„Wir sind optimistisch für den Berufsstand“
Der Geschäftsführende Vorstand arbeitet in dieser Zusammensetzung seit nunmehr fast zehn Jahren zusammen. Welche Entwicklungen waren in dieser Zeit für den Berufsstand bedeutsam?
Dr. Peter Engel: Die Arbeit unseres Vorstands muss in der Kontinuität seit dem Umzug nach Berlin gesehen werden. Wir erinnern uns: Ende der 1990er-Jahre gab es intensive Diskussionen im Berufsstand, wie und inwieweit man mit der Politik zusammenarbeiten sollte. Schlussendlich setzte sich am Ende der jahrelang aufgeregt geführten Debatte die Einsicht durch, dass sich der Berufsstand an der aktiven Mitgestaltung der zahnmedizinischen Versorgung beteiligen muss. Wer sich nicht beteiligt, kann nicht mitgestalten. Das war eine richtungweisende Entscheidung, in deren Kontinuität wir uns die letzten 20 Jahre im Vorstand – und in der Konstellation des aktuellen Vorstands in den vergangenen 9,5 Jahren – bewegt haben.
Prof. Dr. Dietmar Oesterreich: Mit dieser grundsätzlichen Entscheidung im Gepäck sind wir im Jahr 2000 nach Berlin umgezogen und haben damit auch ein Signal gesetzt, dass die Zahnärzteschaft im politischen Zentrum unseres Landes präsent sein will. Nach dem Umzug galt es erst einmal, die Struktur am neuen Standort aufzubauen, den Mitarbeiterstamm zu entwickeln, die Infrastruktur zu errichten und Kooperationen zu organisieren. Das hat vor allem unseren Vorgängern um den BZÄK-Präsidenten Dr. Dr. Jürgen Weitkamp einiges an Aufbauarbeit abverlangt. Rückblickend kann man sagen, dass dies hervorragend gelungen ist. Unsere Aufgabe war es, diesen Weg intensiv fortzusetzen und vor allem belastbare politische Netzwerke zu spannen.
Engel: Mit der politischen Arbeit des aktuellen Geschäftsführenden Vorstands und der Hauptgeschäftsführung verschaffen wir den Belangen der Zahnärzteschaft sowohl in Berlin, aber auch zunehmend in Europa Gehör. Die Aufgabe bestand darin, Kontakte zu knüpfen, Vertrauen zu schaffen– kurz, mit der Politik und den gesundheitspolitischen Akteuren auf allen Ebenen Gesprächsfäden zu knüpfen, um die Botschaften, die man hat, vermitteln zu können. Heute können wir sagen, dass wir uns im politischen Berlin fest etabliert haben.
Oesterreich: Auch in der Öffentlichkeitsarbeit zeigt sich sehr deutlich die gestiegene Bedeutung der Bundeszahnärztekammer als komptenter und verlässlicher Ansprechpartner. Wir werden inzwischen zu allen auch nur halbwegs mit der Zahnmedizin in Zusammenhang stehenden Sachverhalten -– von zahnmedizinischen Informationen über politische Statements bis hin zu Themen des Verbraucherschutzes – angefragt. Auch diese erfolgreiche Pressearbeit verdeutlicht die gewachsene Rolle der BZÄK.
Wie sieht die politische Arbeit konkret aus?
Engel: Lobbyarbeit ist Vertrauensarbeit. Ohne vertrauensvolle Beziehungen ist es schwer, Ideen erfolgreich platzieren zu können. Hierzu haben wir neue Kommunikationsformate eingeführt. So wurde beispielsweise das ehemalige Konsilium durch das „Hauptstadtforum Gesundheit“ abgelöst. Hier treffen sich Akteure aus Politik, Kassen und Wissenschaft zu Vortragsveranstaltungen. Dieses Format hat sich inzwischen zu einem „Szenetreff“ in der Gesundheitspolitik entwickelt. Wichtig sind auch die von uns eingeführten und längst etablierten „Frühstücksgespräche“ mit Politikern und Vertretern aus den Ministerien. In solchen Settings gelingt es weit besser, die Anliegen der Zahnärzteschaft zu transportieren. Das BZÄK-Netzwerk ist breit aufgestellt und funktioniert sowohl auf politischer Ebene als auch auf Verwaltungsebene mit sämtlichen Stakeholdern der Branche.
