmesische Zahnärztin Dr. Aye Muyar Soe bei ihrer Tätigkeit an Bord der MS Futura nicht nur zu beraten, sondern auch selbst zu extrahieren, zu operieren, Wurzelbehandlungen durchzuführen, Füllungen zu legen und Arbeitsabläufe zu demonstrieren. Eigentlich. Aber diesmal war vieles anders als bei früheren Einsätzen mit den Swimming Doctors, bei denen ich bislang ausschließlich junge und noch unerfahrene burmesische Kollegen begleitet hatte.

Mit der MS Futura durch Myanmar

Mit der MS Futura durch Myanmar

Und eigentlich war da auch noch eine spezielle Vorgeschichte: Ich hatte Dr. Aye Muyar Soe im Dezember 2016 für die Swimming Doctors vorgeschlagen, sie war mir durch ihr Engagement bei einer Fortbildungsveranstaltung für das Hilfswerk aufgefallen. Alter, Erfahrung, Curriculum Vitae passten. Wegen einer lange aufgeschobenen Knie-OP konnte ich sie nicht selber auf einem ihrer ersten Einsätze begleiten. Dies übernahmen aber nacheinander zwei deutsche Kolleginnen und ein Kollege.

Die Vorbereitungen auf den gemeinsamen Einsatz mit Dr. Ludger Potthoff (Kinderarzt), seiner Frau Ingrid (Hebamme) und Dr. Joe Draws (HNO-Arzt) im November 2017 laufen bereits, als wir nicht allzu lang vor unserer Abreise erfahren, dass die "Mission 13" verkürzt werden wird, da die MS Futura am 20. November zur jährlichen Inspektion ins Dock muss. Der Werftaufenthalt hätte im Oktober stattfinden sollen, stattdessen sind die Swimming Doctors aber am 1. Oktober zu einer (vermeintlich verkürzten) kompletten Mission ausgelaufen. Myanmar eben. So werden wir nur vom 16. bis 20. November an Bord sein, viel zu kurz, wie wir zu diesem Zeitpunkt meinen.

Dann geht es also mit gemischten Gefühlen am 13. November voll bepackt mit einer A380-800 der Lufthansa über Frankfurt und Bangkok nach Yangon. Bis zur letzten Minute habe ich wie immer gegrübelt, was wohl vergessen wurde, was zu viel ist, habe gewogen, umgepackt und wieder von vorne begonnen.

Mehr als 40 kg Materialien, Desinfektionsmittel, Instrumente, give aways für kleine Patienten, Brillen und ein gebrauchtes, aufgearbeitetes Heiß-Siegelgerät (zur Verpackung von Instrumenten vor der Sterilisation) sind auf dem Weg nach Myanmar. Einen Großteil haben Ingrid und Ludger, mit denen ich schon die Jungfernfahrt der MS Futura im letzten Jahr begleitet habe, und Joe aus Celle mitgenommen, da sie bei Emirates eine höhere Freigepäckgrenze haben als ich bei Lufthansa.

Und es hätte noch mehr sein können: Besonders die Firma ALPRO medical hat mich freigiebig mit Desinfektionsmitteln versorgt, 3M Espe, Ivoclar Vivadent, KaVo Kerr, lege artis, Hager & Werken, Melag und Nord West Dental mit Füllmaterialien und Instrumenten, Niemand Optik mit gebrauchten Brillen.

Ankunft in Myanmar - mit über 40 Kilo Materialien und Instrumenten

Naing Tun Aung, unser lokaler Manager für die MS Futura, holt mich Dienstagabend am Flughafen Mingaladon ab und bringt mich ins Hotel East, unserem Standardquartier in der Nähe der Sule Pagode. Am folgenden Morgen streife ich erst einmal durch die umliegenden Straßen. Yangon entwickelt sich in atemberaubendem Tempo. Während der rush hour ist man zu Fuß schneller als mit dem Auto.

Der alte Bogyoke Market ist dem neuen Bogyoke Market gewichen, soeben wurde die luxuriöse Pan Pacific Shopping Mall eröffnet, das legendäre Kult-Cafe Zawgyi House dem Erdboden gleichgemacht, nur der Scotch Market ist geblieben. Erfreulicherweise wird ein alter Kolonialbau dem Verfall entrissen und restauriert: ein Hotel soll entstehen. Auffällig ist eine deutlich höhere Polizeipräsenz als in den letzten Jahren.

Mittags bin ich mit Naing im Dentaldepot verabredet. Ich erstehe zwei Rollen Sterilisationsfolie für das mitgebrachte Siegelgerät und verhandle Preise, da wir einen zweiten zahnärztlichen Behandlungsplatz an Bord einrichten wollen. Eine portable dental unit wäre für $ US 420 ein portable dental chair mit LED light für $ US 340 zu haben, eine fest zu installierende Behandlungseinheit für $ US 2700.

