Hartmannbund/Gesundheitsreform Ärzte

Keine Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen

Der Hartmannbund (Verband der Ärzte Deutschlands e.V.) erwartet von der Bundesregierung einen entscheidenden Richtungswechsel in der Gesundheitspolitik und Aufbruchsignale für eine durchgreifende, tragfähige Gesundheitsstrukturreform. Mit einigen Reformretuschen könnten die Reformprobleme und die systemgerechte Sanierung der Krankenkassenfinanzen nicht gelöst werden.

Die Hauptversammlung des Hartmannbundes (HB) am 11./12. Oktober in Baden-Baden appellierte an die Bundesregierung, die Freiberuflichkeit der Ärzte und das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt zu respektieren und die Autonomiezonen des Versicherten mit mehr Entscheidungs- und Wahlfreiheiten auszustatten. Die Vertragsärzte dürften nicht zu Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen und zu Sparkommissaren des Staates degradiert werden. Das Selbstbestimmungsrecht der Patienten müsse in jedem Fall gewahrt bleiben.

Ein Sozialpakt neuer Qualität

Der Vorsitzende des HB, Dr. med. Hans-Jürgen Thomas, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Erwitte, betonte: „Eine kompetente aufopferungsvolle ärztliche Tätigkeit und eine hohe Arbeitsbelastung der berufstätigen Ärzte in der freien Praxis und im Krankenhaus erfordern ein gerechtes Honorar und eine angemessene Bezahlung.“ Daran habe es in der Vergangenheit gehapert, vor allem infolge der Budgetdeckelung und der Tatsache, dass die Arbeitskraft der Ärzte – deren wöchentliche Arbeitszeit mehr als 60 Stunden betrage – und die der Klinikärzte ausgenutzt worden sei.   

Der HB befürchtet, dass auch bei einer Kompetenzerweiterung des Bundesgesundheitsministeriums auf weitere Zweige der Sozialversicherung das „Desaster rotgrüner Gesundheitspolitik“ fortgesetzt wird. Dabei seien strukturelle Änderungen überfällig. Dazu zählt der Hartmannbund eine Neudefinition des Pflichtleistungskatalogs der Krankenkassen und die Verstärkung einer sozial austarierten prozentualen Selbstbeteiligung bei den verordneten Arznei- und Heilmitteln – bei einem jährlichen Höchstbetrag und bei einer sozialen Härteund Überforderungsklausel. Auch müsse die nicht operationale Generalklausel von § 12 SGB V, einer wirtschaftlichen, zweckmäßigen, ausreichenden und notwendigen ärztlichen Versorgung, konkretisiert werden. Eine Voraussetzung für eine Inanspruchnahme der Kassenleistungen sei ein „Sozialpakt neuer Qualität“. Dabei müssten die Inhalte und das Verhältnis von Eigenverantwortung, Subsidiarität und Solidarität neu definiert werden. Der HB bezeichnet als Grundvoraussetzung der Gesundheitsreform eine Finanzreform der Krankenversicherung. Dies sei durch eine konsequente Umstellung des Sachleistungsverfahrens auf ein obligatorisches, durchgängiges Kostenerstattungsprinzip zu erreichen – eine Altforderung des Hartmannbundes, die allerdings nur von der FDP und teilweise der CDU/CSU unterstützt wird. Die wachsenden Belastungen der Krankenkassen infolge der Verschiebungen im Altersaufbau der Bevölkerung, des medizinischen Fortschritts und der durch das Gesetz kaum begrenzten Ansprüche der Versicherten erforderten eine Beitragsbemessungsbasis, die neben der Lohnbezogenheit die Bemessung auch auf andere Einkunftsarten erweitert. Die GKV müsse dringend von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden.

Plädoyer für Kernleistungen

Um die Eigenverantwortung des Einzelnen zu stärken und die Krankenversicherung künftig weniger krisenanfällig werden zu lassen, müssten Elemente eines Kapitaldeckungsprinzips auch in der GKV eingeführt werden – analog zur „Riester-Rente“ in der Alterssicherung. Die Qualitätssicherung müsse im Verantwortungsbereich der Ärztekammern bleiben. Die Ärzteschaft wird zu einer Selbstverpflichtung zur berufsbegleitenden Fortbildung aufgerufen. Zielführend seien Boni und weitere steuernde Anreize für Ärzte.

Der HB plädiert für die Begrenzung des Pflichtleistungskatalogs der Krankenkassen auf qualitätsgesicherte, solidarisch zu finanzierende Kernleistungen. Bei einer größeren Wahlfreiheit könnten die Versicherten bei einem festgeschriebenen Arbeitgeberbeitrag über selbst zu finanzierende Zusatzleistungen frei entscheiden, die in die der Wahl- und Komfortleistungen einzuordnen wären. Der Kollektivbeitrag müsse dadurch entsprechend ermäßigt werden.  

Die Vertragsärzte dürften nicht durch kassengesteuerte medizinische Leitlinien bevormundet werden, warnt der HB. Anderenfalls leide die Akzeptanz sowohl bei den Leistungserbringern als auch bei den Patienten.  

Der HB appelliert an die Bundesregierung, die in der Risikostrukturausgleich-Verordnung verankerte Verknüpfung des RSA mit Disease-Management-Programmen zurückzunehmen. Disease-Management-Programme dürften nicht zu Einsparungsinstrumenten und als „Finanzverteilungsmonster“ missbraucht werden. In der PKV würden Disease- und Case-Management-Programme seit Jahren erfolgreich realisiert, ohne dass damit gesetzlich vorgeschriebene Risikoausgleichsprozesse verbunden wären. Im Übrigen müssten die Vertragsärzte das Recht haben, an den Programmen freiwillig teilzunehmen.  

Im Hinblick auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für das Jahr 2004 avisierte Revision des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) als Grundlage der vertragsärztlichen Honorierung nennt der HB folgende Essentials:

• Bewertung der ärztlichen Leistungen in Euro (und nicht mehr in Punkten);

• möglichst zeitnahe Vergütung, beides diene auch der Transparenz des Abrechnungssystems;

• exakte Kalkulation der Leistungsbewertungen und Relationen im neuen EBM. Dabei müssten die Vertragsbedingungen auf Bundesebene sowie Risikoanteile berücksichtigt werden. Leistungskomplexhonorare seien nur im begrenzten Umfang tolerabel, soweit sie medizinisch begründbar sind. Soweit wie möglich müssten Einzelleistungsvergütungen im EBM zum Tragen kommen.

Harald CladeDeutsches ÄrzteblattDieselstr. 250859 Köln

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