Oesterreich: Das Verständnis für die zahnmedizischen Anliegen im gesundheitspolitischen Umfeld und bei Politikern zu fördern, setzt auch voraus, sich gemeinsam mit zahlreichen Playern zu engagieren. So gemeinsam mit der Wissenschaft bei der Ausbildungs-, Forschungs- und Nachwuchsförderung und mit den freien Berufen im BFB. Die zahnmedizinische Prävention gilt es in den Gremien der DAJ und weiteren Veranstaltungsformaten, wie dem „Forum Zahn- und Mundgesundheit“, weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt gilt es auch weiterhin, das gesellschaftliche Engagement des Berufsstands in den zahlreichen nationalen und internationalen Hilfsprojekten in die Öffentlichkeit zu tragen.
Kann man sagen, dass die politische Arbeit mit der Zeit intensiver geworden ist?
Engel: Ja, sie ist vor allem in den vergangenen Jahren sehr intensiv geworden, weil sowohl die Zahl als auch die Vielfalt der politischen Themen stark zugenommen haben. Darüber hinaus sind die Themen sehr komplex geworden. Erklären Sie mal jemandem in drei Sätzen, welche Konsequenzen die EU-Richtlinie 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen für den zahnärztlichen Berufsstand und die Versorgung in Deutschland haben werden. Das ist kaum möglich – im schnelllebigen Berliner Politikbetrieb haben Sie aber kaum die Zeit für lange Erörterungen: Die Botschaften müssen vor allem kurz ausfallen, sonst hört Ihnen hier niemand zu.
Das hört sich schwierig an. Wie gelingt es Ihnen, komplexe Botschaften in schnell rezipierbare Kommunikationsschnipsel umzubauen?
Prof. Dr. Christoph Benz: Diese Kommunikationskultur ist dem Mediziner, der gelernt hat, dass Diagnostik und die Wahl der Therapie eine höchst komplexe Denkungsart erfordern, nicht gerade in die Wiege gelegt worden. Hier profitieren die BZÄK und damit die Kolleginnen und Kollegen vom fachlichen Kompetenzmix im GV und auf der Ebene der Verwaltung. Wichtig ist, dass die politische Führung die Beratung und Meinungsvielfalt zulässt.
Oesterreich: Aber Sie sehen auch hier, dass wir hier weitergekommen sind: Unsere neue Kommunikationsoffensive #GesundAbMund ist da ein gutes Beispiel. Man muss das allzu Fokussierte, Schnelllebige nicht mögen, aber man kann es in handwerklich guter Weise umsetzen. Und die zentrale Botschaft des Slogans ist zwar kurz, aber nicht verkürzt: Sie zielt auf den Kern unseres Anspruchs: Gesundheit entsteht vom Mund aus – Zahnmedizin ist integraler Bestandteil der Medizin. Die ersten Reaktionen aus dem politischen Berlin zeigen ganz deutlich, dass die Botschaft gehört wird. Dies ist auch in Zukunft fortzusetzen, der zahnärztliche Berufsstand leistet weit mehr als oftmals verkürzt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Noch einmal zurück zu den EU-Reglementierungen des Berufsrechts. Davor hat die BZÄK doch schon gewarnt, als andere das noch gar nicht auf dem Schirm hatten?
Benz: Ja, das stimmt. Als wir 2015 darauf hingewiesen haben, dass die Neufassung der GOÄ – hier sind wir Zahnärzte ja unter anderem über die Röntgenleistungen auch betroffen – in Konflikt mit der damals bereits in der Pipeline befindlichen EU-Verhältnismäßigkeitsrichtlinie kommen könnte, wurden wir dazu harsch kritisiert. Am Ende haben wir recht behalten. Für uns ist Europa ein nahezu gleichgewichtiges Spielfeld wie die nationale Politik. Sicherlich haben wir hier auch innerhalb der Freien Berufe einen Vorreiterposten.
