Verkaufen rumänische Privatunis Zahnarzt-Diplome?
Auch der belgische Gesundheits- und Pflegesektor leidet unter einem akuten Fachkräftemangel. Gefüllt werden diese Lücken unter anderem von ausländischen Ärzten und Zahnärzten, berichtet Frank Herrebout vom Flämischen Verband der Zahnärzte (Verbond der Vlaamse Tandartsen, VVT) dem belgischen öffentlich-rechtlichen Sender VRT. Mittlerweile habe fast die Hälfte der Zahnärzte (2022: 44 Prozent), die sich in Belgien neu niederlassen, ihren Abschluss im Ausland gemacht. Wie die belgische Tageszeitung De Standaard berichtet, haben die meisten von ihnen in Rumänien studiert. Viele kommen ursprünglich aus Nordafrika, hauptsächlich aus Tunesien.
Der Zahnärzteverband beobachtet, dass es bei Zahnärzten mit Abschlüssen aus Rumänien neben sprachlichen Defiziten vielfach auch an Fachkenntnissen hapert. Einige Zahnärzte würden zudem nicht ausreichend die geltenden Verordnungen und Vorschriften kennen.
Der gekaufte Abschluss berechtigt zur Niederlassung in der EU
Wenn diese vermeintlich voll ausgebildeten Zahnärzte vor der Zulassungskommission für Fachärzte erscheinen, zeigten sich häufig gravierende Kenntnislücken, heißt es weiter. Oft könnten sie selbst einfachste Fragen nicht beantworten und hätten noch nicht einmal Englischkenntnisse. Außerdem verfügten sie oft nicht über ausreichend Praxiserfahrung, um in Belgien als Zahnärzte zu arbeiten.
Laut Herrebout seien Privatuniversitäten in Rumänien bekannt, die ihre Abschlüsse einfach an Interessenten verkauften. Diese Hintertür nutzten beispielsweise Menschen aus Nordafrika, um sich einen europäischen Abschluss als Zahnarzt zu verschaffen. Denn damit könnten sie sich selbst als Nicht-Europäer einfach in der Europäischen Union niederlassen – und so auch in Belgien.
Das Problem: Die Zulassungskommission kann den Bewerbern im Fall eines gültigen Abschlusses die Zulassung nicht verweigern, egal wie schlecht die Fach- und Sprachkenntnisse sind. Da Rumänien zur EU gehört, müssten die ausländischen Abschlüsse akzeptiert werden. Die einzige Maßnahme, die die Zulassungskommission ergreifen könne, sei, den Kandidaten ein zusätzliches Praxispraktikum in einer belgischen Einrichtung aufzuerlegen, erklärt Herrebout. „Aber selbst das reicht natürlich nicht, um die vorhandenen Lücken zu schließen.“ Darum könne die Qualität der Behandlungen bei diesen Zahnärzten nicht garantiert werden, warnt der Zahnärzteverband.
Schäden in Millionenhöhe: Ein Einfallstor für Abrechnungsbetrug
Neben drohenden Behandlungsfehlern werden die ausländischen Abschlüsse offenbar auch gezielt in betrügerischer Absicht eingesetzt, um Leistungen falsch beziehungsweise zu Unrecht bei den Krankenkassen abzurechnen. Der Zahnärzteverband schätzt den potenziellen Schaden durch diesen Abrechnungsbetrug auf mehrere Millionen Euro. Tatsächlich hat das belgische Amt für Kranken- und Invalidenversicherung in den vergangenen fünf Jahren mindestens 27 solcher Fälle von vorsätzlichem Betrug erfasst. Die geschätzte Dunkelziffer ist weitaus höher, heißt es in dem Bericht.
Darum hat sich nun auch die belgische Politik des Problems angenommen. Verschiedene Medien, darunter auch De Standaard berichten, dass der belgische Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke Kontakt mit den rumänischen Behörden aufgenommen hat, um herauszufinden, wie diese die Qualität der Zahnarztdiplome kontrollieren.
„Die Gespräche waren konstruktiv und es werden Lösungen gefunden, um die Qualität und Echtheit der Zahnärztediplome zu gewährleisten“, sagte Vandenbroucke laut dem europäischen Politikportal Euractiv anschließend und betonte, die Zusammenarbeit von Belgien und Rumänien in der Gesundheitspolitik sei „sehr wichtig, da viele rumänische Ärzte und Gesundheitsfachkräfte in Belgien arbeiten“.