Blickpunkt: Zahnmedizinische Versorgung
Insbesondere vor dem Hintergrund seiner zukunftsoffenen Lösungsansätze, seiner wissenschaftlichen Absicherung, seiner umfassenden Ausgestaltung und seiner sozialen Orientierung schien das befundabhängige Festzuschussmodell der Zahnärzteschaft bei der zweiten Sitzung der Arbeitsgruppe „Zahnmedizinische Versorgung“ des Runden Tisches am 21. März 2002 zunächst auf Resonanz gestoßen zu sein. Die Beteiligten des Bundesgesundheitsministeriums, der Krankenkassen und der Patientenvertreter bekundeten Interesse an den Vorschlägen der zahnärztlichen Vertreter um Dr. Dietmar Oesterreich (BZÄK-Vizepräsident) und Dr. Günther E. Buchholz (KZBV-Vorstandsmitglied).
Die Zahnärzte nahmen auf Grund des Diskussionsverlaufs den Eindruck mit nach Hause, dass die Arbeitsgruppe die Konzepte als ernsthaftes Bemühen des Berufsstandes ansah, zukunftsfähige Lösungen für den Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu entwickeln.
Ein Schlag ins Gesicht
Wie ein Schlag ins Gesicht traf es die Zahnärzteschaft dann, als sie kurz nach der Sitzung einen vom Bundesgesundheitsministerium verfassten Entwurf von Empfehlungen an den Runden Tisch zur Kenntnis bekamen, in dem die Protokollführung tendenziös und einseitig krankenkassenorientiert formuliert war. Eine Fülle von in der Sache zumeist abwegigen Argumenten gegen ein befundorientiertes Festzuschusssystem geht einher mit lapidaren Hinweisen auf die angebliche Unfähigkeit der Zahnärzteschaft, sich bei der Darlegung des Konzeptes adäquat zu artikulieren. Sowohl die KZBV wie auch die BZÄK haben gegen die Protokollformulierung scharfen Widerspruch erhoben. Es müssten auf jeden Fall die Positionen der Zahnärzte und der Krankenkassen als gleichwertig gegenübergestellt werden.
Jetzt wird sich das weitere Vorgehen bei der nächsten Sitzung aller Spitzenvertreter am Runden Tisch klären müssen. Das Gremium selbst ist bekanntlich als Plattform geschaffen worden, um zukunftsorientierte Lösungen zu diskutieren und nicht, um Vertragsverhandlungen zu ersetzen. Den Zahnärzten ist klar: Um die für das Konzept der befundorientierten Festzuschüsse gewünschte Akzeptanz im gesundheitspolitischen Raum zu erringen, wird man zunächst genaue Regelungen für einzelne Bereiche erarbeiten müssen.
Politische Vorgaben
Dazu gehört etwa die Absicherung der Härtefälle, mögliche Finanzierungs- und Zahlungswege der Festzuschüsse sowie genaue Vorstellungen zu Gebühren in bestimmten Leistungsbereichen. Aber auch klare Regelungen für Möglichkeiten der Patientenberatung und ausführliche Aufklärung über die alternativen Therapiemöglichkeiten sind erforderlich. BZÄK und KZBV sind gefordert, gemeinsam Lösungen entsprechend dieser Vorgaben zu entwickeln. Sie sollen dann mit in die zentralen Beratungen des Runden Tisches eingebunden werden. Das System der befundorientierten Festzuschüsse ist im Übrigen nicht identisch mit der Festzuschussregelung von 1998.
Konzepte fokussiert
Anlässlich der Sitzung der Arbeitsgruppe „Zahnmedizinische Versorgung“ legten KZBV und BZÄK ein dezidiert ausgearbeitetes Themenpapier vor, in dem sie gemäß den vom Bundesgesundheitsministerium aufgestellten Leitfragen ihre politischen Konzepte fokussierten. Die beiden Organisationen betonen darin, dass im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde – im Gegensatz zur Humanmedizin – ein Ausgangsbefund mehrere wissenschaftlich anerkannte Therapiealternativen zulasse. Das derzeit praktizierte GKV-Versorgungssystem laufe einer modernen präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde als auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot zuwider.
Es fördere durch eine prozentuale Bezuschussung der Leistungen einen hohen therapeutischen Aufwand. Eine präventionsorientierte Zahnheilkunde sei jedoch nur dann sinnvoll realisierbar, wenn die bestehenden Versorgungs- und Finanzierungssysteme in ihrer Struktur grundlegend verändert würden, um die bestehende Diskrepanz zwischen aktueller Leistungsbeschreibung und dem Stand der Wissenschaft aufzuheben. Mit dem Konzept aus befundbezogenen Festzuschüssen und Kostenerstattung sei die Grundlage für einen neuen Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen geschaffen. Hier einige Kernaussagen des Themenpapiers:
• Die vertragszahnärztliche Versorgung hatte bisher primär die Aufgabe, entstandene Schäden zu beheben und die Mundgesundheit wieder herzustellen. Zukünftig muss der Prävention ein höherer Stellenwert beigemessen werden. Die Rahmenbedingungen der GKV lassen eine konsequente Umsetzung einer präventionsorientierten Zahnheilkunde nicht zu.
• Das Kollektivvertragssystem hat sich in seiner jetzigen Form nicht bewährt, da es ordnungspolitisch falsch ist. Es schränkt die freie Therapiewahl und die Freiberuflichkeit ein. Dem Versicherten muss mehr Wahlfreiheit gegeben werden, er muss mehr Eigenverantwortung erhalten.
• Eine Notwendigkeit, Bedarfszulassungen in der vertragszahnärztlichen Versorgung vorzunehmen, sehen KZBV und BZÄK nicht.
• KZBV und BZÄK haben das System befundbezogener Festzuschüsse und Kostenerstattung vorgestellt. Die Systemparameter dazu machen politische Grundsatzentscheidungen möglich.
• Das derzeit bestehende Sachleistungssystem trägt mit seinen Systemschwächen zu Phänomenen der Über- und Fehlversorgung bei. Eine grundlegende ordnungspolitische Neuausrichtung der GKV ist erforderlich.
Ideal: befundbezogene Festzuschüsse
Zur ersten Sitzung der Arbeitsgruppe „Finanzierung“ hat die KZBV ein Positionspapier zur zukünftigen Ausgestaltung der Finanzierungsgrundlagen in der GKV zum Thema Zuzahlung erarbeitet. Auch hier geht es um das Konzept der befundorientierten Festzuschüsse mit Kostenerstattung. Die zahnmedizinische Versorgung, so das Fazit der KZBV, sei ideal für dieses Konzept. Die ihm zu Grunde liegenden Versorgungsstrukturen mit eigenverantwortlicher Zuzahlung des Patienten seien ebenso ideal für das Kostenerstattungsprinzip. „Zuzahlung und befundbezogene Festzuschüsse bewirken nicht nur eine Verbesserung der Finanzierungsgrundlagen der GKV, sie steigern auch in hohem Maße die Beitragsgerechtigkeit. Eine Festzuschussregelung erlaubt es zudem der Politik, steuernd auf den Beitragsbedarf einzuwirken“, heißt es in dem Papier.
Eine Stiftung für die Prävention
Der Runde Tisch hat für den Bereich Prävention den Aufbau einer auf Dauer angelegten Organisationsstruktur empfohlen, mit deren Hilfe ein erheblicher Mehrwert für Prävention und Gesundheitsförderung erreicht und Defizite abgebaut werden sollen. Konkret diskutiert wird dort die Einrichtung eines Forums Prävention als Kommunikations- und Informationsplattform und die Gründung einer eigenständigen Stiftung.