Therapie des avulsierten Zahnes
Der Schweregrad einer Avulsion ergibt sich zunächst aus der Tatsache, dass mit der Avulsion massivste Schädigungen des Zahnhalteapparates und ein vollständiger Abriss des pulpalen Gefäß-Nervenstranges verbunden sind und nicht selten einige Zeit bis zur Initialtherapie im zahnärztlichen Notdienst vergeht.
Die optimale Möglichkeit der Behandlung vollständig luxierter, das heißt avulsierter Zähne besteht in der Replantation mit nachfolgender Schienung des betroffenen Zahnes. Die Vorgehensweisen bei der Replantation und die Prognose des replantierten Zahnes hängen von verschiedenen Faktoren ab. Primäre Folge ist zunächst in den meisten Fällen eine Pulpanekrose, die jedoch therapeutisch zu beherrschen ist. Als (Spät-) Komplikation kann vor allem eine Ankylose oder Ersatzresorption der Wurzeloberfläche eines replantierten Zahnes eintreten (Abb. 1). Vor allem das Eintreten einer entzündlichen Resorption oder einer Ersatzresorption der Wurzeloberfläche kann eine Extraktion des betroffenen Zahnes notwendig werden lassen. In verschiedenen in der letzten Zeit erschienenen kritischen Übersichtsarbeiten wurden Behandlungsschemata dargestellt, die sich in ihrem Vorgehen zumeist an der Verweilzeit der Zähne außerhalb der Mundhöhle orientieren [Weiger et al. 1999; Trope 1995, 2002; Flores et al. 2001]. Weiterhin spielen die Lagerungsart der Zähne während der extraoralen Verweilzeit und die Frage, ob das Wurzelwachstum bei dem betroffenen Zahn bereits abgeschlossen ist, eine entscheidende Rolle bei der zu wählenden Behandlungsstrategie. Die Verweilzeit des Zahnes außerhalb der Mundhöhle sowie die Art der extraoralen Lagerung bestimmen das Ausmaß der Schädigung der Desmodontalzellen. Je umfassender die Schädigung der Desmodontalzellen ist, um so größer ist die Gefahr einer entzündlichen Resorption des replantierten Zahnes einzuschätzen. Daher gilt es als oberstes Primat, den avulsierten Zahn möglichst ohne unnötigen Zeitverlust in die Alveole zu replantieren. Die optimale Lagerung des avulsierten Zahnes bis zur Replantation sollte wenn möglich in einer Zellkulturnährlösung (zum Beispiel Dentosafe ®, Medice, Iserlohn) erfolgen. Falls nicht vorhanden, ist eine Lagerung in Kochsalzlösung oder H-Milch zu empfehlen, zu vermeiden sind in jedem Fall eine trockene Lagerung oder jedwede Manipulationen zur Reinigung der möglicherweise verschmutzten Wurzeloberfläche durch den Patienten. Diese Zellkulturnährlösung kann auch zur Zwischenlagerung in der Zahnarztpraxis bei den Zähnen verwendet werden, die zum Beispiel nach der Avulsion in Kochsalzlösung oder Milch gelagert waren. Ebenso ist die Lagerung in Zellkulturnährlösung in der Phase der Behandlung zu empfehlen, in der unter Umständen eine extraorale Wundversorgung vorzunehmen oder diagnostische Röntgenbilder zu erstellen sind.
Entgegen häufig geübter Praxis ist die Schienung total luxierter Zähne auf einen Zeitraum von maximal zwei Wochen zu begrenzen. Längere Schienungszeiten erhöhen das Risiko einer Ankylose des replantierten Zahnes.
Die dargestellte Therapieempfehlung stellt ein gut nachzuvollziehendes Behandlungsregime für den total luxierten Zahn dar. Weitergehende kurze Erklärungen zu den Therapieschritten können dem ebenfalls dargestellten Anhang entnommen werden. Das vorgestellte Schema mit den dazugehörigen Erläuterungen kann auch unter der Website der Abteilung Zahnerhaltung, Präventive Zahnheilkunde und Parodontologie der Universität Göttingen abgerufen werden:
www.mi.med.uni-goettingen.de/zmk/erhalt
.