Lebendige Geschichte
„Fest steht, dass dieses Gesetz kein Ende, sondern einen Anfang bedeutet, dass es den Weg frei macht für den Zahnarzt der Zukunft und damit für die beste Versorgung der Bevölkerung – ihr soll es vor allem zum Segen gereichen.“ Mit diesen Worten kündigte der damalige Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Dr. Richard Hammer (FDP), die Verabschiedung des Gesetzes an. Damit wurden die beiden Berufsstände der akademisch ausgebildeten Zahnärzte und der nicht akademischen Dentisten miteinander vereint. Das Gesetz hob die so genannte Kurierfreiheit auf, die noch in der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1869 verankert war und die jedermann erlaubte, die Zahnheilkunde ohne festen Praxissitz auszuüben. „Heute ist nun die Kurierfreiheit beseitigt, und wir stehen am Beginn einer neuen Ära; gemeinsam mit den Dentisten, die bald unsere Kollegen sein werden, wollen wir die weiteren Voraussetzungen dafür schaffen, dass dem deutschen Volke die beste Versorgung auf dem Gebiete der Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten zuteil wird“, forderten am 15. April 1952 die zm
Standesscharmützel
Es war der gemeinsam schwer errungene Kompromiss von dentistischer und zahnärztlicher Standesvertretung, der die spätere Erfolgsgeschichte des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) überhaupt erst möglich machte: Dentisten und Zahnärzte hatten – nach jahrzehntelangen Standesscharmützeln – im Interesse der Patienten eingesehen, dass die beiden Berufszweige unter einem gemeinsamen Dach nur profitieren konnten. So brachten die Dentisten den hohen Anteil praktischer Ausbildung in das neu zu gestaltende Studium der Zahnmedizin mit ein. Da die Wissenschaft in der Medizin immer mehr an Bedeutung gewann, war andererseits klar, dass sie ohne die wissenschaftliche Ausbildung an der Universität auf Dauer nicht erfolgreich zahnärztlich praktizieren konnten. „Allein die Erkenntnis, dass es unmöglich ist, eine Zahnheilkunde im engeren Sinne auszuüben, ohne in genügender Weise alle damit zusammenhängenden allgemeinmedizinischen Probleme zu erkennen und zu beachten, war letzten Endes der Grund, dass es zu einem gemeinsamen Lösungsvorschlag beider Berufe kam“, betonte später Erich Müller-Altona, damaliger Präsident des Verbandes der zahnärztlichen Berufsvertretungen (VDZB). Gemeinsam mit dem Standesvertreter der Dentisten, August Siebecke, war er maßgeblich am Zustandekommen einer Einigung beteiligt.
Im März 1953 verschmolzen auf einer Fusionsversammlung in Rothenburg ob der Tauber die beiden Verbände – der Bundesverband der Deutschen Zahnärzte (BDZ) wurde gegründet, Erich Müller-Altona wurde Präsident des Bundesverbandes, dem Vorläufer der heutigen Bundeszahnärztekammer.
Mit der Neuregelung des Zahnheilkunde- Gesetzes wurde das zahnmedizinische Studium gemäß dem damaligen Stand der Wissenschaft von Grund auf reformiert und die Zahnheilkunde als eine wissenschaftliche Disziplin verankert. Die so oft als „Schmalspurmediziner“ abwertend betrachteten Zahnärzte waren nunmehr durch eine zehnsemestrige wissenschaftliche und verstärkt praktische Ausbildung gleichberechtigt.
Die akademische Entwicklung hatte sich somit auch in der Zahnheilkunde durchgesetzt, die damit mit den anderen humanmedizinischen Richtungen gleichzog. Zahnheilkunde ist seitdem ein vollwertiger Teil der Medizin.
Ein steiler Aufstieg
Das ZHG, es darf sich wohl zu den erfolgreichsten deutschen Sozialgesetzen zählen, war ein wahrer Markstein für die Entwicklung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Es hatte stabilisierende Wirkung, ihm folgten nach wenigen Jahren ein steiler Aufstieg der zahnmedizinischen Wissenschaft und die Bildung der verschiedenen standespolitischen Organisationen. Innerhalb von zwei Jahren wurden Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung gegründet, das Kassenzahnarztrecht entstand und höchstrichterliche Urteile konnten erstritten werden.
50 Jahre Zahnheilkundegesetz, das klingt nach viel Staub – doch das Gesetz ist bis heute höchst lebendig und hat der Zahnheilkunde und der geeinten Zahnärzteschaft einen unwahrscheinlichen Aufschwung gebracht. Ohne dieses Gesetz würden deutsche Zahnmediziner heute nicht ihren – auch international – hervorragenden Ruf genießen können.