Sind kleinere Strukturen wie die BZÄK flexibler und wacher als große Institutionen?
Engel: Generell würde ich das nicht sagen. Manchmal hätte ich auch gern die Ressourcen der Großen. Aber es stimmt, beim EU-Recht waren wir dank unserer guten Vernetzung auf europäischer Ebene ganz vorn und die Wegbereiter, die dieses Thema auch auf nationaler Ebene in die politische Diskussion eingespeist haben.
Welche Rolle spielte die Zusammenarbeit mit der KZBV? Da wird ja gern und laut über Konflikte gesprochen, weniger dagegen über die konstruktive, aber meist stille Zusammenarbeit.
Oesterreich: Greifbare Erfolge im Hinblick auf die Umsetzung fachlicher Entwicklungen in der Praxis erzielen wir nur in der Zusammenarbeit mit der KZBV. Ein sehr schönes Beispiel ist das AuB-Konzept von BZÄK und KZBV. 2006 haben wir als BZÄK unseren Leitfaden zur präventionsorientierten Zahnmedizin im Alter in der Bundesversammlung vorgestellt – das war der Ausgangspunkt für die gemeinsame konzeptionelle Arbeit an diesem Thema. Die KZBV hat dann die Umsetzung des AuB-Konzepts ins SGB V übernommen, während sich die Kammern um die Fortbildung in Sachen Alterszahnmedizin kümmern. Ein schöner Erfolg der Zusammenarbeit. Auch bei der frühkindlichen Karies sind wir den gleichen gemeinsamen Weg gegangen. Ein weiteres sehr erfolgreiches Projekt ist die Patientenberatung.
Engel: Vieles geht eben nur gemeinsam in der Synergie. Es wird ja immer vom Trennenden gesprochen, aber deutlich wird, dass wir dort, wo wir gemeinsam an einem Strang ziehen, die besten Ergebnisse erzielen. Dies hat sich zuletzt sehr eindrucksvoll bei der Aligner-Anhörung im Deutschen Bundestag gezeigt, als wir gemeinsam und kraftvoll für Regelungen im Berufsrecht geworben haben.
Die im Sommer vergangenen Jahres verabschiedete Approbationsordnung (AppOZ) hätte eigentlich der größte gesundheitspolitische Erfolg in der Amtszeit dieses Vorstands werden können. Aber die Freude hält sich in Grenzen. Woran liegt das?
Benz: Es liegt natürlich daran, dass das Gesetz zwar beschlossen ist, wir aber nicht sicher sein können, dass die neue AppOZ alle beabsichtigten Wirkungen auch entfalten wird. Aber wir sollten das nicht schlechtreden. Die Tatsache, dass die Approbationsordnung nach 64 Jahren nun endlich modernisiert wurde, wird zweifellos in die Geschichtsbücher der deutschen Zahnmedizin eingehen.
Engel: Das größte Problem sind die angeblich fehlenden Gelder in den Ländern. Aber die Corona-Krise zeigt ja, welche Ressourcenmobilisierung der politische Wille möglich macht. Mit dieser Intensität sollten wir künftig auch in Bildung und Zukunft investieren – und damit auch in die neue AppOZ.
Thema Vergewerblichung und Kommerzialisierung im Gesundheitswesen. Wie schätzen Sie die Entwicklungen ein?
Engel: Die Entwicklung hin zu gewerblichen Strukturen in der Medizin insgesamt hat sich leider in den vergangenen Jahren beschleunigt – Stichwort Dentalketten. Damit entfernen wir uns immer weiter vom ursprünglichen Kern des Heilberufs. Wir haben seit vielen Jahren vor dem Einfluss der Ökonomie auf ärztliches Handeln gewarnt, aber leider bislang zu wenig Gehör gefunden.
Benz: Wir hören ja immer aus der Politik, dass die Zahnmedizin auch kosmetische und ausschließliche Wunschbehandlungen durchführe und das sei doch zweifelsfrei Gewerbe. Auf den ersten Blick scheint es da eine Abgrenzung von Medizin und Gewerbe zu geben, doch im Kern bleibt jede Behandlung letztlich eine medizinische, weil immer auch die körperliche Integrität des Patienten betroffen ist, die in die Hand des Heilberuflers gehört. Es gibt also nur eine Zahnmedizin.