Letzte Besorgungen und dann ab ins Hotel, ein kurzes Gewitter zieht auf. Abends treffen auch Ingrid, Ludger und Joe im East ein, sie hatten noch einen Abstecher nach Bagan gemacht. Wir feiern unser Wiedersehen nur kurz im Stamm-„Lokal“ Suzuki, da wir uns mit Naing am Donnerstagmorgen schon um 6 Uhr morgens auf den Weg ins Delta machen werden.

Naing holt uns pünktlich ab. Annika, eine Schweizer Journalistin, begleitet uns. Sie wird für eine englischsprachige Zeitung einen Artikel über die swimming doctors schreiben.

Nach etwa 3,5 Stunden Fahrt erreichen wir auf zum Ende hin immer holpriger werdenden Straßen Tha Ya We. Die MS Futura ankert am gegenüberliegenden Ufer, mit einer Fähre setzen wir über.

An Bord der MS Futura - ein herzliches Wiedersehen

Die Begrüßung ist freundlich, ja nahezu herzlich, mit Khein sowieso, den ich schon von Einsätzen auf der MS Zawgyi und der MS Polli her kenne, aber auch mit Muyar. Aus den Anfangszeiten der Swimming Doctors sind nur noch Kapitän U Ni, der zweite Ingenieur Aung Ko Latt (der aber zu einem Examen in Yangon geblieben ist) und eben Khein dabei.

Khein ist seit letztem Jahr zweiter Kapitän der MS Futura und nebenher first dental assistant - eine Position, die er schon auf der MS Zwagyi inne hatte. Als Koch wurde er durch Hla Myo ersetzt, trotzdem ist er nach wie vor an Bord Mädchen für alles.

Beide Allgemeinärzte (General Practioners), Dr. Than Myint und Dr. Nay Hmue Zaw, sind erst relativ kurze Zeit dabei. Auch die drei jungen nurses sind Ingrid, Ludger und mir noch unbekannt. Allerdings sind auf dieser Mission nur Theingi und Ei Ei dabei, Myat Noe ist für ein Examen in Yangon geblieben.

Seit etwa einem Jahr haben wir mit einer schwer erklärbaren Fluktuation im medical team zu kämpfen. Obwohl das medical team am Ende jeder Mission eine komplette Woche frei hat, scheint die Trennung von den Familien eine Rolle zu spielen, Yangon mit den Möglichkeiten einer Großstadt, aber auch bequemere Stellenangebote im National Health Service, vielleicht locken aber auch anderweitig höhere Gehälter.

Da schickt es sich gut, dass mit Dr. Win Ko Oo zusätzlich erstmals ein junger Arzt an einem Einsatz teilnimmt, dessen Studium über das Mentorenprogramm der Stiftunglife finanziert wurde. Zukünftig sollen alle Alumni mindestens einen Einsatz mitfahren.

Muyar hat offensichtlich erst morgens von unserer unmittelbar bevorstehenden Ankunft erfahren und muss nun in aller Hektik die von ihr belegte Kabine VIP 2 für Joe und mich räumen und in eine Einzelkabine umziehen. Im Nachhinein wird sie diesen Umzug begrüßen und diese Kabine permanent belegen, da es dort etwas abgeschiedener und ruhiger ist.

Zurück bleiben in ihrer alten Kabine zunächst viele kleine gelbe Notizzettel an den Wänden mit burmesischen Redewendungen und ihrer Übersetzung ins Englische, ein Beweis ihres sozialen Engagements: Nach ihrer Arbeit unterrichtet sie nämlich täglich noch unentgeltlich zwei Seeleute im Englischen.

Wir richten uns so rasch wie möglich ein wenig ein. Joe, der schon im East Hotel mit gespielt wehmütigen Blicken auf das gegenüberliegende Luxushotel Shangrila kokettiert hatte, arrangiert sich mit Humor und betont gefasst mit den einfachen Gegebenheiten der MS Aida und MS Futura und damit, dass er mit mir in der Kabine eine weitere nächtliche Geräuschquelle neben dem lauten Schiffsgenerator hat.

Via Handy mit entsprechenden Kommentaren an seine Familie übermittelte Fotos von den sanitären Einrichtungen werden ihm nach Rückkehr zweifellos den Status eines unerschrockenen Abenteurers und einen heldenhaften Empfang garantieren. Wir reservieren zwar von den drei Toiletten und Duschen je eine für uns vier, finden aber übereinstimmend alles wesentlich sauberer und hygienischer vor als letztes Jahr. Dann geht es in die Behandlungsräume.

Wie es weiter geht, lesen Sie hier:

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