Europäische Gesundheitssysteme im Vergleich

Warum Deutschland die Corona-Krise bisher so gut bewältigt hat

pr/pm
Gesellschaft
In der Covid-19-Pandemie gab es in anderen europäischen Ländern viel mehr Infektionen und Todesfälle als bei uns. Ein Grund, weshalb Deutschland bisher besser weggekommen ist, ist das duale Gesundheitssystem.

Wie stark sind die einzelnen Länder bisher betroffen und wie konnten die Gesundheitssysteme reagieren? Wie kann man die unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeit und damit einhergehenden Belastung der Gesundheitssysteme erklären? Antworten gibt eine neue Studie des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP).

Die Autoren analysierten dazu aktuell verfügbare Daten und Fakten von über 15 europäische Ländern. Zwar seien die Ergebnisse aufgrund der sich ständig ändernden Informationslage nicht abschließend, dennoch können die Forscher daraus ableiten, warum Deutschland in der Pandemie bishergut weggekommen ist.

Die Ergebnisse:

  • Deutschland verfügt  mit seinemdualen System aus GKV und PKVüber ein finanziell sehr gut ausgestattetes Krankenversicherungssystem. Dadurch sind hohe Kapazitäten in der Versorgung möglich. Kein anderes Land in Europa hat mehr Betten und Intensivbetten als Deutschland. In mehreren EU-Ländern kam es durch die Covid-19-Pandemie zu einer Kapazitätsüberlastung.

  • Ein großer Vorteil Deutschlands war den Autoren zufolge dieambulante Testung und Behandlung von Infizierten. In anderen Ländern erfolgten die Tests vorwiegend in Krankenhäusern, was sich als nachteilig erwies. Zudem wurden hierzulande nur 20 Prozent der Infizierten im Krankenhaus behandelt, in Frankreich waren es beispielsweise 67 Prozent und in Spanien 50 Prozent.

  • Deutschland hatte durch dieEntwicklung von diagnostischen Tests auf Covid-19nach den Recherchen der Autoren einen zeitlichen Vorsprung gewonnen, deshalb konnte man frühzeitig routinemäßig testen.

  • Ein weiterer Vorteil: Deutschland hatviele private Labore, die regional breit verteilt sind und damit auch in der Fläche schnelle Ergebnisse ermöglichen.

  • Die sehr gute Bewältigung der Krise ist den Autoren zufolge umso bemerkenswerter, da Deutschland eine vergleichsweise alte Bevölkerung und einen hohen Anteil an Personen mit Risikofaktoren besitzt. Im internationalen Vergleich wurden in Deutschland jedoch eher jüngere Personen infiziert, eine Weiterverbreitung an Ältere und Risikopersonen konnte durch diepolitisch ergriffenen Maßnahmenverhindert werden. In Deutschland liegt der Anteil der über 50-Jährigen an den Infizierten bei 50 Prozent, in England, Spanien und Italien bewegen sich die Anteile um die 70 Prozent.

  • Die in der Untersuchung betrachteten Länder haben sehr unterschiedlicheBettenkapazitäten in der stationären Akutversorgung: Deutschland hat auf 100.000 Einwohner gesehen mit 602 die meisten Betten, gefolgt von Österreich, Belgien und Luxemburg. Schweden, UK, Dänemark, Italien, Niederlande, Finnland und Irland haben mit unter 300 Betten die Hälfte der deutschen Bettenkapazitäten. Diese Zahlen sind laut Auffassung der Wissenschaftler zwar kein Indikator für eine adäquate Krankenhausversorgung. Mehr Bettenkapazitäten böten aber im Pandemiefall einen zeitlichen Vorteil, weil Zusatzkapazitäten nicht erst aufgebaut werden müssen, wenn sie benötigt werden. Deutschland hat mit 38,2 unter den untersuchten 15 EU-Ländern mit Abstand die meisten Intensivbetten bezogen auf 100.000 Einwohner, gefolgt von Österreich (28,9) und Luxemburg (24,8). Das Schlusslicht bildet Portugal mit nur 4,2 Intensivbettenbezogen auf 100.000 Einwohner.

  • Deutschland wies mit Frankreich, Österreich und Dänemark sowohl überdurchschnittlich vieleÄrzte undauch überdurchschnittlicheKrankenhauspflegekräfte pro 1.000 Einwohnerauf (in den Zahlen auch Hebammen enthalten). Die Niederlande und Finnland hatten dagegen im Vergleich dazu sowohl unterdurchschnittlich viele Ärzte als auch Krankenpflegekräfte. Belgien hatte die meisten Pflegekräfte, aber die wenigsten Ärzte auf 1.000 Einwohner zu verzeichnen. Portugal, Griechenland und Italien hatten demnach relativ viele Ärzte, aber unterdurchschnittlich viele Pflegekräfte. Personelle Engpässe seien in einer Pandemie besonders schwierig, weil sie im Gegensatz zu anderen Kapazitäten weniger schnell ausgeglichen werden könnten, heißt es in der Untersuchung dazu.

Tests, Alter und Risikogruppen

Tests, Alter und Risikogruppen

Auch hätten Clusterinfektionen verstärkt zur Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus beigetragen. Weiterhin spielten demografische Risiken wie Alter der Bevölkerung und Haushaltsstrukturen eine Rolle. Ältere Gesellschaften seien grundsätzlich höheren Risiken ausgesetzt als jüngere, heißt es in der Untersuchung.

In den südlichen Ländern Italien, Spanien, Portugal und Griechenland liegt das Medianalter weit über dem EU-Durchschnitt. Gleichzeitig heben die Autoren heraus, dass dort der Anteil der Single- und Paar-Haushalte bei den über 65-Jährigen relativ gering ist.

In Ländern, in denen viele der über 65-Jährigen entweder allein oder mit dem Partner wohnen, könnten diese besser vor Infektionen geschützt werden, da sie nicht mit jüngeren Menschen zusammenwohnen, die deutlich weniger schwer erkranken, dafür das Virus aber im Haushalt an die deutlich gefährdeteren älteren Personen weitergeben können.

Wie die Autoren unterstreichen, haben Österreich und Deutschland zwar ebenfalls ein höheres Medianalter als der untersuchte EU-Durchschnitt. Dort leben aber auch deutlich mehr der über 65-Jährigen entweder in Paar- oder Singlehaushalten und sind daher besser vor Ansteckungen innerhalb eines Haushalts geschützt.

Insgesamt weisen die Autoren darauf hin, dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu den anderen untersuchten EU-Staaten vergleichsweise alt ist. Viele Deutsche rauchen, sind fettleibig oder leiden an Diabetes auf. Die früh ergriffenen Pandemiemaßnahmen seien auch ein guter Schutz für die in Deutschland relativ großen Risikogruppen, so die Untersuchung.

Quelle: WIP

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