Welche Rolle spielen Konzentrationsprozesse in urbanen Bereichen?
Oesterreich: Die Konzentration im städtischen Raum schafft Wettbewerbsdruck. Schauen Sie sich zum Beispiel die hohe Versorgungsdichte in den Großstädten an, wo sich zusätzlich auch noch ZMVZ bilden. Werbung, gewerbliche Aussagen wie „PZR heute zum Sonderpreis“ und unkollegiales Verhalten schaffen Deprofessionalisierung und Verstöße gegen das Berufsrecht und auch gegen die Gebührenordnung. Das Berufsrecht, das zwar durch die Rechtsprechung, aber auch durch Gesetze über Jahre hinweg verändert wurde, dient doch in erster Linie dem Patientenschutz: Die Patientinnen und Patienten müssen sicher sein, dass der Zahnarzt und die Zahnärztin eigenverantwortlich, unabhängig und nicht gewerblich als Heilberufler handeln.
Engel: Werbekosten, Renditen für Dentalketten-Investoren, das sind letztlich alles Ressourcen, die der gesundheitlichen Versorgung der Patienten entzogen werden. Mit Ausnahme der Fremdinvestoren kann niemand an einer solchen Entwicklung ein Interesse haben.
Wenn niemand ein Interesse daran haben kann, wie argumentieren denn Politiker in den Gesprächen, die sie führen?
Benz: Aus der Politik hören wir immer die gleichen Argumente für Großversorgerstrukturen im Gesundheitswesen: Kleinere Strukturen könnten die heute notwendigen Spezialisierungen nicht leisten und wären auch nicht in der Lage, die Investitionen für moderne Gerätschaften zu stemmen. Wir haben kein Problem mit Spezialisierung. Der zahnärztliche Generalist kann 90 Prozent der Behandlungsfälle gut abdecken und für den Rest existiert eine etablierte Versorgungsstruktur. Und wenn die Vergütung nicht reicht, um notwendige moderne notwendige Gerätschaften kaufen zu können, sollte die Politik eher dort ansetzen. Es gibt also weit und breit keinen Grund, in der Zahnmedizin Großversorgerstrukturen zu bevorzugen. Wenn wir das vorbringen, ist die Überraschung bei unseren Gesprächspartnern zwar groß, aber es ist eine Sisyphusarbeit, gegen festgefahrene Positionen zu argumentieren.
Ist die von vielen totgesagte Einzelpraxis also in Wahrheit quicklebendig?
Engel: Anders als vor 30 Jahren würde ich sie nicht mehr als Goldstandard sehen, aber sie hat strukturell gesehen nach wie vor ihre Berechtigung und das nicht nur in der dünn besiedelten Fläche.
Und wie steht es mit dem Argument, Großversorgerstrukturen würden effizienter arbeiten als kleine Praxen?
Benz: Das Argument ist genauso falsch. Wir sind bereits an der „Effizienzdecke“ angelangt. Die vielgerühmten Rabattvorteile der Großen beim Einkauf belaufen sich in der Praxis auf kümmerliche einstellige Prozentwerte. Dagegen stehen dann die Overhead-Kosten des Beschaffungsmanagements. Wir haben keinen Bedarf an industriellen und kommerziellen Strukturen in der Zahnmedizin.
Engel: Eine Bemerkung noch zu den ZMVZ und Berufsausübungsgemeinschaften: Wenn wir die hohen Zahlen angestellter Zahnärztinnen und Zahnärzte sehen – inzwischen sind es über 20 Prozent –, dann ist doch auch klar, dass auch solche Praxisketten eine Funktion erfüllen, indem sie den Bedürfnissen insbesondere der jungen Generation entgegenkommen.
Wird die Entwicklung in Richtung Großversorger am Ende vom Bedürfnis der jungen Generation nach 9-to-5-Arbeitszeiten und Work-Life-Balance getriggert?
Oesterreich: Natürlich hat das etwas mit den veränderten Lebenseinstellungen heute zu tun. Was aber nicht per se negativ ist.
Engel: Ich habe als junger Zahnarzt um 8 Uhr angefangen und bin um 19.30 Uhr nach Hause gegangen.
Oesterreich: Das macht aber heute niemand mehr – und das ist vernünftig.
Benz: Das sind aber unsere Kinder. Denen haben wir gesagt, seht her, Papa hat schon einen Herzinfarkt vom vielen Arbeiten. Macht doch nicht so viel. Entspannt mal, Ihr müsst ohnehin noch genug arbeiten ...
Was muss getan werden, um den beruflichen Nachwuchs auch in den berufspolitischen Gremien zu fördern?
Oesterreich: Partizipation ist das Stichwort. Dies gilt gerade für den beruflichen Nachwuchs und insbesondere für unsere Zahnärztinnen, die mittlerweile die Hälfte des Berufsstands stellen. Wir haben versucht, in dieser Frage eine Öffnung zu erreichen. Am Ende aber müssen dies die Landeskammern leisten. Wir müssen unsere Gremien öffnen und praxisnah ausgestalten. Je unterschiedlicher Erfahrungen und Lebensläufe, so erfolgreicher wird uns dies gelingen.
Benz: Das liegt ja aber daran, dass wir unseren Kindern nicht gesagt haben: Genau das macht Spaß – ich liebe die elf Stunden am Patienten.
Sollte die Freude an der Arbeit heute offensiver kommuniziert werden?
Oesterreich: Ja, da sind wir beim entscheidenden Punkt: der Berufszufriedenheit. Während der Ausbildung an den Hochschulen wir ein breites Spektrum an Fachwissen vermittelt. Im Kern geht es doch darum, den beruflichen Nachwuchs als allgemein tätigen Zahnarzt beziehungsweise Zahnärztin, der über Jahre hinweg Patienten betreut, zu befähigen. Die Zahnmedizin ist schließlich wichtiger Teil der medizinischen Primärversorgung. Dabei die Vertrauensbeziehung zum Patienten zu entwickeln, in dieser Vertrauensbeziehung auch Freude zu empfinden und das dankbar wertzuschätzen, dies bringt tiefe Berufszufriedenheit.
Benz: Umfragen zeigen im Übrigen, dass genau das den Jungen wichtig ist. Das Bedürfnis, heilen und helfen zu können, und darin Erfüllung fürs eigene Leben zu finden, rangiert ganz oben auf der Werteskala der nachwachsenden Generation. Ich bin da sehr optimistisch für den Berufsstand. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Jungen Zug um Zug in die Standespolitik einbringen werden.
Wir haben inzwischen fast 1,5 Jahre Corona-Pandemie hinter uns. Wie ist die Zahnärzteschaft aus Ihrer Sicht durch diese schwierige Zeit gekommen?
Engel: Besonders zu Beginn gab es bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten große Unsicherheiten, denn während der ersten Corona-Welle waren sie mehr als jede andere Arztgruppe von rückläufigen Patientenkontakten betroffen – in den Monaten April und Mai vergangenen Jahres gab es teilweise Umsatzeinbrüche bis zu 50 Prozent. Trotzdem waren Zahnärztinnen und Zahnärzte in der gesamten Krise immer für ihre Patienten da. Sie haben eindrücklich ihre Systemrelevanz und -kompetenz unter Beweis gestellt, indem sie die flächendeckende Sicherstellung der Versorgung zu jeder Zeit garantiert haben. Darauf kann der Berufsstand mit Recht sehr stolz sein. Man darf nicht vergessen, dass es seit Ausbruch der Pandemie keine nennenswerten Infektionszahlen im Umfeld zahnärztlicher Praxen und Kliniken gegeben hat, weil die Zahnarztpraxen schon immer höchste Hygienestandards eingehalten haben. Und unsere Forsa-Umfrage belegt, dass die Patientinnen und Patienten uns diesbezüglich vertrauen.
Was konnte die BZÄK dazu beitragen, dass die Zahnärzte insgesamt vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind?
Engel: Wir haben uns von Anfang dafür eingesetzt, dass die besonderen Aufwände, die Zahnärzte während der Pandemie haben, wie Kosten für Schutzkleidung und Desinfektionsmaterialien, aber insbesondere auch der administrative Hygieneaufwand, gesondert vergolten werden. Zusammen mit dem PKV-Verband und der Beihilfe konnten wir uns in nicht ganz einfachen Verhandlungen auf eine Hygienepauschale verständigen. Bisher wurde diese mehrfach verlängert, aktuell gilt sie bis zum 30. Juni. Die Pauschale kann seit dem 1. Januar als Einfachsatz in Höhe von 6,19 Euro pro Sitzung berechnet werden. Darüber hinaus haben wir uns im Bundesarbeitsministerium für die Anwendung des Kurzarbeitergelds auf die Kollegenschaft erfolgreich eingesetzt.
Benz: Auch galt es in der Pandemie, Falschmeldungen zu korrigieren, die zu großer Unsicherheit in der Zahnärzteschaft geführt haben. Denken Sie an die missverständliche WHO-Meldung im vergangenen Sommer, wonach nicht notwendige Zahnbehandlungen aufgeschoben werden sollten. Da konnten wir sehr schnell klarstellen, dass dies für Deutschland mit seinen hohen zahnmedizinischen Hygienestandards nicht gilt.
Oesterreich: Im vergangenen Herbst sind wir außerdem mit unserer Kommunikationsoffensive #GesundAbMund an den Start gegangen. Damit wollen wir Politik, Medien und der Öffentlichkeit breitflächig wissen lassen, dass Zahnmediziner jederzeit verlässlich, engagiert und sehr professionell arbeiten und dass sie jede Menge Arbeitsplätze schaffen. Dass diese Kommunikation notwendig ist, zeigt der Umgang der Politik mit der Zahnärzteschaft während der Pandemie. Stichwort: kein GKV-Rettungsschirm für Zahnärzte. Aber mit der Kommunikationsoffensive wollen wir nicht lamentieren, sondern aufzeigen, wie wichtig Zahnärztinnen und Zahnärzte für die Allgemeingesundheit der Bevölkerung sind. Es gilt, positive Botschaften zu vermitteln. Und das kommt sehr gut an. Und nicht zuletzt waren wir vor allem am Anfang der Pandemie täglicher Ansprechpartner für die vielfältigen Fragen der Kolleginnen und Kollegen.
Und wie sieht die Zukunft für die Zahnärzteschaft aus?
Engel: Eine große Frage – ich versuche sie in aller Kürze zu beantworten. Zum einen muss es eine strikte Trennung von Rechts- und Fachaufsicht geben. Es hat sich in der Bundesrepublik bewährt, dass die zahnärztliche Selbstverwaltung als Fachaufsicht den Rechtsrahmen für die Zahnärzteschaft in eigener Verantwortung regelt, und dies unter staatlicher Rechtsaufsicht. Durch eine zunehmende Versozialrechtlichung verschiebt sich dieser Rahmen aber immer mehr in Richtung Rechtsaufsicht, was sich in der Praxis zum Beispiel in ausufernden Bürokratieauflagen bemerkbar macht. Hier brauchen wir wieder ein gesundes Gleichgewicht, der Staat muss und soll nicht alles bis ins kleinste Detail regeln, was er eigentlich als Aufgabe der Selbstverwaltung übertragen hat. Zum anderen müssen wir die zunehmende Vergewerblichung unseres Heilberufs verhindern. Die BZÄK ist keineswegs gegen Wettbewerb, dieser muss aber um die beste Qualität gehen, nicht um den niedrigsten Preis. Es gilt: Gesundheit ist keine Ware! Nur dadurch bindet man nachhaltig Patientinnen und Patienten und gewinnt ihr Vertrauen. Das geht aber nur in freiberuflichen Strukturen, nicht in investorengesteuerten Großeinheiten. Diese entziehen sich nämlich oftmals als von branchenfremden Managern geleitete GmbHs der Fachaufsicht. Womit wir wieder bei Punkt 1 wären.
Das Gespräch führte Benn Roolf.